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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Empörung der Rotte Korah's und die Betheiligung des Volkes in Silkim an
dem heidnischen Dienste des Baal Pror (4. Mos. 16, 1 fg. und 25, 1 fg.). Bei
der Meuterei der Rotte Korah's ist es nicht etwa die rohe Volksmasse, die, von
Noth, Mangel oder Muthlosigkeit getrieben, sich gegen ihn erhebt; es sind die
Fürsten der Gemeinde, die angesehenen Häupter des Volkes, die, von Neid und
Ehrgeiz angestachelt, eine noch höhere Stellung zu erringen streben, als ihnen
Moses schon angewiesen hat. Außerdem aber sind die Empörer vorzüglich Glieder
seines eigenen Stammes, Leviten, die er über die anderen Stämme erhoben
hat, ja, es ist sogar Korah, sein naher Blutsverwandter, der an der Spitze
der Meuterer steht und den Aufruhr angefacht hat. Und noch empfindlicher
mußte er von Israel's götzendienerischem Treiben in Silkim betroffen werden.
Hier sieht er fast am Ende seiner Tage das bis an die diesseitigen Gefilde des
Jordan gelangte Volk von Moab's Töchtern umgarnt, der Unsittlichkeit fröhnen,
an götzendienerischen Zechgelagen sich betheiligen, an den Altären des Baal
Pror knien, und somit die Gotteslehre entweiht, die Mühe und Arbeit seines
Lebens vernichtet. In beiden Situationen könnten wir uns Moses außerhalb
des Lagers vor seinem Zelte sitzend denken. Im ersten Falle sieht er die meu¬
terische Rotte auf sich zukommen, von deren Umtrieben er wohl schon vorher
gerüchtweise gehört; im zweiten Falle erblickt er ein Stammesoberhaupt seines
eigenen Volkes traulich mit einer midianitischen Fürstentochter ohne Scheu vor
ihm herannahen. Da ballen sich seine Stirnmuskeln zusammen, seine Nüstern
athmen weit, schon will er aufspringen, schon wollen seine vor Zorn zitternden
Lippen das niederschmetternde Wort aussprechen; doch noch bezähmt er sich.
Er greift mit der rechten Hand, die auf den Gesetzestafeln, seinem gewöhnlichen
Symbol, ruht, in den mächtigen, tief herabfluthenden Bart, mit dessen äußerste"
Enden auch die Finger der linken Hand spielen, die er gleichsam beschwichtigend
auf den gewaltigen Leib gelegt hat. Wehe, wenn er sich erhebt! Dann wird
er ohne Zögern feine Feinde, die Feinde Gottes, zertreten, zermalmen.*)



*) Der mächtige Eindruck, den die Statue auf den Beschauer macht, wird theilweise
durch die Eigenthümlichkeit der Augenbildung hervorgebracht- Die Regenbogenhaut des
Auges erscheint nämlich wie deutlich stahlgrau oder leichtblau gefärbt und grenzt sich von
der schwarzen Pupille auf frappante Weise ab, so daß dadurch eine deutliche Richtung des
Blickes gegeben ist. Ein berühmter Augenarzt, Herr Geheimrath Dr. Weber hier, der die
Statue zu wiederholten Malen gesehen, theilte mir mit: "Michel Angelo hat den Farbeneffekt
der Iris und deren Abgrenzung von der Pupille dadurch erreicht, daß er die Iris in flacher
Aushöhlung, ungefähr in einem Winkel von 160 Grad, der Kugel des Augapfels aufgesetzt,
während er die Pupille oder das Sehlvch steil, fast in 90 Grad ausgehöhlt hat." Es ist
dies eine Art der Augenlnldnng, die meines Wissens weder früher vorhanden war, noch
später nachgeahmt wurde. Die Aelteren lassen die Stelle der Pupille ganz glatt, die Neueren
lassen statt ihrer einen Stift stehen, was weder einen natürlichen, noch einen angenehmen
Eindruck hervorbringt.

Empörung der Rotte Korah's und die Betheiligung des Volkes in Silkim an
dem heidnischen Dienste des Baal Pror (4. Mos. 16, 1 fg. und 25, 1 fg.). Bei
der Meuterei der Rotte Korah's ist es nicht etwa die rohe Volksmasse, die, von
Noth, Mangel oder Muthlosigkeit getrieben, sich gegen ihn erhebt; es sind die
Fürsten der Gemeinde, die angesehenen Häupter des Volkes, die, von Neid und
Ehrgeiz angestachelt, eine noch höhere Stellung zu erringen streben, als ihnen
Moses schon angewiesen hat. Außerdem aber sind die Empörer vorzüglich Glieder
seines eigenen Stammes, Leviten, die er über die anderen Stämme erhoben
hat, ja, es ist sogar Korah, sein naher Blutsverwandter, der an der Spitze
der Meuterer steht und den Aufruhr angefacht hat. Und noch empfindlicher
mußte er von Israel's götzendienerischem Treiben in Silkim betroffen werden.
Hier sieht er fast am Ende seiner Tage das bis an die diesseitigen Gefilde des
Jordan gelangte Volk von Moab's Töchtern umgarnt, der Unsittlichkeit fröhnen,
an götzendienerischen Zechgelagen sich betheiligen, an den Altären des Baal
Pror knien, und somit die Gotteslehre entweiht, die Mühe und Arbeit seines
Lebens vernichtet. In beiden Situationen könnten wir uns Moses außerhalb
des Lagers vor seinem Zelte sitzend denken. Im ersten Falle sieht er die meu¬
terische Rotte auf sich zukommen, von deren Umtrieben er wohl schon vorher
gerüchtweise gehört; im zweiten Falle erblickt er ein Stammesoberhaupt seines
eigenen Volkes traulich mit einer midianitischen Fürstentochter ohne Scheu vor
ihm herannahen. Da ballen sich seine Stirnmuskeln zusammen, seine Nüstern
athmen weit, schon will er aufspringen, schon wollen seine vor Zorn zitternden
Lippen das niederschmetternde Wort aussprechen; doch noch bezähmt er sich.
Er greift mit der rechten Hand, die auf den Gesetzestafeln, seinem gewöhnlichen
Symbol, ruht, in den mächtigen, tief herabfluthenden Bart, mit dessen äußerste»
Enden auch die Finger der linken Hand spielen, die er gleichsam beschwichtigend
auf den gewaltigen Leib gelegt hat. Wehe, wenn er sich erhebt! Dann wird
er ohne Zögern feine Feinde, die Feinde Gottes, zertreten, zermalmen.*)



*) Der mächtige Eindruck, den die Statue auf den Beschauer macht, wird theilweise
durch die Eigenthümlichkeit der Augenbildung hervorgebracht- Die Regenbogenhaut des
Auges erscheint nämlich wie deutlich stahlgrau oder leichtblau gefärbt und grenzt sich von
der schwarzen Pupille auf frappante Weise ab, so daß dadurch eine deutliche Richtung des
Blickes gegeben ist. Ein berühmter Augenarzt, Herr Geheimrath Dr. Weber hier, der die
Statue zu wiederholten Malen gesehen, theilte mir mit: „Michel Angelo hat den Farbeneffekt
der Iris und deren Abgrenzung von der Pupille dadurch erreicht, daß er die Iris in flacher
Aushöhlung, ungefähr in einem Winkel von 160 Grad, der Kugel des Augapfels aufgesetzt,
während er die Pupille oder das Sehlvch steil, fast in 90 Grad ausgehöhlt hat." Es ist
dies eine Art der Augenlnldnng, die meines Wissens weder früher vorhanden war, noch
später nachgeahmt wurde. Die Aelteren lassen die Stelle der Pupille ganz glatt, die Neueren
lassen statt ihrer einen Stift stehen, was weder einen natürlichen, noch einen angenehmen
Eindruck hervorbringt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/86>, abgerufen am 27.11.2024.