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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Presse auf ihn abzuwehren suchte, war ein deutlicher Beweis, daß ihm der
frühere feste Halt abhanden gekommen war.

Aber wo sonst einen solchen finden? Struensee stand allein da. Die
einzige treue Seele, die er auf der Welt hatte, war die Königin. Mochte sie
auch mitunter über sein launisches, verändertes Wesen zu klagen haben, sie
hing an ihm mit der rührendsten Zärtlichkeit. Ihr ganzes Interesse war ge¬
theilt zwischen ihm und ihren Kindern. Die beiden Freunde dagegen, die er einst
zu seiner Unterstützung herbeigezogen, hatten sich schon lange innerlich von ihm
gelöst. Brandt, den Struensee in allen persönlichen Angelegenheiten zum ein¬
zigen Vertrauten machte, war empört über die schmähliche Rolle, die er bei dem
"verrückten rsx" spielen mußte, über das herrische Wesen, mit dem sein Freund
ihn ebensogut meisterte wie den ganzen Hof. Er wäre auch sehr geneigt ge¬
wesen, sich des unbequemen Tyrannen durch Verrath zu entledigen, hätte nicht
ein sonderbares Geschick ihn kurz vor der Schlußkatastrophe aufs neue eng mit
Struensee verkettet, so daß er nun mit in dessen Verderben hineingezogen wurde.
Eine beschimpfende Aeußerung, die Christian gegen ihn vor Zeugen gethan, reizte
ihn so, daß er mit Zustimmung Struensee's Genugthuung forderte. Es kam nach
der Wahl des Königs zu einem Duell auf Fäuste, und bei diesem mißhandelte
Brandt den schwächeren Gegner mit Worten und Schlägen in der brutalsten Weise.
Die Sache wurde ruchbar und diente nun den Feinden der beiden Grafen als
Wagender Beweis, daß der König wirklich, wie man schon lange behauptet
hatte, sich von feinen Kerkermeistern in rohester Weise behandeln lassen müsse.
Aber wenn Brandt fortan als Hauptmitschuldiger Struensee's galt, so ging der
Dritte im Bunde, Graf Rantzau, mit schnöder Arglist in das Lager der Feinde
über und entwarf den höllischen Plan, die beiden ehemaligen Freunde in Tod
und Verderben zu stürzen. Schon längst haßte er aus tiefster Seele den bürger¬
lichen Genossen, der sich so keck über ihn hinausgeschwungen hatte, ohne ihn an
der heißersehnten Macht theilnehmen zu lassen. Die Erhöhung desselben zum
Kabinetsminister gab die Entscheidung. Von jetzt an ruhte Rantzau nicht eher,
als bis er den Verhaßten zerschmettert zu seineu Füßen sah. Er war nicht
ungeübt in der Kunst, geheime Fäden zu schlingen, und so gelang es ihm denn
auch bald, jene große Verschwörung zu Stande bringen, als deren unglückliches
Opfer Struensee fiel.

An der Spitze derselben stand eine fürstliche Frau, die Stiefmutter des Königs,
Juliane Marie, eine fromme, stille und schüchterne Natur, die durchaus nichts
von intriganten Wesen besaß. Aber sie fühlte sich in ihrer fürstlichen Würde
verletzt durch die Nichtachtung, mit der der deutsche Emporkömmling ihr und
ihrem Sohne, dem Erbprinzen Friedrich, begegnete, und war voll sittlicher Ent¬
rüstung über das ehebrecherische Verhältniß der jungen Königin. Trotzdem


Presse auf ihn abzuwehren suchte, war ein deutlicher Beweis, daß ihm der
frühere feste Halt abhanden gekommen war.

Aber wo sonst einen solchen finden? Struensee stand allein da. Die
einzige treue Seele, die er auf der Welt hatte, war die Königin. Mochte sie
auch mitunter über sein launisches, verändertes Wesen zu klagen haben, sie
hing an ihm mit der rührendsten Zärtlichkeit. Ihr ganzes Interesse war ge¬
theilt zwischen ihm und ihren Kindern. Die beiden Freunde dagegen, die er einst
zu seiner Unterstützung herbeigezogen, hatten sich schon lange innerlich von ihm
gelöst. Brandt, den Struensee in allen persönlichen Angelegenheiten zum ein¬
zigen Vertrauten machte, war empört über die schmähliche Rolle, die er bei dem
„verrückten rsx" spielen mußte, über das herrische Wesen, mit dem sein Freund
ihn ebensogut meisterte wie den ganzen Hof. Er wäre auch sehr geneigt ge¬
wesen, sich des unbequemen Tyrannen durch Verrath zu entledigen, hätte nicht
ein sonderbares Geschick ihn kurz vor der Schlußkatastrophe aufs neue eng mit
Struensee verkettet, so daß er nun mit in dessen Verderben hineingezogen wurde.
Eine beschimpfende Aeußerung, die Christian gegen ihn vor Zeugen gethan, reizte
ihn so, daß er mit Zustimmung Struensee's Genugthuung forderte. Es kam nach
der Wahl des Königs zu einem Duell auf Fäuste, und bei diesem mißhandelte
Brandt den schwächeren Gegner mit Worten und Schlägen in der brutalsten Weise.
Die Sache wurde ruchbar und diente nun den Feinden der beiden Grafen als
Wagender Beweis, daß der König wirklich, wie man schon lange behauptet
hatte, sich von feinen Kerkermeistern in rohester Weise behandeln lassen müsse.
Aber wenn Brandt fortan als Hauptmitschuldiger Struensee's galt, so ging der
Dritte im Bunde, Graf Rantzau, mit schnöder Arglist in das Lager der Feinde
über und entwarf den höllischen Plan, die beiden ehemaligen Freunde in Tod
und Verderben zu stürzen. Schon längst haßte er aus tiefster Seele den bürger¬
lichen Genossen, der sich so keck über ihn hinausgeschwungen hatte, ohne ihn an
der heißersehnten Macht theilnehmen zu lassen. Die Erhöhung desselben zum
Kabinetsminister gab die Entscheidung. Von jetzt an ruhte Rantzau nicht eher,
als bis er den Verhaßten zerschmettert zu seineu Füßen sah. Er war nicht
ungeübt in der Kunst, geheime Fäden zu schlingen, und so gelang es ihm denn
auch bald, jene große Verschwörung zu Stande bringen, als deren unglückliches
Opfer Struensee fiel.

An der Spitze derselben stand eine fürstliche Frau, die Stiefmutter des Königs,
Juliane Marie, eine fromme, stille und schüchterne Natur, die durchaus nichts
von intriganten Wesen besaß. Aber sie fühlte sich in ihrer fürstlichen Würde
verletzt durch die Nichtachtung, mit der der deutsche Emporkömmling ihr und
ihrem Sohne, dem Erbprinzen Friedrich, begegnete, und war voll sittlicher Ent¬
rüstung über das ehebrecherische Verhältniß der jungen Königin. Trotzdem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/75>, abgerufen am 27.11.2024.