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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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gewesen, des höchsten dänischen Regierungskvllegiums, das bei der Schwäche
der letzten Könige die Summe aller Geschäfte in seinen Händen vereinigte.
Durch seine kluge auswärtige Politik, die in jenem berühmten Vertrage mit
Rußland gipfelte, kraft dessen der gottorpische Antheil von Holstein im Aus¬
tausch gegen die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst an Dänemark fallen
sollte, hatte er das Ansehen des Staates außerordentlich erhöht, und im Innern
war er redlich bemüht, durch Anbahnung zeitgemäßer Reformen das Wohl -des
Volkes zu fördern. Wie die Unstrüflichkeit feines Charakters und die echte
Vvrnehncheit feines Wesens, wie seine überlegene Geschäftskenntniß und feine
aufopfernde Thätigkeit, so machte ihn auch die hochherzige Förderung, die er
allen künstlerischen und literarischen Bestrebungen zu Theil werden ließ, zum
Gegenstande allgemeiner Verehrung. Aber das Alles konnte ihn nicht retten:
gerade er war das Haupthindernis; für die projektirte Kabinetsregierung, er
der Gegenstand des grimmigsten Hasses für Rantzau. Als daher mit dem
Scheitern eines ungenügend vorbereiteten kriegerischen Unternehmens gegen den
Dei von Algier ein schicklicher Vorwand gegeben war, erfolgte (im Herbst 1770)
seine Entlassung. Die Beseitigung der übrigen Minister ergab sich danach von
selbst, und ehe das Jahr ganz zu Ende ging, hörte auch der mächtige aristo¬
kratische Staatsrath, "der so lauge das Rathen und Regieren für Eins an¬
gesehen hatte", auf Grund einer königlichen Ordre auf zu existiren.

Es war ein doppelter Sieg, den Struensee damit feierte. Er befreite sich
von den letzten Fesseln, die ihn an der Ausübung seines persönlichen Regimentes
hinderten, und erweckte in dem Lande die Vorstellung, als sei mit dem Sturze
jener hochadelichen Herren, in denen man die Haupturheber der vorhandenen
Mißstände im Staate erblickte, das Morgenroth eines neuen, schöneren Tages
angebrochen. Die verfassungsmäßig unbeschränkte Gewalt des Königthums ist
wiederhergestellt, der Monarch übernimmt die bisher von anderen geführte
Regierung fortan persönlich -- so lautete die offizielle Versicherung, die bei
dem treuen Volke der Dänen bereitwillig Glauben fand. Und als vier Wochen
später der Geburtstag des neuen Selbstherrschers mit glänzenden Volkslustbar¬
keiten gefeiert wurde, als dem Volke in der Reitbahn des Schlosses Christians¬
borg Wein und Braten in reichster Fülle gespendet wurde, und ein Regen von
goldenen und silbernen Schaumünzen sich über die Menge ergoß, da war eitel
Jubel und Freude. Die Krone von Dänemark schimmerte im hellsten Glänze.

Und doch konnte es von den Näherstehenden niemandem verborgen bleiben,
wer im Kabinette des Königs schon vor dem Falle Bernstorff's mit diktatorischer
Gewalt gebot. Woher hätte auch dem wahnwitzigen Christian, der meist zwischen
melancholischen Hinbrüten und wilder Raserei hin nud her schwankte, dessen
Hauptzeitvertreib es war, sich mit zwei Negerkindern und einem Hunde herum-


gewesen, des höchsten dänischen Regierungskvllegiums, das bei der Schwäche
der letzten Könige die Summe aller Geschäfte in seinen Händen vereinigte.
Durch seine kluge auswärtige Politik, die in jenem berühmten Vertrage mit
Rußland gipfelte, kraft dessen der gottorpische Antheil von Holstein im Aus¬
tausch gegen die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst an Dänemark fallen
sollte, hatte er das Ansehen des Staates außerordentlich erhöht, und im Innern
war er redlich bemüht, durch Anbahnung zeitgemäßer Reformen das Wohl -des
Volkes zu fördern. Wie die Unstrüflichkeit feines Charakters und die echte
Vvrnehncheit feines Wesens, wie seine überlegene Geschäftskenntniß und feine
aufopfernde Thätigkeit, so machte ihn auch die hochherzige Förderung, die er
allen künstlerischen und literarischen Bestrebungen zu Theil werden ließ, zum
Gegenstande allgemeiner Verehrung. Aber das Alles konnte ihn nicht retten:
gerade er war das Haupthindernis; für die projektirte Kabinetsregierung, er
der Gegenstand des grimmigsten Hasses für Rantzau. Als daher mit dem
Scheitern eines ungenügend vorbereiteten kriegerischen Unternehmens gegen den
Dei von Algier ein schicklicher Vorwand gegeben war, erfolgte (im Herbst 1770)
seine Entlassung. Die Beseitigung der übrigen Minister ergab sich danach von
selbst, und ehe das Jahr ganz zu Ende ging, hörte auch der mächtige aristo¬
kratische Staatsrath, „der so lauge das Rathen und Regieren für Eins an¬
gesehen hatte", auf Grund einer königlichen Ordre auf zu existiren.

Es war ein doppelter Sieg, den Struensee damit feierte. Er befreite sich
von den letzten Fesseln, die ihn an der Ausübung seines persönlichen Regimentes
hinderten, und erweckte in dem Lande die Vorstellung, als sei mit dem Sturze
jener hochadelichen Herren, in denen man die Haupturheber der vorhandenen
Mißstände im Staate erblickte, das Morgenroth eines neuen, schöneren Tages
angebrochen. Die verfassungsmäßig unbeschränkte Gewalt des Königthums ist
wiederhergestellt, der Monarch übernimmt die bisher von anderen geführte
Regierung fortan persönlich — so lautete die offizielle Versicherung, die bei
dem treuen Volke der Dänen bereitwillig Glauben fand. Und als vier Wochen
später der Geburtstag des neuen Selbstherrschers mit glänzenden Volkslustbar¬
keiten gefeiert wurde, als dem Volke in der Reitbahn des Schlosses Christians¬
borg Wein und Braten in reichster Fülle gespendet wurde, und ein Regen von
goldenen und silbernen Schaumünzen sich über die Menge ergoß, da war eitel
Jubel und Freude. Die Krone von Dänemark schimmerte im hellsten Glänze.

Und doch konnte es von den Näherstehenden niemandem verborgen bleiben,
wer im Kabinette des Königs schon vor dem Falle Bernstorff's mit diktatorischer
Gewalt gebot. Woher hätte auch dem wahnwitzigen Christian, der meist zwischen
melancholischen Hinbrüten und wilder Raserei hin nud her schwankte, dessen
Hauptzeitvertreib es war, sich mit zwei Negerkindern und einem Hunde herum-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/70>, abgerufen am 27.11.2024.