Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

des Königs ernannt wurde, in Folge eines Zerwürfnisses mit dem Grafen
Hotel aus Dänemark verbannt worden. Nachdem er jedoch Gelegenheit gefunden,
sich Christian bei dessen Anwesenheit in Paris wieder zu nähern, hatte er nebst
der Kammerherrnwürde einen Platz im Regierungskollegium der damals unter
dänischer Herrschaft stehenden Grafschaft Oldenburg erhalten. Brandt war
eine originelle Persönlichkeit: ein Mensch von beißendem, zügellosen Witz, von
immer unruhiger Geschäftigkeit, maßlos eitel und leichtfertig, trotz seiner Hä߬
lichkeit und seinen wenig einnehmenden Manieren stets mit Liebesaffairen
beschäftigt. Dabei fehlte es ihm keineswegs an Kenntnissen. Er theilte mit
Struensee das lebhafteste Interesse für die französische Aufklärnngsphilosvphie.
In religiöser Hinsicht war er ähnlich freidenkend wie jener. Ihn, der seit seiner
Jugend nichts lebhafter gewünscht hatte, als Favorit eines Königs zu werden,
hatte Struensee bestimmt zur Ueberwachung des Hofes. Seine Aufgabe war,
immer um den König zu sein, denselben zu unterhalten und zu beschäftigen und
vor allem dafür zu sorgen, daß kein fremder Einfluß sich je bei demselben
geltend mache. Als Entschädigung sür diesen allerdings uicht sehr lockenden
Cerberusdienst erhielt er die seinen speziellen Neigungen ganz entsprechenden
Funktionen eines Intendanten des französischen und dünischen Theaters, sowie
eines Direktors der Kunstkammer und Gemäldegalerie. Der andere Freund,
der durch Struensee's Vermittelung bei Hofe wieder zu Gnaden angenommen
wurde, war der uns schon bekannte Graf Rcmtzau, der, wie sich denken läßt,
mit Freuden bereit war, sein trauriges Exil in Holstein mit einer glänzenden
politischen Stellung in Kopenhagen zu vertauschen, die ihm Gelegenheit bot,
seinem Ehrgeiz wie seiner in früheren Beziehungen zum Hofe wurzelnde,: Rach¬
sucht vollste Befriedigung zu verschaffen. Er erschien Struensee als der geeig¬
nete Mann, um ihn bei der Verwaltung und Regierung des Staates in seinem
Sinne zu unterstützen. Hatten sie sich doch beide einst in den Tagen von
Altona schon als künftige Weltverbesserer geträumt!

Die Wirkung des neuen Triumvirates machte sich sofort fühlbar. Schlag
auf Schlag wurden alle beseitigt, die irgendwie hindernd im Wege zu stehen
schienen. Der Erste, der fiel, war der Hofmarschall Graf Hotel. Sein Sturz kam
nicht unerwartet. Seine Rolle war schon ausgespielt, seitdem Struensee empor¬
gekommen war. Die Königin haßte ihn, und selbst der König hatte fein Interesse
für ihn verloren, seitdem sein entnervter Körper den strapaziösen Vergnügungen,
wie sie Hotel zu ersinnen pflegte, nicht mehr gewachsen war. Um so größeres
Aussehen erregte die plötzliche Verabschiedung des Grafen Bernstorff, des ein¬
flußreichsten der damaligen Minister. Bernstorff, den Friedrich der Große halb
spöttisch "das Orakel von Dänemark" zu nennen Pflegte, war schon unter
Friedrich^., dem Vater Christian's, die Seele des Geheimen Staatsrathes


des Königs ernannt wurde, in Folge eines Zerwürfnisses mit dem Grafen
Hotel aus Dänemark verbannt worden. Nachdem er jedoch Gelegenheit gefunden,
sich Christian bei dessen Anwesenheit in Paris wieder zu nähern, hatte er nebst
der Kammerherrnwürde einen Platz im Regierungskollegium der damals unter
dänischer Herrschaft stehenden Grafschaft Oldenburg erhalten. Brandt war
eine originelle Persönlichkeit: ein Mensch von beißendem, zügellosen Witz, von
immer unruhiger Geschäftigkeit, maßlos eitel und leichtfertig, trotz seiner Hä߬
lichkeit und seinen wenig einnehmenden Manieren stets mit Liebesaffairen
beschäftigt. Dabei fehlte es ihm keineswegs an Kenntnissen. Er theilte mit
Struensee das lebhafteste Interesse für die französische Aufklärnngsphilosvphie.
In religiöser Hinsicht war er ähnlich freidenkend wie jener. Ihn, der seit seiner
Jugend nichts lebhafter gewünscht hatte, als Favorit eines Königs zu werden,
hatte Struensee bestimmt zur Ueberwachung des Hofes. Seine Aufgabe war,
immer um den König zu sein, denselben zu unterhalten und zu beschäftigen und
vor allem dafür zu sorgen, daß kein fremder Einfluß sich je bei demselben
geltend mache. Als Entschädigung sür diesen allerdings uicht sehr lockenden
Cerberusdienst erhielt er die seinen speziellen Neigungen ganz entsprechenden
Funktionen eines Intendanten des französischen und dünischen Theaters, sowie
eines Direktors der Kunstkammer und Gemäldegalerie. Der andere Freund,
der durch Struensee's Vermittelung bei Hofe wieder zu Gnaden angenommen
wurde, war der uns schon bekannte Graf Rcmtzau, der, wie sich denken läßt,
mit Freuden bereit war, sein trauriges Exil in Holstein mit einer glänzenden
politischen Stellung in Kopenhagen zu vertauschen, die ihm Gelegenheit bot,
seinem Ehrgeiz wie seiner in früheren Beziehungen zum Hofe wurzelnde,: Rach¬
sucht vollste Befriedigung zu verschaffen. Er erschien Struensee als der geeig¬
nete Mann, um ihn bei der Verwaltung und Regierung des Staates in seinem
Sinne zu unterstützen. Hatten sie sich doch beide einst in den Tagen von
Altona schon als künftige Weltverbesserer geträumt!

Die Wirkung des neuen Triumvirates machte sich sofort fühlbar. Schlag
auf Schlag wurden alle beseitigt, die irgendwie hindernd im Wege zu stehen
schienen. Der Erste, der fiel, war der Hofmarschall Graf Hotel. Sein Sturz kam
nicht unerwartet. Seine Rolle war schon ausgespielt, seitdem Struensee empor¬
gekommen war. Die Königin haßte ihn, und selbst der König hatte fein Interesse
für ihn verloren, seitdem sein entnervter Körper den strapaziösen Vergnügungen,
wie sie Hotel zu ersinnen pflegte, nicht mehr gewachsen war. Um so größeres
Aussehen erregte die plötzliche Verabschiedung des Grafen Bernstorff, des ein¬
flußreichsten der damaligen Minister. Bernstorff, den Friedrich der Große halb
spöttisch „das Orakel von Dänemark" zu nennen Pflegte, war schon unter
Friedrich^., dem Vater Christian's, die Seele des Geheimen Staatsrathes


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142566"/>
          <p xml:id="ID_193" prev="#ID_192"> des Königs ernannt wurde, in Folge eines Zerwürfnisses mit dem Grafen<lb/>
Hotel aus Dänemark verbannt worden. Nachdem er jedoch Gelegenheit gefunden,<lb/>
sich Christian bei dessen Anwesenheit in Paris wieder zu nähern, hatte er nebst<lb/>
der Kammerherrnwürde einen Platz im Regierungskollegium der damals unter<lb/>
dänischer Herrschaft stehenden Grafschaft Oldenburg erhalten. Brandt war<lb/>
eine originelle Persönlichkeit: ein Mensch von beißendem, zügellosen Witz, von<lb/>
immer unruhiger Geschäftigkeit, maßlos eitel und leichtfertig, trotz seiner Hä߬<lb/>
lichkeit und seinen wenig einnehmenden Manieren stets mit Liebesaffairen<lb/>
beschäftigt. Dabei fehlte es ihm keineswegs an Kenntnissen. Er theilte mit<lb/>
Struensee das lebhafteste Interesse für die französische Aufklärnngsphilosvphie.<lb/>
In religiöser Hinsicht war er ähnlich freidenkend wie jener. Ihn, der seit seiner<lb/>
Jugend nichts lebhafter gewünscht hatte, als Favorit eines Königs zu werden,<lb/>
hatte Struensee bestimmt zur Ueberwachung des Hofes. Seine Aufgabe war,<lb/>
immer um den König zu sein, denselben zu unterhalten und zu beschäftigen und<lb/>
vor allem dafür zu sorgen, daß kein fremder Einfluß sich je bei demselben<lb/>
geltend mache. Als Entschädigung sür diesen allerdings uicht sehr lockenden<lb/>
Cerberusdienst erhielt er die seinen speziellen Neigungen ganz entsprechenden<lb/>
Funktionen eines Intendanten des französischen und dünischen Theaters, sowie<lb/>
eines Direktors der Kunstkammer und Gemäldegalerie. Der andere Freund,<lb/>
der durch Struensee's Vermittelung bei Hofe wieder zu Gnaden angenommen<lb/>
wurde, war der uns schon bekannte Graf Rcmtzau, der, wie sich denken läßt,<lb/>
mit Freuden bereit war, sein trauriges Exil in Holstein mit einer glänzenden<lb/>
politischen Stellung in Kopenhagen zu vertauschen, die ihm Gelegenheit bot,<lb/>
seinem Ehrgeiz wie seiner in früheren Beziehungen zum Hofe wurzelnde,: Rach¬<lb/>
sucht vollste Befriedigung zu verschaffen. Er erschien Struensee als der geeig¬<lb/>
nete Mann, um ihn bei der Verwaltung und Regierung des Staates in seinem<lb/>
Sinne zu unterstützen. Hatten sie sich doch beide einst in den Tagen von<lb/>
Altona schon als künftige Weltverbesserer geträumt!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_194" next="#ID_195"> Die Wirkung des neuen Triumvirates machte sich sofort fühlbar. Schlag<lb/>
auf Schlag wurden alle beseitigt, die irgendwie hindernd im Wege zu stehen<lb/>
schienen. Der Erste, der fiel, war der Hofmarschall Graf Hotel. Sein Sturz kam<lb/>
nicht unerwartet. Seine Rolle war schon ausgespielt, seitdem Struensee empor¬<lb/>
gekommen war. Die Königin haßte ihn, und selbst der König hatte fein Interesse<lb/>
für ihn verloren, seitdem sein entnervter Körper den strapaziösen Vergnügungen,<lb/>
wie sie Hotel zu ersinnen pflegte, nicht mehr gewachsen war. Um so größeres<lb/>
Aussehen erregte die plötzliche Verabschiedung des Grafen Bernstorff, des ein¬<lb/>
flußreichsten der damaligen Minister. Bernstorff, den Friedrich der Große halb<lb/>
spöttisch &#x201E;das Orakel von Dänemark" zu nennen Pflegte, war schon unter<lb/>
Friedrich^., dem Vater Christian's, die Seele des Geheimen Staatsrathes</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0069] des Königs ernannt wurde, in Folge eines Zerwürfnisses mit dem Grafen Hotel aus Dänemark verbannt worden. Nachdem er jedoch Gelegenheit gefunden, sich Christian bei dessen Anwesenheit in Paris wieder zu nähern, hatte er nebst der Kammerherrnwürde einen Platz im Regierungskollegium der damals unter dänischer Herrschaft stehenden Grafschaft Oldenburg erhalten. Brandt war eine originelle Persönlichkeit: ein Mensch von beißendem, zügellosen Witz, von immer unruhiger Geschäftigkeit, maßlos eitel und leichtfertig, trotz seiner Hä߬ lichkeit und seinen wenig einnehmenden Manieren stets mit Liebesaffairen beschäftigt. Dabei fehlte es ihm keineswegs an Kenntnissen. Er theilte mit Struensee das lebhafteste Interesse für die französische Aufklärnngsphilosvphie. In religiöser Hinsicht war er ähnlich freidenkend wie jener. Ihn, der seit seiner Jugend nichts lebhafter gewünscht hatte, als Favorit eines Königs zu werden, hatte Struensee bestimmt zur Ueberwachung des Hofes. Seine Aufgabe war, immer um den König zu sein, denselben zu unterhalten und zu beschäftigen und vor allem dafür zu sorgen, daß kein fremder Einfluß sich je bei demselben geltend mache. Als Entschädigung sür diesen allerdings uicht sehr lockenden Cerberusdienst erhielt er die seinen speziellen Neigungen ganz entsprechenden Funktionen eines Intendanten des französischen und dünischen Theaters, sowie eines Direktors der Kunstkammer und Gemäldegalerie. Der andere Freund, der durch Struensee's Vermittelung bei Hofe wieder zu Gnaden angenommen wurde, war der uns schon bekannte Graf Rcmtzau, der, wie sich denken läßt, mit Freuden bereit war, sein trauriges Exil in Holstein mit einer glänzenden politischen Stellung in Kopenhagen zu vertauschen, die ihm Gelegenheit bot, seinem Ehrgeiz wie seiner in früheren Beziehungen zum Hofe wurzelnde,: Rach¬ sucht vollste Befriedigung zu verschaffen. Er erschien Struensee als der geeig¬ nete Mann, um ihn bei der Verwaltung und Regierung des Staates in seinem Sinne zu unterstützen. Hatten sie sich doch beide einst in den Tagen von Altona schon als künftige Weltverbesserer geträumt! Die Wirkung des neuen Triumvirates machte sich sofort fühlbar. Schlag auf Schlag wurden alle beseitigt, die irgendwie hindernd im Wege zu stehen schienen. Der Erste, der fiel, war der Hofmarschall Graf Hotel. Sein Sturz kam nicht unerwartet. Seine Rolle war schon ausgespielt, seitdem Struensee empor¬ gekommen war. Die Königin haßte ihn, und selbst der König hatte fein Interesse für ihn verloren, seitdem sein entnervter Körper den strapaziösen Vergnügungen, wie sie Hotel zu ersinnen pflegte, nicht mehr gewachsen war. Um so größeres Aussehen erregte die plötzliche Verabschiedung des Grafen Bernstorff, des ein¬ flußreichsten der damaligen Minister. Bernstorff, den Friedrich der Große halb spöttisch „das Orakel von Dänemark" zu nennen Pflegte, war schon unter Friedrich^., dem Vater Christian's, die Seele des Geheimen Staatsrathes

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/69
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/69>, abgerufen am 27.11.2024.