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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Die Jagd überläßt der Kanzler schon seit einiger Zeit seinen Söhnen.
Dagegen liebt er lange Wanderungen durch seinen Park noch wie zu Anfang,
und derselbe verdient seine Zuneigung. Er ist ebenso groß als schön, voll
Heimlichkeit, voll Abwechselung, voll Wipfelmusik, Stattliche Buchen und Eichen,
an einigen Stellen auch Gruppen rothstämmiger Föhren erheben ihre Kronen
über das Unterholz der Hügel oder über das Gras und Moos der lichteren
Senkungen. Schlangenwege winden sich über seine Höhen und durch seine
Tiefen. Dazu schmale Pfade, von Gezweig überhangen. Bisweilen tritt man
auf einen Fahrweg hinaus, wo sich eine Aussicht nach einem fernen stillen
Waldhügel eröffnet. Am Saume der Partie des Parkes, mit welcher er an die vom
Vorbesitzer des Kanzlers vorgenommene große Rodung mit ihren schwarzgrauen
Furchen grenzt, schließt sich ihm seitwärts ein breiter, mellenloser Weiher mit
Spiegelbildern der Wipfel und Wolken, Schilf und Seerosen an. Hie und
da ladet eine Bank an einem weißen, auf der Wetterseite bemoosten Buchen¬
stämme mit Erinnerungszeichen, Anfangsbuchstaben von Namen und tgi. zum
Ausruhen und Meditiren ein. Der Fürst weiß jeden schönen Baum zu nennen.
Er scheint seinen Park von Grund aus studirt zu haben. Auch die Nacht, ihr
Mond und ihre Sterne haben ihn hier wandeln sehen, und sicher ist ihm bei
solchen einsamen Gängen mancher bedeutungsvolle Gedanke aufgestiegen, der
nachher für uns, sein Volk, Frucht getragen hat. Wiederholt kam er auf seine
Beobachtungen und Betrachtungen im Parke zu sprechen, und sehr anmuthig
wußte er selbst von seinen Dohlen zu erzählen, wie sie "ihren Kindern das
Fliegen lehren", wie sie dieselben "später an die nahe Seeküste zur Würmerdiät
führen", und wie sie "als vornehme Leute zum Winter in die Stadt, in die
Thürme von Stolp und Schlawe ziehen"

Ich bin zu Ende mit meinem Bericht. Mehr von Varzin und dem, was
ich dort vernahm und erlebte, vielleicht in andrer Form an anderm Orte. Für
jetzt muß ich Abschied nehmen, von ihm und bis auf weiteres zugleich von
den Lesern. Mögen sie mit mir den Wunsch theilen: Segen und Heil dem
Hause und seinem Herrn -- slawa und Wawrdtzin -- Ruhm und Lorbeern
immerdar!*)


Moritz Busch.



*) Wir bemerken, daß diese Aufsätze eins der Kapitel eines neuen Buches des Verfassers
bilden, welches Ende Oktober d. I. unter dem Titel: "Neue Tagebuchsblätter des
Verfassers von Graf Bismarck und seine Leute" im Verlage von Fr. Wilh. Grunow
in Leipzig erscheinen wird. "
Grenzboten III, 1379.

Die Jagd überläßt der Kanzler schon seit einiger Zeit seinen Söhnen.
Dagegen liebt er lange Wanderungen durch seinen Park noch wie zu Anfang,
und derselbe verdient seine Zuneigung. Er ist ebenso groß als schön, voll
Heimlichkeit, voll Abwechselung, voll Wipfelmusik, Stattliche Buchen und Eichen,
an einigen Stellen auch Gruppen rothstämmiger Föhren erheben ihre Kronen
über das Unterholz der Hügel oder über das Gras und Moos der lichteren
Senkungen. Schlangenwege winden sich über seine Höhen und durch seine
Tiefen. Dazu schmale Pfade, von Gezweig überhangen. Bisweilen tritt man
auf einen Fahrweg hinaus, wo sich eine Aussicht nach einem fernen stillen
Waldhügel eröffnet. Am Saume der Partie des Parkes, mit welcher er an die vom
Vorbesitzer des Kanzlers vorgenommene große Rodung mit ihren schwarzgrauen
Furchen grenzt, schließt sich ihm seitwärts ein breiter, mellenloser Weiher mit
Spiegelbildern der Wipfel und Wolken, Schilf und Seerosen an. Hie und
da ladet eine Bank an einem weißen, auf der Wetterseite bemoosten Buchen¬
stämme mit Erinnerungszeichen, Anfangsbuchstaben von Namen und tgi. zum
Ausruhen und Meditiren ein. Der Fürst weiß jeden schönen Baum zu nennen.
Er scheint seinen Park von Grund aus studirt zu haben. Auch die Nacht, ihr
Mond und ihre Sterne haben ihn hier wandeln sehen, und sicher ist ihm bei
solchen einsamen Gängen mancher bedeutungsvolle Gedanke aufgestiegen, der
nachher für uns, sein Volk, Frucht getragen hat. Wiederholt kam er auf seine
Beobachtungen und Betrachtungen im Parke zu sprechen, und sehr anmuthig
wußte er selbst von seinen Dohlen zu erzählen, wie sie „ihren Kindern das
Fliegen lehren", wie sie dieselben „später an die nahe Seeküste zur Würmerdiät
führen", und wie sie „als vornehme Leute zum Winter in die Stadt, in die
Thürme von Stolp und Schlawe ziehen"

Ich bin zu Ende mit meinem Bericht. Mehr von Varzin und dem, was
ich dort vernahm und erlebte, vielleicht in andrer Form an anderm Orte. Für
jetzt muß ich Abschied nehmen, von ihm und bis auf weiteres zugleich von
den Lesern. Mögen sie mit mir den Wunsch theilen: Segen und Heil dem
Hause und seinem Herrn — slawa und Wawrdtzin — Ruhm und Lorbeern
immerdar!*)


Moritz Busch.



*) Wir bemerken, daß diese Aufsätze eins der Kapitel eines neuen Buches des Verfassers
bilden, welches Ende Oktober d. I. unter dem Titel: „Neue Tagebuchsblätter des
Verfassers von Graf Bismarck und seine Leute" im Verlage von Fr. Wilh. Grunow
in Leipzig erscheinen wird. «
Grenzboten III, 1379.
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[0543] Die Jagd überläßt der Kanzler schon seit einiger Zeit seinen Söhnen. Dagegen liebt er lange Wanderungen durch seinen Park noch wie zu Anfang, und derselbe verdient seine Zuneigung. Er ist ebenso groß als schön, voll Heimlichkeit, voll Abwechselung, voll Wipfelmusik, Stattliche Buchen und Eichen, an einigen Stellen auch Gruppen rothstämmiger Föhren erheben ihre Kronen über das Unterholz der Hügel oder über das Gras und Moos der lichteren Senkungen. Schlangenwege winden sich über seine Höhen und durch seine Tiefen. Dazu schmale Pfade, von Gezweig überhangen. Bisweilen tritt man auf einen Fahrweg hinaus, wo sich eine Aussicht nach einem fernen stillen Waldhügel eröffnet. Am Saume der Partie des Parkes, mit welcher er an die vom Vorbesitzer des Kanzlers vorgenommene große Rodung mit ihren schwarzgrauen Furchen grenzt, schließt sich ihm seitwärts ein breiter, mellenloser Weiher mit Spiegelbildern der Wipfel und Wolken, Schilf und Seerosen an. Hie und da ladet eine Bank an einem weißen, auf der Wetterseite bemoosten Buchen¬ stämme mit Erinnerungszeichen, Anfangsbuchstaben von Namen und tgi. zum Ausruhen und Meditiren ein. Der Fürst weiß jeden schönen Baum zu nennen. Er scheint seinen Park von Grund aus studirt zu haben. Auch die Nacht, ihr Mond und ihre Sterne haben ihn hier wandeln sehen, und sicher ist ihm bei solchen einsamen Gängen mancher bedeutungsvolle Gedanke aufgestiegen, der nachher für uns, sein Volk, Frucht getragen hat. Wiederholt kam er auf seine Beobachtungen und Betrachtungen im Parke zu sprechen, und sehr anmuthig wußte er selbst von seinen Dohlen zu erzählen, wie sie „ihren Kindern das Fliegen lehren", wie sie dieselben „später an die nahe Seeküste zur Würmerdiät führen", und wie sie „als vornehme Leute zum Winter in die Stadt, in die Thürme von Stolp und Schlawe ziehen" Ich bin zu Ende mit meinem Bericht. Mehr von Varzin und dem, was ich dort vernahm und erlebte, vielleicht in andrer Form an anderm Orte. Für jetzt muß ich Abschied nehmen, von ihm und bis auf weiteres zugleich von den Lesern. Mögen sie mit mir den Wunsch theilen: Segen und Heil dem Hause und seinem Herrn — slawa und Wawrdtzin — Ruhm und Lorbeern immerdar!*) Moritz Busch. *) Wir bemerken, daß diese Aufsätze eins der Kapitel eines neuen Buches des Verfassers bilden, welches Ende Oktober d. I. unter dem Titel: „Neue Tagebuchsblätter des Verfassers von Graf Bismarck und seine Leute" im Verlage von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erscheinen wird. « Grenzboten III, 1379.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/543>, abgerufen am 27.11.2024.