Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.Vorschlägen zur Verbesserung der Welt nach allen Richtungen, mit langen So sah sich der Fürst, um sich des Uebels zu erwehren, das nachgerade Eine Kirche ist im Dorfe nicht vorhanden. Wer die Predigt hören will, Das Leben des Kanzlers in seiner Varziner Zurückgezogenheit ist ein Vorschlägen zur Verbesserung der Welt nach allen Richtungen, mit langen So sah sich der Fürst, um sich des Uebels zu erwehren, das nachgerade Eine Kirche ist im Dorfe nicht vorhanden. Wer die Predigt hören will, Das Leben des Kanzlers in seiner Varziner Zurückgezogenheit ist ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0540" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143037"/> <p xml:id="ID_1612" prev="#ID_1611"> Vorschlägen zur Verbesserung der Welt nach allen Richtungen, mit langen<lb/> politischen Auseinandersetzungen, die zuweilen sehr komischer Art waren, mit<lb/> Gesuchen um Unterstützung durch Geld oder Empfehlung, um Darlehen, um<lb/> Anstellungen, um Gutachten, mit Rathschlägen und Anerbietungen zum Ankauf<lb/> von Gütern, mit Befürwortungen der verschiedensten Anliegen Dritter, mit<lb/> Bitten um Einlösung von Pfandscheinen, mit Manuskripten, für die sich kein<lb/> Verleger gefunden, und die dem Fürsten nun zur Veröffentlichung anvertraut<lb/> wurden, in steigender Progression zu. Allerhand Manöver wurden dabei an¬<lb/> gewendet, um den Reichskanzler zur Eröffnung und zum Lesen dieser Episteln<lb/> zu verleiten oder zu nöthigen. Man rekommandirte sie, man vermerkte auf<lb/> dem Kouvert: „Eigenhändig zu öffnen" oder: „Wichtiger Inhalt. Bitte, selbst<lb/> zu lesen." Man bezog sich auf Empfehlungen von Autoritäten. Andere rich¬<lb/> teten ihre Wünsche an den Geheimen Legationsrath Bucher und mutheten ihm<lb/> zu, die vollkommene Ruhe, welche eines der ersten Erfordernisse der Kur oder<lb/> Nachkur des Fürsten war, durch Vortrag des Inhalts ihrer Schreiben zu<lb/> unterbrechen, wobei die Herrschaften in der Regel mit der Formel begannen:<lb/> „Ich weiß zwar sehr wohl, daß Sie wenig Zeit haben, und daß Se. Durch¬<lb/> laucht noch weniger hat, hoffe aber, daß hier eine Ausnahme statthaft sein wird."</p><lb/> <p xml:id="ID_1613"> So sah sich der Fürst, um sich des Uebels zu erwehren, das nachgerade<lb/> ungeheuerliche und sast beängstigende Gestalt angenommen hatte, eines Tages<lb/> in die Nothwendigkeit versetzt, eine Anordnung zu treffen, nach welcher die<lb/> Annahme aller an ihn adressirter Privatbriefe verweigert werden sollte, soweit<lb/> dieselben nicht als von Verwandten oder speziellen Freunden herrührend er¬<lb/> kennbar waren. Ein großes weitverbreitetes Blatt erhielt die Anzeige und<lb/> Rechtfertigung dieser Maßregel. Ob sie die Wuth auf die Dauer gestaut hat,<lb/> ist zweifelhaft. Mitte Oktober 1877 schien der Briefstrom allerdings nur noch<lb/> zu rieseln. Es waren indeß damals erst wenige Tage verflossen, seit der<lb/> Reichskanzler von Gastein nach Varzin zurückgekehrt war, und vielleicht wußte<lb/> die Zudringlichkeit, die ihn früher hier geplagt hatte, noch nicht, wohin sie ihre<lb/> Anliegen zu adressiren hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1614"> Eine Kirche ist im Dorfe nicht vorhanden. Wer die Predigt hören will,<lb/> muß nach dem eine kleine Stunde von hier entfernten Wussow gehen. Der<lb/> Fürst nimmt, obwohl er, wie ich anderswo mehrfach angedeutet habe, ein<lb/> gottesfürchtiger Mann ist, der seine Kraft in der Religion sucht, seine Pflichten<lb/> in ihr begründet und den Tod als Mnus, vitg.<z betrachtet, am öffentlichen<lb/> Gottesdienste nur wenig Theil — vielleicht aus Gesundheitsrücksichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1615" next="#ID_1616"> Das Leben des Kanzlers in seiner Varziner Zurückgezogenheit ist ein<lb/> sehr einfaches. Es ist im wesentlichen Erholung von Geschäftsüberbürdung,<lb/> Reichstagsreden und den bekannten traurigen „Friktionen", Erholung in guter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0540]
Vorschlägen zur Verbesserung der Welt nach allen Richtungen, mit langen
politischen Auseinandersetzungen, die zuweilen sehr komischer Art waren, mit
Gesuchen um Unterstützung durch Geld oder Empfehlung, um Darlehen, um
Anstellungen, um Gutachten, mit Rathschlägen und Anerbietungen zum Ankauf
von Gütern, mit Befürwortungen der verschiedensten Anliegen Dritter, mit
Bitten um Einlösung von Pfandscheinen, mit Manuskripten, für die sich kein
Verleger gefunden, und die dem Fürsten nun zur Veröffentlichung anvertraut
wurden, in steigender Progression zu. Allerhand Manöver wurden dabei an¬
gewendet, um den Reichskanzler zur Eröffnung und zum Lesen dieser Episteln
zu verleiten oder zu nöthigen. Man rekommandirte sie, man vermerkte auf
dem Kouvert: „Eigenhändig zu öffnen" oder: „Wichtiger Inhalt. Bitte, selbst
zu lesen." Man bezog sich auf Empfehlungen von Autoritäten. Andere rich¬
teten ihre Wünsche an den Geheimen Legationsrath Bucher und mutheten ihm
zu, die vollkommene Ruhe, welche eines der ersten Erfordernisse der Kur oder
Nachkur des Fürsten war, durch Vortrag des Inhalts ihrer Schreiben zu
unterbrechen, wobei die Herrschaften in der Regel mit der Formel begannen:
„Ich weiß zwar sehr wohl, daß Sie wenig Zeit haben, und daß Se. Durch¬
laucht noch weniger hat, hoffe aber, daß hier eine Ausnahme statthaft sein wird."
So sah sich der Fürst, um sich des Uebels zu erwehren, das nachgerade
ungeheuerliche und sast beängstigende Gestalt angenommen hatte, eines Tages
in die Nothwendigkeit versetzt, eine Anordnung zu treffen, nach welcher die
Annahme aller an ihn adressirter Privatbriefe verweigert werden sollte, soweit
dieselben nicht als von Verwandten oder speziellen Freunden herrührend er¬
kennbar waren. Ein großes weitverbreitetes Blatt erhielt die Anzeige und
Rechtfertigung dieser Maßregel. Ob sie die Wuth auf die Dauer gestaut hat,
ist zweifelhaft. Mitte Oktober 1877 schien der Briefstrom allerdings nur noch
zu rieseln. Es waren indeß damals erst wenige Tage verflossen, seit der
Reichskanzler von Gastein nach Varzin zurückgekehrt war, und vielleicht wußte
die Zudringlichkeit, die ihn früher hier geplagt hatte, noch nicht, wohin sie ihre
Anliegen zu adressiren hatte.
Eine Kirche ist im Dorfe nicht vorhanden. Wer die Predigt hören will,
muß nach dem eine kleine Stunde von hier entfernten Wussow gehen. Der
Fürst nimmt, obwohl er, wie ich anderswo mehrfach angedeutet habe, ein
gottesfürchtiger Mann ist, der seine Kraft in der Religion sucht, seine Pflichten
in ihr begründet und den Tod als Mnus, vitg.<z betrachtet, am öffentlichen
Gottesdienste nur wenig Theil — vielleicht aus Gesundheitsrücksichten.
Das Leben des Kanzlers in seiner Varziner Zurückgezogenheit ist ein
sehr einfaches. Es ist im wesentlichen Erholung von Geschäftsüberbürdung,
Reichstagsreden und den bekannten traurigen „Friktionen", Erholung in guter
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |