Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.Marsche und zwar für die nächsten zehn Tage wieder auf der Bornu-Route. Am Tümmogebirge verließen die Reisenden die südliche Route, um in der Marsche und zwar für die nächsten zehn Tage wieder auf der Bornu-Route. Am Tümmogebirge verließen die Reisenden die südliche Route, um in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0531" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/143028"/> <p xml:id="ID_1585" prev="#ID_1584"> Marsche und zwar für die nächsten zehn Tage wieder auf der Bornu-Route.<lb/> Der gewöhnliche Weg nach Tibesti verläßt diese zwar schon in Medrnsa, einer<lb/> etwa zwei Tagereisen von Katrün liegenden Oase, und ist der direktere; doch<lb/> sah sich Nachtigal zu dem Umwege veranlaßt durch den Mangel an Wasser¬<lb/> stationen und an genügender Sicherheit vor den räuberischen Wüstenbewohnern,<lb/> während er auf dem Bornu-Wege von Medrüsa an die Oasen Kasrauwa und<lb/> Tedscherri sowie verschiedene wenn auch manchmal verschüttete Brunnen mit¬<lb/> nehmen konnte. Zwischen Katrün und Tedscherri befindet sich eine Kolonie<lb/> von Tubu-Leuten, welche den liebenswürdigen Plan faßten, die Karawane an<lb/> einem der Wüstenbrunnen auszuplündern und zur Rückkehr zu zwingen. Glück¬<lb/> licherweise erfuhr Nachtigal noch zur rechten Zeit davon, um einen Ueberfall<lb/> verhüten zu können, aber das in ihm immer mehr aufsteigende Mißtrauen<lb/> gegen die Tubu sowie eine Augenentzündung, welche erst das linke, dann auch<lb/> das rechte Auge ergriff, ließ keine frohe Reisestimmung in ihm aufkommen,<lb/> erfüllte vielmehr sein Gemüth mit unbestimmten Ahnungen von künftigen<lb/> Drangsalen. Und in der That, sie sollten nicht ausbleiben!</p><lb/> <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Am Tümmogebirge verließen die Reisenden die südliche Route, um in der<lb/> Richtung nach Südost ihr Ziel zu erreichen. Das Bewußtsein, jungfräuliches<lb/> Terrain zu betreten, unterstützte sie nur kurze Zeit in der Ueberwindung der<lb/> Schwierigkeiten, die ihnen das immer dürrer und steiniger werdende Land ent¬<lb/> gegenstellte. Dazu kam noch, daß der Führer Kolokomi dazu ermahnte, das<lb/> Wasser so haushälterisch wie möglich zu genießen, da er den gesuchten Brunnen<lb/> uicht fand, »und da sich herausstellte, daß er überhaupt die erwartete Orts¬<lb/> kenntniß nicht besaß. Abgemattet, wie sie waren, durften sich dennoch Menschen<lb/> und Kameele keine Erholung und Erfrischung gönnen, sondern mußten mit<lb/> Aufgebot aller Kräfte den weiter südöstlich liegenden Brunnen zustreben, denn<lb/> zweitägige Wafferentziehung bedeutet im Hochsommer an dieser Stelle sichern<lb/> Tod. So wandelten die Männer, ihre Gefieder gegen Hitze und Staubsand<lb/> dicht verhüllend und jedes überflüssige Wort vermeidend, dahin, aber immer<lb/> kam der ersehnte Brunnen nicht, Ermüdung und Durst stiegen zu unerträglicher<lb/> Höhe, und die immer neu auftauchende Hoffnung wich schließlich einer dumpfen<lb/> Verzweifelung, welche Europäer wie Neger gleich stark erfaßte. In solchen<lb/> Nöthen zeigt aber gerade der Sohn der Wüste seine ganze Energie und seine<lb/> großartige Ausdauer. Während Nachtigal selbst bis zum Tode ermattet dalag<lb/> und sein Geist nur noch einiger phantastischen Vorstellungen fähig war, hatten<lb/> Kolokomi und Bü. Zeit die Gegend durchstreift und in der That das rettende<lb/> Wasser gefunden. Aber es war auch die höchste Zeit: wenige Stunden noch,<lb/> und es wäre um ihn geschehen gewesen. Nun galt es zuerst sich und die<lb/> Thiere in marschfähigen Zustand zu setzen und das Gepäck, das man wegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0531]
Marsche und zwar für die nächsten zehn Tage wieder auf der Bornu-Route.
Der gewöhnliche Weg nach Tibesti verläßt diese zwar schon in Medrnsa, einer
etwa zwei Tagereisen von Katrün liegenden Oase, und ist der direktere; doch
sah sich Nachtigal zu dem Umwege veranlaßt durch den Mangel an Wasser¬
stationen und an genügender Sicherheit vor den räuberischen Wüstenbewohnern,
während er auf dem Bornu-Wege von Medrüsa an die Oasen Kasrauwa und
Tedscherri sowie verschiedene wenn auch manchmal verschüttete Brunnen mit¬
nehmen konnte. Zwischen Katrün und Tedscherri befindet sich eine Kolonie
von Tubu-Leuten, welche den liebenswürdigen Plan faßten, die Karawane an
einem der Wüstenbrunnen auszuplündern und zur Rückkehr zu zwingen. Glück¬
licherweise erfuhr Nachtigal noch zur rechten Zeit davon, um einen Ueberfall
verhüten zu können, aber das in ihm immer mehr aufsteigende Mißtrauen
gegen die Tubu sowie eine Augenentzündung, welche erst das linke, dann auch
das rechte Auge ergriff, ließ keine frohe Reisestimmung in ihm aufkommen,
erfüllte vielmehr sein Gemüth mit unbestimmten Ahnungen von künftigen
Drangsalen. Und in der That, sie sollten nicht ausbleiben!
Am Tümmogebirge verließen die Reisenden die südliche Route, um in der
Richtung nach Südost ihr Ziel zu erreichen. Das Bewußtsein, jungfräuliches
Terrain zu betreten, unterstützte sie nur kurze Zeit in der Ueberwindung der
Schwierigkeiten, die ihnen das immer dürrer und steiniger werdende Land ent¬
gegenstellte. Dazu kam noch, daß der Führer Kolokomi dazu ermahnte, das
Wasser so haushälterisch wie möglich zu genießen, da er den gesuchten Brunnen
uicht fand, »und da sich herausstellte, daß er überhaupt die erwartete Orts¬
kenntniß nicht besaß. Abgemattet, wie sie waren, durften sich dennoch Menschen
und Kameele keine Erholung und Erfrischung gönnen, sondern mußten mit
Aufgebot aller Kräfte den weiter südöstlich liegenden Brunnen zustreben, denn
zweitägige Wafferentziehung bedeutet im Hochsommer an dieser Stelle sichern
Tod. So wandelten die Männer, ihre Gefieder gegen Hitze und Staubsand
dicht verhüllend und jedes überflüssige Wort vermeidend, dahin, aber immer
kam der ersehnte Brunnen nicht, Ermüdung und Durst stiegen zu unerträglicher
Höhe, und die immer neu auftauchende Hoffnung wich schließlich einer dumpfen
Verzweifelung, welche Europäer wie Neger gleich stark erfaßte. In solchen
Nöthen zeigt aber gerade der Sohn der Wüste seine ganze Energie und seine
großartige Ausdauer. Während Nachtigal selbst bis zum Tode ermattet dalag
und sein Geist nur noch einiger phantastischen Vorstellungen fähig war, hatten
Kolokomi und Bü. Zeit die Gegend durchstreift und in der That das rettende
Wasser gefunden. Aber es war auch die höchste Zeit: wenige Stunden noch,
und es wäre um ihn geschehen gewesen. Nun galt es zuerst sich und die
Thiere in marschfähigen Zustand zu setzen und das Gepäck, das man wegen
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