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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Politik, die sie in der Mitwirkung bei Besetzung der Lia-Linie bekundete, wieder
fallen, beginnt sie das alte Schankelspiel zwischen Rußland und Oesterreich von
neuem, so werden die Geschicke sich bald erfüllen. Oesterreich-Ungarn hat dann
auch zu dieser Wendung der Dinge Position genommen, und es wird dann
eilen, von den dabei erreichten Vortheilen den ausgiebigsten Gebrauch zu machen.

Noch einmal also: nicht der Hinblick ans eine Erwerbung Albaniens und
ein Vordringen bis Skutari war der Beweggrund für die Zähigkeit, mit welcher
Andrassy an dem den Oesterreichern im 25. Artikel des Berliner Vertrags
eingeräumten Rechte der Okkupation Novibazars festhielt. Das albanesische
Element, ein natürliches Gegengewicht gegen die auf Zusammenschluß gerich¬
teten Tendenzen der Südslaven, kann getrost seiner naturgemäßen Entwickelung,
der Pflege seines zu großer Lebhaftigkeit erwachten Nationalgefühls und seinem
alten autonomen Rechte überlassen bleiben. Dagegen ist mit der Besetzung
Novibazars Stellung gegen die Panslavisten und deren Protektor und für den
Fall ihres Sieges voraussichtlichen Erben, Rußland, genommen. Die That¬
sache, daß sich auf der Balkanhalbinsel keine Veränderung mehr gegen oder
ohne den Willen Oesterreich-Ungarns vollziehen kann, ist seitdem unum¬
stößlich geworden -- eine Errungenschaft von höchstem politischen Werthe, das
Bedeutendste und Folgenreichste, was in den letzten acht Jahren auf dem Ge¬
biete der auswärtigen Politik für unsere Nachbarn an der mittleren Donan
geschaffen wurde.




Mchtigals Aufenthalt in Iezzun und Mesti.

Mehr und mehr tritt neuerdings in der Literatur der Entdeckungsreisen
das Bestreben hervor, die auf längeren Reisen gewonnenen Ergebnisse dem
großen Publikum mit einer früher nie geglaubten und auch jetzt noch etwas
befremdlichen Schnelligkeit zugänglich zu machen. Wir brauchen nnr an den
Engländer Cameron und den Amerikaner Stanley zu erinnern, die wenige
Monate nach der Rückkehr aus ihrem Reisegebiete mit dickleibigen Bänden vor
das Publikum traten. Die deutschen Reisenden haben sich zu solcher Finger¬
fertigkeit bisher noch nicht aufgeschwungen; sie haben in der Regel das für ihre
Erlebnisse und Leistungen sich interessirende Publikum einige Jahre warten
lassen: so Freiherr v. Richthofen, so wieder Gustav Nachtigall, von dessen Reise-


Politik, die sie in der Mitwirkung bei Besetzung der Lia-Linie bekundete, wieder
fallen, beginnt sie das alte Schankelspiel zwischen Rußland und Oesterreich von
neuem, so werden die Geschicke sich bald erfüllen. Oesterreich-Ungarn hat dann
auch zu dieser Wendung der Dinge Position genommen, und es wird dann
eilen, von den dabei erreichten Vortheilen den ausgiebigsten Gebrauch zu machen.

Noch einmal also: nicht der Hinblick ans eine Erwerbung Albaniens und
ein Vordringen bis Skutari war der Beweggrund für die Zähigkeit, mit welcher
Andrassy an dem den Oesterreichern im 25. Artikel des Berliner Vertrags
eingeräumten Rechte der Okkupation Novibazars festhielt. Das albanesische
Element, ein natürliches Gegengewicht gegen die auf Zusammenschluß gerich¬
teten Tendenzen der Südslaven, kann getrost seiner naturgemäßen Entwickelung,
der Pflege seines zu großer Lebhaftigkeit erwachten Nationalgefühls und seinem
alten autonomen Rechte überlassen bleiben. Dagegen ist mit der Besetzung
Novibazars Stellung gegen die Panslavisten und deren Protektor und für den
Fall ihres Sieges voraussichtlichen Erben, Rußland, genommen. Die That¬
sache, daß sich auf der Balkanhalbinsel keine Veränderung mehr gegen oder
ohne den Willen Oesterreich-Ungarns vollziehen kann, ist seitdem unum¬
stößlich geworden — eine Errungenschaft von höchstem politischen Werthe, das
Bedeutendste und Folgenreichste, was in den letzten acht Jahren auf dem Ge¬
biete der auswärtigen Politik für unsere Nachbarn an der mittleren Donan
geschaffen wurde.




Mchtigals Aufenthalt in Iezzun und Mesti.

Mehr und mehr tritt neuerdings in der Literatur der Entdeckungsreisen
das Bestreben hervor, die auf längeren Reisen gewonnenen Ergebnisse dem
großen Publikum mit einer früher nie geglaubten und auch jetzt noch etwas
befremdlichen Schnelligkeit zugänglich zu machen. Wir brauchen nnr an den
Engländer Cameron und den Amerikaner Stanley zu erinnern, die wenige
Monate nach der Rückkehr aus ihrem Reisegebiete mit dickleibigen Bänden vor
das Publikum traten. Die deutschen Reisenden haben sich zu solcher Finger¬
fertigkeit bisher noch nicht aufgeschwungen; sie haben in der Regel das für ihre
Erlebnisse und Leistungen sich interessirende Publikum einige Jahre warten
lassen: so Freiherr v. Richthofen, so wieder Gustav Nachtigall, von dessen Reise-


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[0524] Politik, die sie in der Mitwirkung bei Besetzung der Lia-Linie bekundete, wieder fallen, beginnt sie das alte Schankelspiel zwischen Rußland und Oesterreich von neuem, so werden die Geschicke sich bald erfüllen. Oesterreich-Ungarn hat dann auch zu dieser Wendung der Dinge Position genommen, und es wird dann eilen, von den dabei erreichten Vortheilen den ausgiebigsten Gebrauch zu machen. Noch einmal also: nicht der Hinblick ans eine Erwerbung Albaniens und ein Vordringen bis Skutari war der Beweggrund für die Zähigkeit, mit welcher Andrassy an dem den Oesterreichern im 25. Artikel des Berliner Vertrags eingeräumten Rechte der Okkupation Novibazars festhielt. Das albanesische Element, ein natürliches Gegengewicht gegen die auf Zusammenschluß gerich¬ teten Tendenzen der Südslaven, kann getrost seiner naturgemäßen Entwickelung, der Pflege seines zu großer Lebhaftigkeit erwachten Nationalgefühls und seinem alten autonomen Rechte überlassen bleiben. Dagegen ist mit der Besetzung Novibazars Stellung gegen die Panslavisten und deren Protektor und für den Fall ihres Sieges voraussichtlichen Erben, Rußland, genommen. Die That¬ sache, daß sich auf der Balkanhalbinsel keine Veränderung mehr gegen oder ohne den Willen Oesterreich-Ungarns vollziehen kann, ist seitdem unum¬ stößlich geworden — eine Errungenschaft von höchstem politischen Werthe, das Bedeutendste und Folgenreichste, was in den letzten acht Jahren auf dem Ge¬ biete der auswärtigen Politik für unsere Nachbarn an der mittleren Donan geschaffen wurde. Mchtigals Aufenthalt in Iezzun und Mesti. Mehr und mehr tritt neuerdings in der Literatur der Entdeckungsreisen das Bestreben hervor, die auf längeren Reisen gewonnenen Ergebnisse dem großen Publikum mit einer früher nie geglaubten und auch jetzt noch etwas befremdlichen Schnelligkeit zugänglich zu machen. Wir brauchen nnr an den Engländer Cameron und den Amerikaner Stanley zu erinnern, die wenige Monate nach der Rückkehr aus ihrem Reisegebiete mit dickleibigen Bänden vor das Publikum traten. Die deutschen Reisenden haben sich zu solcher Finger¬ fertigkeit bisher noch nicht aufgeschwungen; sie haben in der Regel das für ihre Erlebnisse und Leistungen sich interessirende Publikum einige Jahre warten lassen: so Freiherr v. Richthofen, so wieder Gustav Nachtigall, von dessen Reise-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/524>, abgerufen am 27.11.2024.