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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Garantie vorausgesehen, dieselbe aber nicht vorausgesagt, weil er fürchtete, das
Zentrum könne durch vorzeitiges Gelächter kopfscheu gemacht und zu schlim¬
meren Forderungen gedrängt werden. So täuscht man sich. Die Harmlosig¬
keit des Zentrums bei dieser Gelegenheit ist an den Tag gekommen, aber statt
des Gelächters erhebt sich ein Wuthgeschrei über den vermeinten oder vorge¬
schützten -- wer weiß es? -- Triumph des Zentrums. Vermmftpredigen, den
Leuten sagen: Seht doch nnr hin, traut euren Augen! wäre vergeblich einer
Verblendung gegenüber, die sich einbildet, das Maß des Schlimmen, das man
ihr immerfort angethan, sei jetzt voll.

Ueber die Entrüstung des Liberalismus oder wenigstens der lautesten
Tonangeber desselben, ist vorläufig nichts weiter zu sagen. Interessant ist allem
die Frage, die vor dem Lärm der sich geschlagen wähnenden oder ausgehen¬
den verhallt: wie kommt das Zentrum zu solcher Harmlosigkeit? Verfasser ge¬
steht, daß er eine Zeit lang gemeint hat, das Zentrum glaube an die Be¬
deutung seiner "föderativem" Garantie. Allein die "Germania" vom 27. Juni
bringt eine fo klare Auseinandersetzung der Sache, daß man nicht im gering¬
sten daran zweifeln kann: die Leute wissen und verstehen, was sie thun. Sie
wollten einen Rückzug, der wie ein Triumph aussähe. Dieses Ziel haben sie
vollkommen erreicht durch die thörichte Wuth des Liberalismus, der über den
Triumph des Rückzugs schreit, daß die Erde bebt.

Aber Fürst Bismarck! Kann er sich auf das Zentrum verlassen, wenn
die Liberalen mit ihm brechen, was sie in ihrer blinden Wuth thun werden?
Wir halten diesen Bruch für tief bedauerlich, und weil wir ihn durchaus nicht
wünschen, möchten wir auch jetzt nicht daran glauben. Aber das Zentrum
macht uns keine Sorge, auch wenn die Thorheit des Liberalismus bis zur
dauernden Feindschaft gegen den Kanzler stiege. Einmal würde diese Feind¬
schaft nur die bisherigen Parlamentarier, nicht die liberalen Kreise der Nation
umfassen. Zweitens aber hat der Kanzler das Zentrum in der Hand. Man
achte wohl auf die bedrängte Lage des Papstthums. In Frankreich hat die
Republik ihren Kulturkampf eröffnet. In demselben Augenblicke, wo Klerikalis¬
mus und Bonapartismus verschmelzen wollten, stirbt der Erbe des Bonapar¬
tismus unter den Wurfspießen afrikanischer Wilden. Jetzt wird der Bonapar¬
tismus entweder verschwinden oder ein Haupt bekommen, das notorisch höchst
antiklerikal gesinnt ist, und das die Zukunft der Napoleons von dem Ge¬
wicht klerikaler Fesseln frei machen wird. In Frankreich hat der Ultramonta-
nismus nur noch die längst verlorene Legitimität und den Doktrinarismus
einiger ideologischen Liberalen zum Stützpunkt. Schwache Stützen, wie man
sieht. Nie hat der Vatikan die Möglichkeit einer gemeinsamen Aktion der
europäischen Staatenwelt so drohend vor Augen gehabt, nie hat er größere


Garantie vorausgesehen, dieselbe aber nicht vorausgesagt, weil er fürchtete, das
Zentrum könne durch vorzeitiges Gelächter kopfscheu gemacht und zu schlim¬
meren Forderungen gedrängt werden. So täuscht man sich. Die Harmlosig¬
keit des Zentrums bei dieser Gelegenheit ist an den Tag gekommen, aber statt
des Gelächters erhebt sich ein Wuthgeschrei über den vermeinten oder vorge¬
schützten — wer weiß es? — Triumph des Zentrums. Vermmftpredigen, den
Leuten sagen: Seht doch nnr hin, traut euren Augen! wäre vergeblich einer
Verblendung gegenüber, die sich einbildet, das Maß des Schlimmen, das man
ihr immerfort angethan, sei jetzt voll.

Ueber die Entrüstung des Liberalismus oder wenigstens der lautesten
Tonangeber desselben, ist vorläufig nichts weiter zu sagen. Interessant ist allem
die Frage, die vor dem Lärm der sich geschlagen wähnenden oder ausgehen¬
den verhallt: wie kommt das Zentrum zu solcher Harmlosigkeit? Verfasser ge¬
steht, daß er eine Zeit lang gemeint hat, das Zentrum glaube an die Be¬
deutung seiner „föderativem" Garantie. Allein die „Germania" vom 27. Juni
bringt eine fo klare Auseinandersetzung der Sache, daß man nicht im gering¬
sten daran zweifeln kann: die Leute wissen und verstehen, was sie thun. Sie
wollten einen Rückzug, der wie ein Triumph aussähe. Dieses Ziel haben sie
vollkommen erreicht durch die thörichte Wuth des Liberalismus, der über den
Triumph des Rückzugs schreit, daß die Erde bebt.

Aber Fürst Bismarck! Kann er sich auf das Zentrum verlassen, wenn
die Liberalen mit ihm brechen, was sie in ihrer blinden Wuth thun werden?
Wir halten diesen Bruch für tief bedauerlich, und weil wir ihn durchaus nicht
wünschen, möchten wir auch jetzt nicht daran glauben. Aber das Zentrum
macht uns keine Sorge, auch wenn die Thorheit des Liberalismus bis zur
dauernden Feindschaft gegen den Kanzler stiege. Einmal würde diese Feind¬
schaft nur die bisherigen Parlamentarier, nicht die liberalen Kreise der Nation
umfassen. Zweitens aber hat der Kanzler das Zentrum in der Hand. Man
achte wohl auf die bedrängte Lage des Papstthums. In Frankreich hat die
Republik ihren Kulturkampf eröffnet. In demselben Augenblicke, wo Klerikalis¬
mus und Bonapartismus verschmelzen wollten, stirbt der Erbe des Bonapar¬
tismus unter den Wurfspießen afrikanischer Wilden. Jetzt wird der Bonapar¬
tismus entweder verschwinden oder ein Haupt bekommen, das notorisch höchst
antiklerikal gesinnt ist, und das die Zukunft der Napoleons von dem Ge¬
wicht klerikaler Fesseln frei machen wird. In Frankreich hat der Ultramonta-
nismus nur noch die längst verlorene Legitimität und den Doktrinarismus
einiger ideologischen Liberalen zum Stützpunkt. Schwache Stützen, wie man
sieht. Nie hat der Vatikan die Möglichkeit einer gemeinsamen Aktion der
europäischen Staatenwelt so drohend vor Augen gehabt, nie hat er größere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/52>, abgerufen am 27.11.2024.