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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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ich mich besann, daß Sie sich angemeldet hatten. Einmal kam einer, der ließ
mir sagen, als ich ihn nicht empfangen wollte, wenn er nicht vorkäme, so
würde er sich hängen. Ich ließ ihm zurücksagen, wenn er nicht umhin könnte,
so wollte ich ihm dazu den neuesten und festesten Strick vom Boden holen
lassen; zu sehen aber kriegte er mich nicht. Er ist dann wieder abgereist, und
ein Leids hat er sich meines Wissens nicht angethan."


Moritz Busch.


Der Mcktritt Andrassy's.

In diesen Tagen, wahrscheinlich bis zum 20. September, wird sich in
Wien ein Ministerwechsel vollziehen, der schon seit Wochen die Gemüther nicht
blos in Oesterreich-Ungarn beschäftigt und die verschiedensten Vermuthungen
und Erklärungen hervorgerufen hat. Graf Andrassy verläßt die hohe Stelle,
die er seit acht Jahren eingenommen, um sich ins Privatleben zurückzuziehen,
und die Presse hat sich wochenlang den Kopf darüber zerbrochen, zu errathen,
welche Gründe ihn dazu veranlaßt. Viel Seltsames wurde, je nach der Partei¬
stellung der Betreffenden, dabei zu Tage gefördert, auch einiges, was auf Wahr¬
heit zu beruhen schien, indem es von Blättern behauptet wurde, die dem schei¬
denden Staatsmann nahe stehen. Zuletzt hat er, als diese Andeutungen ange¬
zweifelt oder nicht genügend befunden wurden, selbst gesprochen, und wir halten
uns für verpflichtet, seiner Erklärung Glauben beizumessen.

Nicht die in Cisleithanien erfolgte Neubesetzung der Ministerposten, welche
eine Koalition von gemäßigt Liberalen und Männern, die zu Hohenwarth's
Partei hinneigen, ans Ruder brachte, und ebensowenig ein stiller Sieg derer
am Hofe, die über Bosnien und das Sandschak Novibazar hinausstreben, hat
den Grafen bewogen, den Kaiser um seine Entlassung zu bitten, sondern schon
seit geraumer Zeit empfundene Ermüdung durch aufreibende Geschäfte, Verdruß
über die Leidenschaftlichkeit und den Unverstand der Opposition und das Be¬
dürfniß, sich mehr als bisher seinen persönlichen Angelegenheiten widmen zu
können. "Die Macht hat keinen Reiz für ihn", er hat "immer nur die Opfer
gefühlt, die sie ihm auferlegte". Er geht, "um als freier Mann zu leben und
von seiner Selbstbestimmung Gebrauch zu machen", und er geht "gegen die
Ueberzeugung des Kaisers", welcher seinen Rücktritt "nicht für nützlich hält".

Man hat gefragt: Warum aber nahm der Minister gerade jetzt seinen


ich mich besann, daß Sie sich angemeldet hatten. Einmal kam einer, der ließ
mir sagen, als ich ihn nicht empfangen wollte, wenn er nicht vorkäme, so
würde er sich hängen. Ich ließ ihm zurücksagen, wenn er nicht umhin könnte,
so wollte ich ihm dazu den neuesten und festesten Strick vom Boden holen
lassen; zu sehen aber kriegte er mich nicht. Er ist dann wieder abgereist, und
ein Leids hat er sich meines Wissens nicht angethan."


Moritz Busch.


Der Mcktritt Andrassy's.

In diesen Tagen, wahrscheinlich bis zum 20. September, wird sich in
Wien ein Ministerwechsel vollziehen, der schon seit Wochen die Gemüther nicht
blos in Oesterreich-Ungarn beschäftigt und die verschiedensten Vermuthungen
und Erklärungen hervorgerufen hat. Graf Andrassy verläßt die hohe Stelle,
die er seit acht Jahren eingenommen, um sich ins Privatleben zurückzuziehen,
und die Presse hat sich wochenlang den Kopf darüber zerbrochen, zu errathen,
welche Gründe ihn dazu veranlaßt. Viel Seltsames wurde, je nach der Partei¬
stellung der Betreffenden, dabei zu Tage gefördert, auch einiges, was auf Wahr¬
heit zu beruhen schien, indem es von Blättern behauptet wurde, die dem schei¬
denden Staatsmann nahe stehen. Zuletzt hat er, als diese Andeutungen ange¬
zweifelt oder nicht genügend befunden wurden, selbst gesprochen, und wir halten
uns für verpflichtet, seiner Erklärung Glauben beizumessen.

Nicht die in Cisleithanien erfolgte Neubesetzung der Ministerposten, welche
eine Koalition von gemäßigt Liberalen und Männern, die zu Hohenwarth's
Partei hinneigen, ans Ruder brachte, und ebensowenig ein stiller Sieg derer
am Hofe, die über Bosnien und das Sandschak Novibazar hinausstreben, hat
den Grafen bewogen, den Kaiser um seine Entlassung zu bitten, sondern schon
seit geraumer Zeit empfundene Ermüdung durch aufreibende Geschäfte, Verdruß
über die Leidenschaftlichkeit und den Unverstand der Opposition und das Be¬
dürfniß, sich mehr als bisher seinen persönlichen Angelegenheiten widmen zu
können. „Die Macht hat keinen Reiz für ihn", er hat „immer nur die Opfer
gefühlt, die sie ihm auferlegte". Er geht, „um als freier Mann zu leben und
von seiner Selbstbestimmung Gebrauch zu machen", und er geht „gegen die
Ueberzeugung des Kaisers", welcher seinen Rücktritt „nicht für nützlich hält".

Man hat gefragt: Warum aber nahm der Minister gerade jetzt seinen


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[0509] ich mich besann, daß Sie sich angemeldet hatten. Einmal kam einer, der ließ mir sagen, als ich ihn nicht empfangen wollte, wenn er nicht vorkäme, so würde er sich hängen. Ich ließ ihm zurücksagen, wenn er nicht umhin könnte, so wollte ich ihm dazu den neuesten und festesten Strick vom Boden holen lassen; zu sehen aber kriegte er mich nicht. Er ist dann wieder abgereist, und ein Leids hat er sich meines Wissens nicht angethan." Moritz Busch. Der Mcktritt Andrassy's. In diesen Tagen, wahrscheinlich bis zum 20. September, wird sich in Wien ein Ministerwechsel vollziehen, der schon seit Wochen die Gemüther nicht blos in Oesterreich-Ungarn beschäftigt und die verschiedensten Vermuthungen und Erklärungen hervorgerufen hat. Graf Andrassy verläßt die hohe Stelle, die er seit acht Jahren eingenommen, um sich ins Privatleben zurückzuziehen, und die Presse hat sich wochenlang den Kopf darüber zerbrochen, zu errathen, welche Gründe ihn dazu veranlaßt. Viel Seltsames wurde, je nach der Partei¬ stellung der Betreffenden, dabei zu Tage gefördert, auch einiges, was auf Wahr¬ heit zu beruhen schien, indem es von Blättern behauptet wurde, die dem schei¬ denden Staatsmann nahe stehen. Zuletzt hat er, als diese Andeutungen ange¬ zweifelt oder nicht genügend befunden wurden, selbst gesprochen, und wir halten uns für verpflichtet, seiner Erklärung Glauben beizumessen. Nicht die in Cisleithanien erfolgte Neubesetzung der Ministerposten, welche eine Koalition von gemäßigt Liberalen und Männern, die zu Hohenwarth's Partei hinneigen, ans Ruder brachte, und ebensowenig ein stiller Sieg derer am Hofe, die über Bosnien und das Sandschak Novibazar hinausstreben, hat den Grafen bewogen, den Kaiser um seine Entlassung zu bitten, sondern schon seit geraumer Zeit empfundene Ermüdung durch aufreibende Geschäfte, Verdruß über die Leidenschaftlichkeit und den Unverstand der Opposition und das Be¬ dürfniß, sich mehr als bisher seinen persönlichen Angelegenheiten widmen zu können. „Die Macht hat keinen Reiz für ihn", er hat „immer nur die Opfer gefühlt, die sie ihm auferlegte". Er geht, „um als freier Mann zu leben und von seiner Selbstbestimmung Gebrauch zu machen", und er geht „gegen die Ueberzeugung des Kaisers", welcher seinen Rücktritt „nicht für nützlich hält". Man hat gefragt: Warum aber nahm der Minister gerade jetzt seinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/509>, abgerufen am 27.11.2024.