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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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gestimmten andern. An der Wand links von dem durch den Eingang Herein¬
tretenden endlich befindet sich ein dritter brauner Nußbaumschrank mit Elfen¬
beinverzierungen und weiterhin, dicht bei der Thür, ein Tisch mit Stöcken, Hüten,
Mützen und Handschuhen.

Etwa drei Schritte vom Fenster, dem Waffenschranke gegenüber, steht der
Schreibtisch des Reichskanzlers. Er ist von Nußbaumholz und hat auf jeder
Seite zwei tiefe, mit Handhaben und Beschlägen von Messing versehene Schub¬
laden und zwischen denselben eine breitere und flachere. Die mit grünem Tuch
überzogene Platte trägt einen zweiarmigen Handleuchter, in dessen Mitte ein
zielender Bogenschütz angebracht ist, mehrere Briefbeschwerer, von denen der
eine einen Hund von Bronze, der andere auf schwarzer Platte eine Krone, der
dritte einen bronzenen Bären zeigt, welcher als Holzhauer mit einem Beile auf
einem gefällten Baumstamme sitzt, ferner ein großes Tintenfaß von weißem
Porzellan, endlich Federn und einige ungewöhnlich lange und dicke Bleistifte,
mit welchen letzteren der Kanzler jetzt beinahe allein noch arbeitet. Neben dem
Schreibtische bemerken wir rechts ein Tischchen von Eichenholz mit großen und
kleinen Briefbogen, links einen größeren Tisch mit Büchern, unter ihnen eine
Bibel. An den Rücken des Schreibtisches lehnt sich ein niedriges Pult mit
Kommodenkasten, von dem eine bronzene Eule, wohl anderthalb Schuh hoch,
mit weiser und verständnißvoller Miene -- denn sie hat hier etwas lernen
können -- dem Fürsten bei seiner Beschäftigung aufs Blatt sieht.

Auf das Schlafzimmer, das mit seinem Fenster ebenfalls dem Parke zu¬
gekehrt ist, folgt ein schmaler finsterer Gang, an dem rechts einige Stufen in
ein Bad hinabgehen. An derselben Seite, neben der Thür zum Bade, gewahrt
man ein geheimnißvolles Pförtchen, hinter dem sich Stufen einer Wendeltreppe
ins Dunkle und Bodenlose verlieren. "Das Burgverließ?" fragte ich, indem
der Geist Hesekiel's über mich kam. "Meine Ausfallspforte", erwiderte der
Fürst. Es dient ihm nämlich, wie er dann erläuterte, zu stillem, unbemerkten
Rückzüge, wenn unbequemer, aber unabweisbarer Besuch ihn plötzlich bedroht.
Wie weit der unterirdische Gang führt, wo er wieder zu 'Tage kommt,
und wo der Bedrohte von da aus weiter Zuflucht sucht, muß ungesagt bleiben,
da der Zweck der Vorrichtung sonst vereitelt werden könnte. Was über sie
mitgetheilt wurde, mag als Warnung dienen.

Wie der Fürst sich andern unerwünschten Besuch fernhält, wird folgendes
Beispiel zeigen. Als ich ihn bei meiner Ankunft im Frühstückssalon begrüßt,
sagte er nach einer Weile: "Wie ich vorhin spazieren ging, draußen im Walde,
und Ihr Posthorn hörte, Herr Doktor, da dachte ich, das ist gewiß wieder so
ein Magyar oder Kroäk, der mit mir über Politik" disputiren und mir mit
seinen Rathschlägen beispringen will, und wollte mich eben davon machen, als


gestimmten andern. An der Wand links von dem durch den Eingang Herein¬
tretenden endlich befindet sich ein dritter brauner Nußbaumschrank mit Elfen¬
beinverzierungen und weiterhin, dicht bei der Thür, ein Tisch mit Stöcken, Hüten,
Mützen und Handschuhen.

Etwa drei Schritte vom Fenster, dem Waffenschranke gegenüber, steht der
Schreibtisch des Reichskanzlers. Er ist von Nußbaumholz und hat auf jeder
Seite zwei tiefe, mit Handhaben und Beschlägen von Messing versehene Schub¬
laden und zwischen denselben eine breitere und flachere. Die mit grünem Tuch
überzogene Platte trägt einen zweiarmigen Handleuchter, in dessen Mitte ein
zielender Bogenschütz angebracht ist, mehrere Briefbeschwerer, von denen der
eine einen Hund von Bronze, der andere auf schwarzer Platte eine Krone, der
dritte einen bronzenen Bären zeigt, welcher als Holzhauer mit einem Beile auf
einem gefällten Baumstamme sitzt, ferner ein großes Tintenfaß von weißem
Porzellan, endlich Federn und einige ungewöhnlich lange und dicke Bleistifte,
mit welchen letzteren der Kanzler jetzt beinahe allein noch arbeitet. Neben dem
Schreibtische bemerken wir rechts ein Tischchen von Eichenholz mit großen und
kleinen Briefbogen, links einen größeren Tisch mit Büchern, unter ihnen eine
Bibel. An den Rücken des Schreibtisches lehnt sich ein niedriges Pult mit
Kommodenkasten, von dem eine bronzene Eule, wohl anderthalb Schuh hoch,
mit weiser und verständnißvoller Miene — denn sie hat hier etwas lernen
können — dem Fürsten bei seiner Beschäftigung aufs Blatt sieht.

Auf das Schlafzimmer, das mit seinem Fenster ebenfalls dem Parke zu¬
gekehrt ist, folgt ein schmaler finsterer Gang, an dem rechts einige Stufen in
ein Bad hinabgehen. An derselben Seite, neben der Thür zum Bade, gewahrt
man ein geheimnißvolles Pförtchen, hinter dem sich Stufen einer Wendeltreppe
ins Dunkle und Bodenlose verlieren. „Das Burgverließ?" fragte ich, indem
der Geist Hesekiel's über mich kam. „Meine Ausfallspforte", erwiderte der
Fürst. Es dient ihm nämlich, wie er dann erläuterte, zu stillem, unbemerkten
Rückzüge, wenn unbequemer, aber unabweisbarer Besuch ihn plötzlich bedroht.
Wie weit der unterirdische Gang führt, wo er wieder zu 'Tage kommt,
und wo der Bedrohte von da aus weiter Zuflucht sucht, muß ungesagt bleiben,
da der Zweck der Vorrichtung sonst vereitelt werden könnte. Was über sie
mitgetheilt wurde, mag als Warnung dienen.

Wie der Fürst sich andern unerwünschten Besuch fernhält, wird folgendes
Beispiel zeigen. Als ich ihn bei meiner Ankunft im Frühstückssalon begrüßt,
sagte er nach einer Weile: „Wie ich vorhin spazieren ging, draußen im Walde,
und Ihr Posthorn hörte, Herr Doktor, da dachte ich, das ist gewiß wieder so
ein Magyar oder Kroäk, der mit mir über Politik« disputiren und mir mit
seinen Rathschlägen beispringen will, und wollte mich eben davon machen, als


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[0508] gestimmten andern. An der Wand links von dem durch den Eingang Herein¬ tretenden endlich befindet sich ein dritter brauner Nußbaumschrank mit Elfen¬ beinverzierungen und weiterhin, dicht bei der Thür, ein Tisch mit Stöcken, Hüten, Mützen und Handschuhen. Etwa drei Schritte vom Fenster, dem Waffenschranke gegenüber, steht der Schreibtisch des Reichskanzlers. Er ist von Nußbaumholz und hat auf jeder Seite zwei tiefe, mit Handhaben und Beschlägen von Messing versehene Schub¬ laden und zwischen denselben eine breitere und flachere. Die mit grünem Tuch überzogene Platte trägt einen zweiarmigen Handleuchter, in dessen Mitte ein zielender Bogenschütz angebracht ist, mehrere Briefbeschwerer, von denen der eine einen Hund von Bronze, der andere auf schwarzer Platte eine Krone, der dritte einen bronzenen Bären zeigt, welcher als Holzhauer mit einem Beile auf einem gefällten Baumstamme sitzt, ferner ein großes Tintenfaß von weißem Porzellan, endlich Federn und einige ungewöhnlich lange und dicke Bleistifte, mit welchen letzteren der Kanzler jetzt beinahe allein noch arbeitet. Neben dem Schreibtische bemerken wir rechts ein Tischchen von Eichenholz mit großen und kleinen Briefbogen, links einen größeren Tisch mit Büchern, unter ihnen eine Bibel. An den Rücken des Schreibtisches lehnt sich ein niedriges Pult mit Kommodenkasten, von dem eine bronzene Eule, wohl anderthalb Schuh hoch, mit weiser und verständnißvoller Miene — denn sie hat hier etwas lernen können — dem Fürsten bei seiner Beschäftigung aufs Blatt sieht. Auf das Schlafzimmer, das mit seinem Fenster ebenfalls dem Parke zu¬ gekehrt ist, folgt ein schmaler finsterer Gang, an dem rechts einige Stufen in ein Bad hinabgehen. An derselben Seite, neben der Thür zum Bade, gewahrt man ein geheimnißvolles Pförtchen, hinter dem sich Stufen einer Wendeltreppe ins Dunkle und Bodenlose verlieren. „Das Burgverließ?" fragte ich, indem der Geist Hesekiel's über mich kam. „Meine Ausfallspforte", erwiderte der Fürst. Es dient ihm nämlich, wie er dann erläuterte, zu stillem, unbemerkten Rückzüge, wenn unbequemer, aber unabweisbarer Besuch ihn plötzlich bedroht. Wie weit der unterirdische Gang führt, wo er wieder zu 'Tage kommt, und wo der Bedrohte von da aus weiter Zuflucht sucht, muß ungesagt bleiben, da der Zweck der Vorrichtung sonst vereitelt werden könnte. Was über sie mitgetheilt wurde, mag als Warnung dienen. Wie der Fürst sich andern unerwünschten Besuch fernhält, wird folgendes Beispiel zeigen. Als ich ihn bei meiner Ankunft im Frühstückssalon begrüßt, sagte er nach einer Weile: „Wie ich vorhin spazieren ging, draußen im Walde, und Ihr Posthorn hörte, Herr Doktor, da dachte ich, das ist gewiß wieder so ein Magyar oder Kroäk, der mit mir über Politik« disputiren und mir mit seinen Rathschlägen beispringen will, und wollte mich eben davon machen, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/508>, abgerufen am 27.11.2024.