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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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z. B. Enten, die auf seinem Teiche schwammen, die Köpfe abschoß, ein Jagd¬
messer, das ihn in Rußland auf seine Bärenjagden begleitete, dann einen
krummen Säbel in veilchenblauer Sammetscheide, der ein Geschenk des Bei
von Tunis ist, und dessen kostbare Damaszenerklinge aus der Zeit der Kreuz¬
züge stammen soll, endlich zwei mächtige japanesische Daimioschwerter vom
feinsten Stahl, die dem Kanzler 1872 vom Mikado verliehen wurden -- ver¬
liehen; denn sie vertreten die Stelle von Dekorationen, wie sie von andern
Potentaten Männern, die sie auszeichnen wollen, übersandt werden.

Das nun folgende breite Fenster hat doppelte Vorhänge, nach außen zu
weiße, nach innen zu solche von dem Stoffe, mit dem die Polstermöbel des
Zimmers bekleidet sind. Die Stelle zwischen Fenster und Erker nimmt ein
mit eingelegten Elfenbeinbildchen verzierter Nußbaumsekretär ein. Im Erker
steht ein kleiner Divan neben einer Causeuse, und an der Wand davor hängt ein
Plan der Besitzung Varzin mit den Nebengüteru. Hier soll ein Lieblingsplätz¬
chen des Fürsten sein, und das ist zu glauben; denn das Fenster des Erkers
gewährt eine anmuthige Aussicht: im Vordergrunde auf einen Teich, seitwärts
auf eine Ecke des Parkes mit zwei isolirten prächtigen Bäumen, einer Eiche
und einer Buche, unter denen eine Bank zum Ausruhen einlädt, im Hinter¬
grunde über ansteigendes Ackerland hinweg, das im Sommer durch wogende
Saatwellen erfreut, auf einen dunklen Waldhügel.

Vor dem Erker und ihm den Rücken zukehrend befindet sich, ein wenig
zur Linken, ein großes Sopha, auf dem mehrere Ruhekissen liegen. Darunter
ist eins von hellblauem Sammet, auf das mit Silberfäden gestickt ist: "2. Mos.
33,12 -- Psalm 18,29." Darunter folgt eine Krone, dann ein 0 ver¬
schlungen mit L und A und darauf das Datum: "28. Juli 1847-1872."
Es ist ein Geschenk zur silbernen Hochzeit, und die angezogenen Stellen lauten
(ich darf wohl nicht voraussetzen, daß jeder meiner verehrten Leser eine Bibel
zur Hand hat): "Und Moses sprach zum Herrn: Siehe Du sprichst zu mir: -
Führe das Volk hinauf, und lässest mich nicht wissen, wen Du mit mir senden
willst, so Du doch gesagt hast: Ich kenne dich mit Namen, und hast Gnade
gefunden vor meinen Augen." -- "Denn Du erleuchtest meine Leuchte, der Herr,
mein Gott, machet meine Finsterniß licht."

Vor dem Sopha steht ein Tisch mit Elfenbeinmosaik, welche Arabesken
und Blumen darstellt. Daneben haben zwei kleinere Tische und ein Schrank
Platz gefunden, dessen Thür ein elfenbeinerner Sankt Georg mit dem Drachen
schmückt. Daran reiht sich ein zweites Sopha, über dem ein Spiegel, und vor
dem ein Tisch mit Büchern. Auf dem Sopha lag, als ich mir den Raum und
sein Geräth literarisch abzeichnete, in Gestalt eines rothen Ruhekissens mit zwei
schwarzen Schornsteinfegern ein komisches Seitenstück zu dem ernst und fromm


z. B. Enten, die auf seinem Teiche schwammen, die Köpfe abschoß, ein Jagd¬
messer, das ihn in Rußland auf seine Bärenjagden begleitete, dann einen
krummen Säbel in veilchenblauer Sammetscheide, der ein Geschenk des Bei
von Tunis ist, und dessen kostbare Damaszenerklinge aus der Zeit der Kreuz¬
züge stammen soll, endlich zwei mächtige japanesische Daimioschwerter vom
feinsten Stahl, die dem Kanzler 1872 vom Mikado verliehen wurden — ver¬
liehen; denn sie vertreten die Stelle von Dekorationen, wie sie von andern
Potentaten Männern, die sie auszeichnen wollen, übersandt werden.

Das nun folgende breite Fenster hat doppelte Vorhänge, nach außen zu
weiße, nach innen zu solche von dem Stoffe, mit dem die Polstermöbel des
Zimmers bekleidet sind. Die Stelle zwischen Fenster und Erker nimmt ein
mit eingelegten Elfenbeinbildchen verzierter Nußbaumsekretär ein. Im Erker
steht ein kleiner Divan neben einer Causeuse, und an der Wand davor hängt ein
Plan der Besitzung Varzin mit den Nebengüteru. Hier soll ein Lieblingsplätz¬
chen des Fürsten sein, und das ist zu glauben; denn das Fenster des Erkers
gewährt eine anmuthige Aussicht: im Vordergrunde auf einen Teich, seitwärts
auf eine Ecke des Parkes mit zwei isolirten prächtigen Bäumen, einer Eiche
und einer Buche, unter denen eine Bank zum Ausruhen einlädt, im Hinter¬
grunde über ansteigendes Ackerland hinweg, das im Sommer durch wogende
Saatwellen erfreut, auf einen dunklen Waldhügel.

Vor dem Erker und ihm den Rücken zukehrend befindet sich, ein wenig
zur Linken, ein großes Sopha, auf dem mehrere Ruhekissen liegen. Darunter
ist eins von hellblauem Sammet, auf das mit Silberfäden gestickt ist: „2. Mos.
33,12 — Psalm 18,29." Darunter folgt eine Krone, dann ein 0 ver¬
schlungen mit L und A und darauf das Datum: „28. Juli 1847-1872."
Es ist ein Geschenk zur silbernen Hochzeit, und die angezogenen Stellen lauten
(ich darf wohl nicht voraussetzen, daß jeder meiner verehrten Leser eine Bibel
zur Hand hat): „Und Moses sprach zum Herrn: Siehe Du sprichst zu mir: -
Führe das Volk hinauf, und lässest mich nicht wissen, wen Du mit mir senden
willst, so Du doch gesagt hast: Ich kenne dich mit Namen, und hast Gnade
gefunden vor meinen Augen." — „Denn Du erleuchtest meine Leuchte, der Herr,
mein Gott, machet meine Finsterniß licht."

Vor dem Sopha steht ein Tisch mit Elfenbeinmosaik, welche Arabesken
und Blumen darstellt. Daneben haben zwei kleinere Tische und ein Schrank
Platz gefunden, dessen Thür ein elfenbeinerner Sankt Georg mit dem Drachen
schmückt. Daran reiht sich ein zweites Sopha, über dem ein Spiegel, und vor
dem ein Tisch mit Büchern. Auf dem Sopha lag, als ich mir den Raum und
sein Geräth literarisch abzeichnete, in Gestalt eines rothen Ruhekissens mit zwei
schwarzen Schornsteinfegern ein komisches Seitenstück zu dem ernst und fromm


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[0507] z. B. Enten, die auf seinem Teiche schwammen, die Köpfe abschoß, ein Jagd¬ messer, das ihn in Rußland auf seine Bärenjagden begleitete, dann einen krummen Säbel in veilchenblauer Sammetscheide, der ein Geschenk des Bei von Tunis ist, und dessen kostbare Damaszenerklinge aus der Zeit der Kreuz¬ züge stammen soll, endlich zwei mächtige japanesische Daimioschwerter vom feinsten Stahl, die dem Kanzler 1872 vom Mikado verliehen wurden — ver¬ liehen; denn sie vertreten die Stelle von Dekorationen, wie sie von andern Potentaten Männern, die sie auszeichnen wollen, übersandt werden. Das nun folgende breite Fenster hat doppelte Vorhänge, nach außen zu weiße, nach innen zu solche von dem Stoffe, mit dem die Polstermöbel des Zimmers bekleidet sind. Die Stelle zwischen Fenster und Erker nimmt ein mit eingelegten Elfenbeinbildchen verzierter Nußbaumsekretär ein. Im Erker steht ein kleiner Divan neben einer Causeuse, und an der Wand davor hängt ein Plan der Besitzung Varzin mit den Nebengüteru. Hier soll ein Lieblingsplätz¬ chen des Fürsten sein, und das ist zu glauben; denn das Fenster des Erkers gewährt eine anmuthige Aussicht: im Vordergrunde auf einen Teich, seitwärts auf eine Ecke des Parkes mit zwei isolirten prächtigen Bäumen, einer Eiche und einer Buche, unter denen eine Bank zum Ausruhen einlädt, im Hinter¬ grunde über ansteigendes Ackerland hinweg, das im Sommer durch wogende Saatwellen erfreut, auf einen dunklen Waldhügel. Vor dem Erker und ihm den Rücken zukehrend befindet sich, ein wenig zur Linken, ein großes Sopha, auf dem mehrere Ruhekissen liegen. Darunter ist eins von hellblauem Sammet, auf das mit Silberfäden gestickt ist: „2. Mos. 33,12 — Psalm 18,29." Darunter folgt eine Krone, dann ein 0 ver¬ schlungen mit L und A und darauf das Datum: „28. Juli 1847-1872." Es ist ein Geschenk zur silbernen Hochzeit, und die angezogenen Stellen lauten (ich darf wohl nicht voraussetzen, daß jeder meiner verehrten Leser eine Bibel zur Hand hat): „Und Moses sprach zum Herrn: Siehe Du sprichst zu mir: - Führe das Volk hinauf, und lässest mich nicht wissen, wen Du mit mir senden willst, so Du doch gesagt hast: Ich kenne dich mit Namen, und hast Gnade gefunden vor meinen Augen." — „Denn Du erleuchtest meine Leuchte, der Herr, mein Gott, machet meine Finsterniß licht." Vor dem Sopha steht ein Tisch mit Elfenbeinmosaik, welche Arabesken und Blumen darstellt. Daneben haben zwei kleinere Tische und ein Schrank Platz gefunden, dessen Thür ein elfenbeinerner Sankt Georg mit dem Drachen schmückt. Daran reiht sich ein zweites Sopha, über dem ein Spiegel, und vor dem ein Tisch mit Büchern. Auf dem Sopha lag, als ich mir den Raum und sein Geräth literarisch abzeichnete, in Gestalt eines rothen Ruhekissens mit zwei schwarzen Schornsteinfegern ein komisches Seitenstück zu dem ernst und fromm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/507>, abgerufen am 01.09.2024.