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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Gußmannsdorf in Schlesien angefertigt worden. Zu beiden Seiten der Feuer¬
stelle schmücken ihn kannelirte Säulen, über denen kleine Wappen angebracht
sind. Das zur Linken zeigt einen goldnen Schild, worauf sich ein schräger
rother Balken und ein einköpfiger silberner Adler befinden, das zur Rechten in
rothem Schilde einen goldnen Strich und darüber sowie darunter je drei
goldene Kronen. In der Mitte des Kamins liest man den Spruch: In
trinitg-es,roour, über welchem man in gelbem Felde den Adler des neuen
deutschen Reiches gewahrt, und über diesem wieder erhebt sich in kreisrunder
Nische, dem höchsten Theile des Kaminmantels, die weiße Gypsbüste des
Kaisers. Der Sims, der sie trägt, ist rechts und links von zwei zum Kamine
selbst gehörigen grünen Adlern flankirt, die auf Lorbeerzweigen sitzen.

Die Anordnung dieser Symbole mögen die Leser sich selbst deuten. Wappen
und Spruch aber haben ihre eigene Geschichte. Jene sind die Wappen von
Elsaß und Lothringen. Als der Reichskanzler zum Fürsten erhoben wurde,
gedachte der Kaiser ihm jene Embleme in sein neues Wappen zu verleihen.
"Aber," so erzählte mir der Fürst, "Herzog von Lothringen war mir zu
vornehm. Majestät wollte mir dann den Adler in den Schild setzen. Mir
war das jedoch auch bedenklich. Der Adler frißt mir meinen Klee, fürchtete
ich. So wurde denn der Ausweg gewählt, daß mir Wappenhalter mit den
Fahnen von Elsaß und Lothringen gegeben wurden." Der Spruch dagegen
datirt aus früherer Zeit. Als Bismarck in Frankfurt den Posten eines Bundes¬
tagsgesandter bekleidete, verlieh ihm der König von Dänemark das Großkreuz
des Danebrog. Nun ists aber Gebrauch, daß die Namen und Wappen der
Inhaber dieser Dekoration in der Stiftskirche zu Kopenhagen mit einer Devise
angebracht werden, welche der Betreffende sich zu wählen hat. "Da habe ich
mir diese ausgesonnen," erklärte der Kanzler. "In trinitats rodur -- im
Dreiblatt Eiche, das alte Wappenbild unsrer Familie." -- "Und im dreieinigen
Gotte meine Kraft?" rieth ich. - - "Ganz recht, so meinte ich es", erwiederte er
freundlich ernst.

Neben und vor dem Kamin, in dem ein Feuer aus großen Buchenscheiten
flackert und knistert, stehen hochlehnige Polsterstühle. In der folgenden Wand
ist eine Thür, welche in das Schlafzimmer des Reichskanzlers führt. Zwischen
ihr und dem Fenster befindet sich ein Glasschrank mit Waffen und Antiqui¬
täten, von dem alterthümliche Pokale aus grünem Glase mit bunten Bildern,
Wappen, Sprüchen und Blumen, sowie zwei große Thongefäße mit farbigen
Mustern herabschauen. Unter den Antiquitäten im Innern des Schrankes hebe
ich Lanzenspitzen aus der Urzeit und einen spiralförmigen goldnen Armring
hervor, der aus einem Hünengrabe stammt, unter den Waffen das gezogene
Pistol, mit dem der Fürst als Junker allerhand Schützenmirakel verrichtete,


Gußmannsdorf in Schlesien angefertigt worden. Zu beiden Seiten der Feuer¬
stelle schmücken ihn kannelirte Säulen, über denen kleine Wappen angebracht
sind. Das zur Linken zeigt einen goldnen Schild, worauf sich ein schräger
rother Balken und ein einköpfiger silberner Adler befinden, das zur Rechten in
rothem Schilde einen goldnen Strich und darüber sowie darunter je drei
goldene Kronen. In der Mitte des Kamins liest man den Spruch: In
trinitg-es,roour, über welchem man in gelbem Felde den Adler des neuen
deutschen Reiches gewahrt, und über diesem wieder erhebt sich in kreisrunder
Nische, dem höchsten Theile des Kaminmantels, die weiße Gypsbüste des
Kaisers. Der Sims, der sie trägt, ist rechts und links von zwei zum Kamine
selbst gehörigen grünen Adlern flankirt, die auf Lorbeerzweigen sitzen.

Die Anordnung dieser Symbole mögen die Leser sich selbst deuten. Wappen
und Spruch aber haben ihre eigene Geschichte. Jene sind die Wappen von
Elsaß und Lothringen. Als der Reichskanzler zum Fürsten erhoben wurde,
gedachte der Kaiser ihm jene Embleme in sein neues Wappen zu verleihen.
„Aber," so erzählte mir der Fürst, „Herzog von Lothringen war mir zu
vornehm. Majestät wollte mir dann den Adler in den Schild setzen. Mir
war das jedoch auch bedenklich. Der Adler frißt mir meinen Klee, fürchtete
ich. So wurde denn der Ausweg gewählt, daß mir Wappenhalter mit den
Fahnen von Elsaß und Lothringen gegeben wurden." Der Spruch dagegen
datirt aus früherer Zeit. Als Bismarck in Frankfurt den Posten eines Bundes¬
tagsgesandter bekleidete, verlieh ihm der König von Dänemark das Großkreuz
des Danebrog. Nun ists aber Gebrauch, daß die Namen und Wappen der
Inhaber dieser Dekoration in der Stiftskirche zu Kopenhagen mit einer Devise
angebracht werden, welche der Betreffende sich zu wählen hat. „Da habe ich
mir diese ausgesonnen," erklärte der Kanzler. „In trinitats rodur — im
Dreiblatt Eiche, das alte Wappenbild unsrer Familie." — „Und im dreieinigen
Gotte meine Kraft?" rieth ich. - - „Ganz recht, so meinte ich es", erwiederte er
freundlich ernst.

Neben und vor dem Kamin, in dem ein Feuer aus großen Buchenscheiten
flackert und knistert, stehen hochlehnige Polsterstühle. In der folgenden Wand
ist eine Thür, welche in das Schlafzimmer des Reichskanzlers führt. Zwischen
ihr und dem Fenster befindet sich ein Glasschrank mit Waffen und Antiqui¬
täten, von dem alterthümliche Pokale aus grünem Glase mit bunten Bildern,
Wappen, Sprüchen und Blumen, sowie zwei große Thongefäße mit farbigen
Mustern herabschauen. Unter den Antiquitäten im Innern des Schrankes hebe
ich Lanzenspitzen aus der Urzeit und einen spiralförmigen goldnen Armring
hervor, der aus einem Hünengrabe stammt, unter den Waffen das gezogene
Pistol, mit dem der Fürst als Junker allerhand Schützenmirakel verrichtete,


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[0506] Gußmannsdorf in Schlesien angefertigt worden. Zu beiden Seiten der Feuer¬ stelle schmücken ihn kannelirte Säulen, über denen kleine Wappen angebracht sind. Das zur Linken zeigt einen goldnen Schild, worauf sich ein schräger rother Balken und ein einköpfiger silberner Adler befinden, das zur Rechten in rothem Schilde einen goldnen Strich und darüber sowie darunter je drei goldene Kronen. In der Mitte des Kamins liest man den Spruch: In trinitg-es,roour, über welchem man in gelbem Felde den Adler des neuen deutschen Reiches gewahrt, und über diesem wieder erhebt sich in kreisrunder Nische, dem höchsten Theile des Kaminmantels, die weiße Gypsbüste des Kaisers. Der Sims, der sie trägt, ist rechts und links von zwei zum Kamine selbst gehörigen grünen Adlern flankirt, die auf Lorbeerzweigen sitzen. Die Anordnung dieser Symbole mögen die Leser sich selbst deuten. Wappen und Spruch aber haben ihre eigene Geschichte. Jene sind die Wappen von Elsaß und Lothringen. Als der Reichskanzler zum Fürsten erhoben wurde, gedachte der Kaiser ihm jene Embleme in sein neues Wappen zu verleihen. „Aber," so erzählte mir der Fürst, „Herzog von Lothringen war mir zu vornehm. Majestät wollte mir dann den Adler in den Schild setzen. Mir war das jedoch auch bedenklich. Der Adler frißt mir meinen Klee, fürchtete ich. So wurde denn der Ausweg gewählt, daß mir Wappenhalter mit den Fahnen von Elsaß und Lothringen gegeben wurden." Der Spruch dagegen datirt aus früherer Zeit. Als Bismarck in Frankfurt den Posten eines Bundes¬ tagsgesandter bekleidete, verlieh ihm der König von Dänemark das Großkreuz des Danebrog. Nun ists aber Gebrauch, daß die Namen und Wappen der Inhaber dieser Dekoration in der Stiftskirche zu Kopenhagen mit einer Devise angebracht werden, welche der Betreffende sich zu wählen hat. „Da habe ich mir diese ausgesonnen," erklärte der Kanzler. „In trinitats rodur — im Dreiblatt Eiche, das alte Wappenbild unsrer Familie." — „Und im dreieinigen Gotte meine Kraft?" rieth ich. - - „Ganz recht, so meinte ich es", erwiederte er freundlich ernst. Neben und vor dem Kamin, in dem ein Feuer aus großen Buchenscheiten flackert und knistert, stehen hochlehnige Polsterstühle. In der folgenden Wand ist eine Thür, welche in das Schlafzimmer des Reichskanzlers führt. Zwischen ihr und dem Fenster befindet sich ein Glasschrank mit Waffen und Antiqui¬ täten, von dem alterthümliche Pokale aus grünem Glase mit bunten Bildern, Wappen, Sprüchen und Blumen, sowie zwei große Thongefäße mit farbigen Mustern herabschauen. Unter den Antiquitäten im Innern des Schrankes hebe ich Lanzenspitzen aus der Urzeit und einen spiralförmigen goldnen Armring hervor, der aus einem Hünengrabe stammt, unter den Waffen das gezogene Pistol, mit dem der Fürst als Junker allerhand Schützenmirakel verrichtete,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/506>, abgerufen am 27.11.2024.