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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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schen Steppen, die bedenkliche Fronttieränderung, politische Rücksichten und --
Anderes, was ich zu überlegen gab. Sie aber blieben dabei, und vergebens
sprach ich noch einmal gegen den Plan. Da ging ich aus der Stube hinaus
in die Kammer, die blos durch einen Bretterverschlag getrennt war, schloß ab
und warf mich aufs Bett, wo ich laut weinte vor nervöser Aufregung. Da
wurden sie drüben nach einer Weile alle still, und die Sache unterblieb."

Eine andere erwähnenswerthe und hier wohl untheilbare Aeußerung, die
der Kanzler an einem jener Varziner Abende that, betraf den Türkenkrieg von
1877, der im Oktober dieses Jahres bekanntlich eine für die russische Armee
nicht günstige Wendung genommen hatte. Der Fürst sagte, als das hervor¬
gehoben wurde: "Wenn ich der Kaiser Alexander wäre, so führte ich meine
Truppen jetzt auf das linke Donanufer zurück und bliebe da den Winter über
stehen, erließe aber zugleich ein Manifest an die Mächte, worin ich erklärte,
daß ich den Krieg, wo nöthig, sieben Jahre fortsetzen würde, und wenn ich ihn
zuletzt mit Bauern mit Mistgabeln und Dreschflegeln führen sollte. Meiner
Russen wäre ich dabei sicher. Zum nächsten Frühjahre nähme ich dann zuerst
ein paar von den großen Festungen an der Donau ein und arbeitete mich von
da allmählich weiter."

Wieder an einem andern Abende unterhielt man sich vom Ausgange des
Krieges mit Frankreich, und der Minister erzählte: "Der König wollte mir,
als ich Fürst wurde, Elsaß und Lothringen ins Wappen geben. Ich hätte
aber lieber Schleswig-Holstein drin gehabt; denn das ist die diplomatische
Kampagne, auf die ich am stolzesten bin." Legationsrath v. Holstein, einer
der Gäste des Hauses, fragte: "Sie wollten das gleich von Anfang an?"
"Ja," erwiederte der Fürst, "gewiß, gleich nach dem Tode des Königs von
Dänemark. Es war aber schwer. Alles war dabei gegen mich, Oesterreich,
die kleinen deutschen Staaten, die Liberalen, die Engländer -- nun, man weiß
ja, wer noch. Rußland's war man nicht recht sicher. Mit Napoleon, da ging
es, der dachte uns damit zu verpflichten.---Wir hatten damals eine
Staatsrathssitzung, wo ich eine der längsten Reden hielt, die ich je abgeschossen
habe, und vieles sagte, was den Zuhörern unerhört und unmöglich vorgekommen
sein muß." Er gab den Hauptinhalt dieser Rede an, ich glaube denselben
aber hier verschweigen zu müssen. Dann fuhr er fort: "Nach ihren erstaunten
Mienen zu urtheilen, dachten sie offenbar, ich hätte zu stark gefrühstückt. Coste-
noble führte das Protokoll, und wie ich mir das nachher ansah, fand ich, daß
die Stellen, wo ich am deutlichsten und eindringlichsten geworden war, weg¬
gelassen waren. Ich machte ihn darauf aufmerksam. Ja, sagte er, das wäre
richtig, er hätte aber gemeint, daß mir's lieb sein würde, wenn das wegbliebe.
Ich erwiederte: ganz und gar nicht. Sie dachten wohl, ich hätte einen


schen Steppen, die bedenkliche Fronttieränderung, politische Rücksichten und —
Anderes, was ich zu überlegen gab. Sie aber blieben dabei, und vergebens
sprach ich noch einmal gegen den Plan. Da ging ich aus der Stube hinaus
in die Kammer, die blos durch einen Bretterverschlag getrennt war, schloß ab
und warf mich aufs Bett, wo ich laut weinte vor nervöser Aufregung. Da
wurden sie drüben nach einer Weile alle still, und die Sache unterblieb."

Eine andere erwähnenswerthe und hier wohl untheilbare Aeußerung, die
der Kanzler an einem jener Varziner Abende that, betraf den Türkenkrieg von
1877, der im Oktober dieses Jahres bekanntlich eine für die russische Armee
nicht günstige Wendung genommen hatte. Der Fürst sagte, als das hervor¬
gehoben wurde: „Wenn ich der Kaiser Alexander wäre, so führte ich meine
Truppen jetzt auf das linke Donanufer zurück und bliebe da den Winter über
stehen, erließe aber zugleich ein Manifest an die Mächte, worin ich erklärte,
daß ich den Krieg, wo nöthig, sieben Jahre fortsetzen würde, und wenn ich ihn
zuletzt mit Bauern mit Mistgabeln und Dreschflegeln führen sollte. Meiner
Russen wäre ich dabei sicher. Zum nächsten Frühjahre nähme ich dann zuerst
ein paar von den großen Festungen an der Donau ein und arbeitete mich von
da allmählich weiter."

Wieder an einem andern Abende unterhielt man sich vom Ausgange des
Krieges mit Frankreich, und der Minister erzählte: „Der König wollte mir,
als ich Fürst wurde, Elsaß und Lothringen ins Wappen geben. Ich hätte
aber lieber Schleswig-Holstein drin gehabt; denn das ist die diplomatische
Kampagne, auf die ich am stolzesten bin." Legationsrath v. Holstein, einer
der Gäste des Hauses, fragte: „Sie wollten das gleich von Anfang an?"
„Ja," erwiederte der Fürst, „gewiß, gleich nach dem Tode des Königs von
Dänemark. Es war aber schwer. Alles war dabei gegen mich, Oesterreich,
die kleinen deutschen Staaten, die Liberalen, die Engländer — nun, man weiß
ja, wer noch. Rußland's war man nicht recht sicher. Mit Napoleon, da ging
es, der dachte uns damit zu verpflichten.---Wir hatten damals eine
Staatsrathssitzung, wo ich eine der längsten Reden hielt, die ich je abgeschossen
habe, und vieles sagte, was den Zuhörern unerhört und unmöglich vorgekommen
sein muß." Er gab den Hauptinhalt dieser Rede an, ich glaube denselben
aber hier verschweigen zu müssen. Dann fuhr er fort: „Nach ihren erstaunten
Mienen zu urtheilen, dachten sie offenbar, ich hätte zu stark gefrühstückt. Coste-
noble führte das Protokoll, und wie ich mir das nachher ansah, fand ich, daß
die Stellen, wo ich am deutlichsten und eindringlichsten geworden war, weg¬
gelassen waren. Ich machte ihn darauf aufmerksam. Ja, sagte er, das wäre
richtig, er hätte aber gemeint, daß mir's lieb sein würde, wenn das wegbliebe.
Ich erwiederte: ganz und gar nicht. Sie dachten wohl, ich hätte einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/502>, abgerufen am 01.09.2024.