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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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die eine Nachbildung von Rauch's kranzwerfender Siegesgöttin und wieder
ein Geschenk des Kaisers ist.

Ich weiß nicht, wie es kam, daß ich beim Anblick dieser Bildsäule weniger
an ihre Schönheit als an einen liebenswürdigen Zug im Leben des Fürsten
dachte. Als im Sommer 1871 der Triumphzug der deutschen Armee die
Tribüne passirte, welche über der Mauer des zum Auswärtigen Amte gehörigen
Gartens an der Königsgrätzer Straße für die Beamten des Ministeriums er¬
richtet worden war, sah der Reichskanzler im Vorbeireiten zu uus herüber, er¬
griff einen von den an seinem Sattelknopfe hängenden Lorbeerkränzen, steckte ihn
an seinen Degen und warf ihn uns zu.

An der Wand gegenüber den auf die Veranda und den Blumengarten
hinausblickenden Fenstern lenkt eine kleine Vertiefung zwischen zwei Oefen mit
offenem Feuer unsre Augen durch eine bunte Porzellanvase auf rothbedecktem
Fußgestell auf sich, die ungefähr einen Meter Höhe hat und auf der Vorder¬
seite zwischen ihren beiden Henkeln eine sitzende Frauengestalt -- wir denken
an eine Germania -- und auf der hintern goldne Trophäen trügt. Dieselbe
hat, wie der Fürst uns auseinandersetzte, eine eigne Geschichte mit einem symbo¬
lischen Zuge. Dem Kanzler nach 1870 vom Kaiser verehrt, war sie anfäng¬
lich für Hardenberg bestimmt gewesen, ihm aber aus irgend einem Grunde
nicht übergeben worden. Die Trophäen sind, näher besehen, französische Waffen,
wie sie in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 erbeutet wurden, und die
Frauengestalt ist eigentlich eine Borussia.

Neben dem zweiten Ofen von der Wand mit den auf den Wintergarten
hinaussehenden Fenstern her und gegenüber der einen schmalen Seite des hier
aufgestellten Billards beginnt die vorhin erwähnte große Nische. An deren
Wänden läuft ein langer Divan hin, vor welchem ein Flügel der Fürstin steht,
die Meisterin im Klavierspielen sein soll. Vor der Vase ladet ein kleines Sopha
zum Sitzen ein. Daneben stehen rechts und links große gepolsterte Lehnstühle.
In einem derselben pflegte der Kanzler während meiner Anwesenheit beim Kaffee,
der unmittelbar nach dem Diner eingenommen wurde, eine lange Studenten¬
pfeife in der Hand, eine zweite neben sich in Reserve, Platz zu nehmen, zu
rauchen und sich mit der Gesellschaft zu unterhalten, wobei er, wie immer bei
solchen Gelegenheiten, mancherlei Denkwürdiges äußerte und erzählte. Das
Beste davon wird späterer Mittheilung vorbehalten bleiben müssen, einiges da¬
gegen mag schon hier wiederzugeben erlaubt sein.

Wir sprachen vom böhmischen Feldzuge, und da erwähnte der Fürst u. a.
folgende charakteristische Episode: "Im Kriegsrathe zu Nikolsburg, der auf
meiner Stube gehalten wurde, wollten die Anderen den Feldzug weiter fort¬
setzen, nach Ungarn hinein. Ich aber war dagegen -- die Cholera, die ungari-


die eine Nachbildung von Rauch's kranzwerfender Siegesgöttin und wieder
ein Geschenk des Kaisers ist.

Ich weiß nicht, wie es kam, daß ich beim Anblick dieser Bildsäule weniger
an ihre Schönheit als an einen liebenswürdigen Zug im Leben des Fürsten
dachte. Als im Sommer 1871 der Triumphzug der deutschen Armee die
Tribüne passirte, welche über der Mauer des zum Auswärtigen Amte gehörigen
Gartens an der Königsgrätzer Straße für die Beamten des Ministeriums er¬
richtet worden war, sah der Reichskanzler im Vorbeireiten zu uus herüber, er¬
griff einen von den an seinem Sattelknopfe hängenden Lorbeerkränzen, steckte ihn
an seinen Degen und warf ihn uns zu.

An der Wand gegenüber den auf die Veranda und den Blumengarten
hinausblickenden Fenstern lenkt eine kleine Vertiefung zwischen zwei Oefen mit
offenem Feuer unsre Augen durch eine bunte Porzellanvase auf rothbedecktem
Fußgestell auf sich, die ungefähr einen Meter Höhe hat und auf der Vorder¬
seite zwischen ihren beiden Henkeln eine sitzende Frauengestalt — wir denken
an eine Germania — und auf der hintern goldne Trophäen trügt. Dieselbe
hat, wie der Fürst uns auseinandersetzte, eine eigne Geschichte mit einem symbo¬
lischen Zuge. Dem Kanzler nach 1870 vom Kaiser verehrt, war sie anfäng¬
lich für Hardenberg bestimmt gewesen, ihm aber aus irgend einem Grunde
nicht übergeben worden. Die Trophäen sind, näher besehen, französische Waffen,
wie sie in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 erbeutet wurden, und die
Frauengestalt ist eigentlich eine Borussia.

Neben dem zweiten Ofen von der Wand mit den auf den Wintergarten
hinaussehenden Fenstern her und gegenüber der einen schmalen Seite des hier
aufgestellten Billards beginnt die vorhin erwähnte große Nische. An deren
Wänden läuft ein langer Divan hin, vor welchem ein Flügel der Fürstin steht,
die Meisterin im Klavierspielen sein soll. Vor der Vase ladet ein kleines Sopha
zum Sitzen ein. Daneben stehen rechts und links große gepolsterte Lehnstühle.
In einem derselben pflegte der Kanzler während meiner Anwesenheit beim Kaffee,
der unmittelbar nach dem Diner eingenommen wurde, eine lange Studenten¬
pfeife in der Hand, eine zweite neben sich in Reserve, Platz zu nehmen, zu
rauchen und sich mit der Gesellschaft zu unterhalten, wobei er, wie immer bei
solchen Gelegenheiten, mancherlei Denkwürdiges äußerte und erzählte. Das
Beste davon wird späterer Mittheilung vorbehalten bleiben müssen, einiges da¬
gegen mag schon hier wiederzugeben erlaubt sein.

Wir sprachen vom böhmischen Feldzuge, und da erwähnte der Fürst u. a.
folgende charakteristische Episode: „Im Kriegsrathe zu Nikolsburg, der auf
meiner Stube gehalten wurde, wollten die Anderen den Feldzug weiter fort¬
setzen, nach Ungarn hinein. Ich aber war dagegen — die Cholera, die ungari-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/501>, abgerufen am 01.09.2024.