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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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allerdings die neuen Reichsgesetze ihn unterstützten, und abgesehen von der
Beschränkung der Beamtenzahl kamen zwei Gerichtsämter und eine Superin-
tendentur in Wegfall. Auf diese Weise sahen sich die Beamten in die Lage
versetzt, mehr als früher arbeiten zu müssen; der Schlendrian hörte allmählich
auf, und die wenigeren Beamten wurden jetzt schneller mit ihren Arbeiten
fertig. So verstand es Gerstenberg, auf diesem Wege einen andern Geist in
das Beamtenthum zu bringen, ohne den einzelnen etwa hart zu behandeln.

Ein schwieriges Werk war ferner die Verwaltungs-Reorganisation auf Grund
der Selbstverwaltung der Gemeinden, die zwar noch zu neu ist, um darüber
ein klares Urtheil aussprechen zu können, aber jedenfalls im Geiste der Zeit
der Entwickelung einen natürlichen Weg gebahnt hat. Vielleicht die schwierigste
Aufgabe aber, die seiner wartete, war die Theilung des Domanialvermögens.
Bisher war dasselbe ungetrennt geblieben, und der Herzog hatte aus den Ein¬
künften seine Zivilliste bezogen; nun trat eine völlige Trennung ein, indem
der Herzog etwa zwei Drittel, das Land ein Drittel des gesammten Domanial¬
vermögens erhielt, wogegen die Zivilliste ganz in Wegfall kam. Es versteht
sich von selbst, daß es Kreise gab, wo man mit dieser Theilung nicht zufrieden
war; daß aber das Land durch dieselbe nicht geschädigt worden ist, geht unter
andern: daraus hervor, daß nach der Theilung die Steuern herabgesetzt werden
konnten. Auch dem Verkehr leistete Gerstenberg jeden Vorschub durch Beförde¬
rung von Eisenbahnanlagen, deren unter seiner Geschäftsführung mehrere
entstanden. Ueber diesen nächstliegenden, praktischen Bedürfnissen vergaß er
aber nicht der Pflege der Kunst und Wissenschaft. Er hauptsächlich war es,
der die Erbauung des Theaters und die des Museums zu Stande brachte,
zwei Zierden Altenburg's, deren kulturelle Wichtigkeit erst mit der Zeit er¬
kennbar werden wird. Ebenso wuchsen die Zuschüsse zur Unterhaltung der
Gesammtuniversität Jena.

Eine glückliche Seite seiner Thätigkeit war endlich auch die Entwickelung
des höheren Unterrichtswesens. Bei seinem Amtsantritt fand er nur ein
Gymnasium vor und drei höhere Bürgerschulen in Altenburg, Ronneburg und
Eisenberg. Aber mit der allgemeinen Wehrpflicht wuchs die Zahl der Schüler,
welche zunächst die Berechtigung zum einjährigen Dienste zu erlangen strebten,
und der Minister chüele diesem Streben die Wege, indem er zuerst die Eisen-
berger Schule zum Progymnasium umwandelte und später zum Gymnasium
erhob, während in Altenburg an Stelle der höheren Bürgerschule die Real¬
schule trat. Auch das Volksschulwesen hat ihm viel zu verdanken; durch ein
Gesetz ist dasselbe vollständig reorganisirt und in eine neue gesunde Entwicke¬
lung geleitet worden.

So hat Gerstenberg nach innen alle Zweige seines Amtsbereichs berück-


allerdings die neuen Reichsgesetze ihn unterstützten, und abgesehen von der
Beschränkung der Beamtenzahl kamen zwei Gerichtsämter und eine Superin-
tendentur in Wegfall. Auf diese Weise sahen sich die Beamten in die Lage
versetzt, mehr als früher arbeiten zu müssen; der Schlendrian hörte allmählich
auf, und die wenigeren Beamten wurden jetzt schneller mit ihren Arbeiten
fertig. So verstand es Gerstenberg, auf diesem Wege einen andern Geist in
das Beamtenthum zu bringen, ohne den einzelnen etwa hart zu behandeln.

Ein schwieriges Werk war ferner die Verwaltungs-Reorganisation auf Grund
der Selbstverwaltung der Gemeinden, die zwar noch zu neu ist, um darüber
ein klares Urtheil aussprechen zu können, aber jedenfalls im Geiste der Zeit
der Entwickelung einen natürlichen Weg gebahnt hat. Vielleicht die schwierigste
Aufgabe aber, die seiner wartete, war die Theilung des Domanialvermögens.
Bisher war dasselbe ungetrennt geblieben, und der Herzog hatte aus den Ein¬
künften seine Zivilliste bezogen; nun trat eine völlige Trennung ein, indem
der Herzog etwa zwei Drittel, das Land ein Drittel des gesammten Domanial¬
vermögens erhielt, wogegen die Zivilliste ganz in Wegfall kam. Es versteht
sich von selbst, daß es Kreise gab, wo man mit dieser Theilung nicht zufrieden
war; daß aber das Land durch dieselbe nicht geschädigt worden ist, geht unter
andern: daraus hervor, daß nach der Theilung die Steuern herabgesetzt werden
konnten. Auch dem Verkehr leistete Gerstenberg jeden Vorschub durch Beförde¬
rung von Eisenbahnanlagen, deren unter seiner Geschäftsführung mehrere
entstanden. Ueber diesen nächstliegenden, praktischen Bedürfnissen vergaß er
aber nicht der Pflege der Kunst und Wissenschaft. Er hauptsächlich war es,
der die Erbauung des Theaters und die des Museums zu Stande brachte,
zwei Zierden Altenburg's, deren kulturelle Wichtigkeit erst mit der Zeit er¬
kennbar werden wird. Ebenso wuchsen die Zuschüsse zur Unterhaltung der
Gesammtuniversität Jena.

Eine glückliche Seite seiner Thätigkeit war endlich auch die Entwickelung
des höheren Unterrichtswesens. Bei seinem Amtsantritt fand er nur ein
Gymnasium vor und drei höhere Bürgerschulen in Altenburg, Ronneburg und
Eisenberg. Aber mit der allgemeinen Wehrpflicht wuchs die Zahl der Schüler,
welche zunächst die Berechtigung zum einjährigen Dienste zu erlangen strebten,
und der Minister chüele diesem Streben die Wege, indem er zuerst die Eisen-
berger Schule zum Progymnasium umwandelte und später zum Gymnasium
erhob, während in Altenburg an Stelle der höheren Bürgerschule die Real¬
schule trat. Auch das Volksschulwesen hat ihm viel zu verdanken; durch ein
Gesetz ist dasselbe vollständig reorganisirt und in eine neue gesunde Entwicke¬
lung geleitet worden.

So hat Gerstenberg nach innen alle Zweige seines Amtsbereichs berück-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/483>, abgerufen am 01.09.2024.