Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

meiner Frivolität verzerrt sein Gesicht zu einem grinsenden, widerlichen Lachen.
Seine Begleiterinnen entbehren, wie schon angedeutet, jedes persönlichen Reizes.
Auch hat 'der Fleischton der Körper jenen fatalen Stich in's Karmoisinrothe
erhalten, der bei Feuerbach ebenso stereotyp ist wie die grauen Töne.

Die Komposition erinnert in ihrer Übersichtlichkeit und Klarheit an die eines
antiken Reliefs. Auch das Kolorit ist, abgesehen von dem üblichen dampfenden
Schleier, harmonischer und kräftiger als auf seinen früheren Schöpfungen-
Der trotzdem noch starke Gebrauch von Grau hat die sonst wohlgelungene
Charakteristik der Köpfe sehr beeinträchtigt, da sich bei dem gleichmäßig
trüben Fleischton die verschiedenen Altersstufen der Männer zu wenig von
einander unterscheiden. Um die ganze Darstellung hat Feuerbach einen goldenen
Rahmen gemalt, welcher mit Stierschädeln, Satyrmasken, Muscheln und reichen
Frnchtgehängen verziert ist. Dieser Rahmen ist in koloristischer Beziehung
besser durchgeführt als das Bild. Leider hat er dem Maler zu einer geschmack-
und heillosen Bizarrerie Veranlassung gegeben. An der Kulte vor dem Speise¬
tische steht nämlich ein Gefäß, von dem ein prächtiges blaues Tuch -- auf
den Rahmen herabfällt! Ebenso hängen von der oberen Seite des Rahmens
Fruchtschnüre in das Bild hinein.

Weniger günstig gestaltete sich das Urtheil über die "Amazonenschlacht",
eine riesige Leinwand von etwa 24 Fuß Länge und 15 Fuß Höhe, die von
mehr als 30 überlebensgroßen Figuren belebt ist. Hier verdarb das unglück¬
selige Grau, welches überall dominirte: in den Halbtönen, in den Gewändern,
in den Schatten, im Fleischton, so daß man eher einen Karton als ein Ge¬
mälde zu sehen glaubte, die Freude an den wuchtig komponirter und wahrhaft
dramatisch beseelten Einzelkämpfen, in welche sich die ganze Komposition auf¬
löst. Es ist schwer, von dem Bilde eine übersichtliche Beschreibung zu geben.
Das Gewühl der Kämpfenden im Bordergrunde, die Sterbenden, die sich in
die Mähnen der dahinjagenden Rosse entkrampfen, die Verwundeten, die aus
dem Kampfe fortgetragen werden, die todt dahingestreckten Riesenleiber -- es
ist ein wirres Durcheinander, das wie eine unheimliche Fiebervision auf den
Beschauer wirkt. Im Mittelgrunde des Bildes liegt links vom Beschauer
eine brennende Stadt, daran schließen sich weitere Gruppen von Kämp¬
fenden, Verwundete, die sich mühsam aus dem Kampfe geschleppt haben, um
an einsamer Stelle in Ruhe zu sterben, eine Amazone auf einem sich hochauf¬
bäumenden Rosse, ein reiterloses Pferd, das in sausendem Galopp sortstürzt,
und dahinter dehnt sich weithin das düstere Gefilde aus bis zur fernen Meeres¬
küste, deren schäumende Wellen am Horizonte glänzen. Wenn man die ge¬
waltige Komposition aus einiger Entfernung auf sich wirken läßt, so daß sich
die feineren Einzelheiten dem Auge entziehen, so wird man der Komposition


meiner Frivolität verzerrt sein Gesicht zu einem grinsenden, widerlichen Lachen.
Seine Begleiterinnen entbehren, wie schon angedeutet, jedes persönlichen Reizes.
Auch hat 'der Fleischton der Körper jenen fatalen Stich in's Karmoisinrothe
erhalten, der bei Feuerbach ebenso stereotyp ist wie die grauen Töne.

Die Komposition erinnert in ihrer Übersichtlichkeit und Klarheit an die eines
antiken Reliefs. Auch das Kolorit ist, abgesehen von dem üblichen dampfenden
Schleier, harmonischer und kräftiger als auf seinen früheren Schöpfungen-
Der trotzdem noch starke Gebrauch von Grau hat die sonst wohlgelungene
Charakteristik der Köpfe sehr beeinträchtigt, da sich bei dem gleichmäßig
trüben Fleischton die verschiedenen Altersstufen der Männer zu wenig von
einander unterscheiden. Um die ganze Darstellung hat Feuerbach einen goldenen
Rahmen gemalt, welcher mit Stierschädeln, Satyrmasken, Muscheln und reichen
Frnchtgehängen verziert ist. Dieser Rahmen ist in koloristischer Beziehung
besser durchgeführt als das Bild. Leider hat er dem Maler zu einer geschmack-
und heillosen Bizarrerie Veranlassung gegeben. An der Kulte vor dem Speise¬
tische steht nämlich ein Gefäß, von dem ein prächtiges blaues Tuch — auf
den Rahmen herabfällt! Ebenso hängen von der oberen Seite des Rahmens
Fruchtschnüre in das Bild hinein.

Weniger günstig gestaltete sich das Urtheil über die „Amazonenschlacht",
eine riesige Leinwand von etwa 24 Fuß Länge und 15 Fuß Höhe, die von
mehr als 30 überlebensgroßen Figuren belebt ist. Hier verdarb das unglück¬
selige Grau, welches überall dominirte: in den Halbtönen, in den Gewändern,
in den Schatten, im Fleischton, so daß man eher einen Karton als ein Ge¬
mälde zu sehen glaubte, die Freude an den wuchtig komponirter und wahrhaft
dramatisch beseelten Einzelkämpfen, in welche sich die ganze Komposition auf¬
löst. Es ist schwer, von dem Bilde eine übersichtliche Beschreibung zu geben.
Das Gewühl der Kämpfenden im Bordergrunde, die Sterbenden, die sich in
die Mähnen der dahinjagenden Rosse entkrampfen, die Verwundeten, die aus
dem Kampfe fortgetragen werden, die todt dahingestreckten Riesenleiber — es
ist ein wirres Durcheinander, das wie eine unheimliche Fiebervision auf den
Beschauer wirkt. Im Mittelgrunde des Bildes liegt links vom Beschauer
eine brennende Stadt, daran schließen sich weitere Gruppen von Kämp¬
fenden, Verwundete, die sich mühsam aus dem Kampfe geschleppt haben, um
an einsamer Stelle in Ruhe zu sterben, eine Amazone auf einem sich hochauf¬
bäumenden Rosse, ein reiterloses Pferd, das in sausendem Galopp sortstürzt,
und dahinter dehnt sich weithin das düstere Gefilde aus bis zur fernen Meeres¬
küste, deren schäumende Wellen am Horizonte glänzen. Wenn man die ge¬
waltige Komposition aus einiger Entfernung auf sich wirken läßt, so daß sich
die feineren Einzelheiten dem Auge entziehen, so wird man der Komposition


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142545"/>
          <p xml:id="ID_142" prev="#ID_141"> meiner Frivolität verzerrt sein Gesicht zu einem grinsenden, widerlichen Lachen.<lb/>
Seine Begleiterinnen entbehren, wie schon angedeutet, jedes persönlichen Reizes.<lb/>
Auch hat 'der Fleischton der Körper jenen fatalen Stich in's Karmoisinrothe<lb/>
erhalten, der bei Feuerbach ebenso stereotyp ist wie die grauen Töne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_143"> Die Komposition erinnert in ihrer Übersichtlichkeit und Klarheit an die eines<lb/>
antiken Reliefs. Auch das Kolorit ist, abgesehen von dem üblichen dampfenden<lb/>
Schleier, harmonischer und kräftiger als auf seinen früheren Schöpfungen-<lb/>
Der trotzdem noch starke Gebrauch von Grau hat die sonst wohlgelungene<lb/>
Charakteristik der Köpfe sehr beeinträchtigt, da sich bei dem gleichmäßig<lb/>
trüben Fleischton die verschiedenen Altersstufen der Männer zu wenig von<lb/>
einander unterscheiden. Um die ganze Darstellung hat Feuerbach einen goldenen<lb/>
Rahmen gemalt, welcher mit Stierschädeln, Satyrmasken, Muscheln und reichen<lb/>
Frnchtgehängen verziert ist. Dieser Rahmen ist in koloristischer Beziehung<lb/>
besser durchgeführt als das Bild. Leider hat er dem Maler zu einer geschmack-<lb/>
und heillosen Bizarrerie Veranlassung gegeben. An der Kulte vor dem Speise¬<lb/>
tische steht nämlich ein Gefäß, von dem ein prächtiges blaues Tuch &#x2014; auf<lb/>
den Rahmen herabfällt! Ebenso hängen von der oberen Seite des Rahmens<lb/>
Fruchtschnüre in das Bild hinein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_144" next="#ID_145"> Weniger günstig gestaltete sich das Urtheil über die &#x201E;Amazonenschlacht",<lb/>
eine riesige Leinwand von etwa 24 Fuß Länge und 15 Fuß Höhe, die von<lb/>
mehr als 30 überlebensgroßen Figuren belebt ist. Hier verdarb das unglück¬<lb/>
selige Grau, welches überall dominirte: in den Halbtönen, in den Gewändern,<lb/>
in den Schatten, im Fleischton, so daß man eher einen Karton als ein Ge¬<lb/>
mälde zu sehen glaubte, die Freude an den wuchtig komponirter und wahrhaft<lb/>
dramatisch beseelten Einzelkämpfen, in welche sich die ganze Komposition auf¬<lb/>
löst. Es ist schwer, von dem Bilde eine übersichtliche Beschreibung zu geben.<lb/>
Das Gewühl der Kämpfenden im Bordergrunde, die Sterbenden, die sich in<lb/>
die Mähnen der dahinjagenden Rosse entkrampfen, die Verwundeten, die aus<lb/>
dem Kampfe fortgetragen werden, die todt dahingestreckten Riesenleiber &#x2014; es<lb/>
ist ein wirres Durcheinander, das wie eine unheimliche Fiebervision auf den<lb/>
Beschauer wirkt. Im Mittelgrunde des Bildes liegt links vom Beschauer<lb/>
eine brennende Stadt, daran schließen sich weitere Gruppen von Kämp¬<lb/>
fenden, Verwundete, die sich mühsam aus dem Kampfe geschleppt haben, um<lb/>
an einsamer Stelle in Ruhe zu sterben, eine Amazone auf einem sich hochauf¬<lb/>
bäumenden Rosse, ein reiterloses Pferd, das in sausendem Galopp sortstürzt,<lb/>
und dahinter dehnt sich weithin das düstere Gefilde aus bis zur fernen Meeres¬<lb/>
küste, deren schäumende Wellen am Horizonte glänzen. Wenn man die ge¬<lb/>
waltige Komposition aus einiger Entfernung auf sich wirken läßt, so daß sich<lb/>
die feineren Einzelheiten dem Auge entziehen, so wird man der Komposition</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] meiner Frivolität verzerrt sein Gesicht zu einem grinsenden, widerlichen Lachen. Seine Begleiterinnen entbehren, wie schon angedeutet, jedes persönlichen Reizes. Auch hat 'der Fleischton der Körper jenen fatalen Stich in's Karmoisinrothe erhalten, der bei Feuerbach ebenso stereotyp ist wie die grauen Töne. Die Komposition erinnert in ihrer Übersichtlichkeit und Klarheit an die eines antiken Reliefs. Auch das Kolorit ist, abgesehen von dem üblichen dampfenden Schleier, harmonischer und kräftiger als auf seinen früheren Schöpfungen- Der trotzdem noch starke Gebrauch von Grau hat die sonst wohlgelungene Charakteristik der Köpfe sehr beeinträchtigt, da sich bei dem gleichmäßig trüben Fleischton die verschiedenen Altersstufen der Männer zu wenig von einander unterscheiden. Um die ganze Darstellung hat Feuerbach einen goldenen Rahmen gemalt, welcher mit Stierschädeln, Satyrmasken, Muscheln und reichen Frnchtgehängen verziert ist. Dieser Rahmen ist in koloristischer Beziehung besser durchgeführt als das Bild. Leider hat er dem Maler zu einer geschmack- und heillosen Bizarrerie Veranlassung gegeben. An der Kulte vor dem Speise¬ tische steht nämlich ein Gefäß, von dem ein prächtiges blaues Tuch — auf den Rahmen herabfällt! Ebenso hängen von der oberen Seite des Rahmens Fruchtschnüre in das Bild hinein. Weniger günstig gestaltete sich das Urtheil über die „Amazonenschlacht", eine riesige Leinwand von etwa 24 Fuß Länge und 15 Fuß Höhe, die von mehr als 30 überlebensgroßen Figuren belebt ist. Hier verdarb das unglück¬ selige Grau, welches überall dominirte: in den Halbtönen, in den Gewändern, in den Schatten, im Fleischton, so daß man eher einen Karton als ein Ge¬ mälde zu sehen glaubte, die Freude an den wuchtig komponirter und wahrhaft dramatisch beseelten Einzelkämpfen, in welche sich die ganze Komposition auf¬ löst. Es ist schwer, von dem Bilde eine übersichtliche Beschreibung zu geben. Das Gewühl der Kämpfenden im Bordergrunde, die Sterbenden, die sich in die Mähnen der dahinjagenden Rosse entkrampfen, die Verwundeten, die aus dem Kampfe fortgetragen werden, die todt dahingestreckten Riesenleiber — es ist ein wirres Durcheinander, das wie eine unheimliche Fiebervision auf den Beschauer wirkt. Im Mittelgrunde des Bildes liegt links vom Beschauer eine brennende Stadt, daran schließen sich weitere Gruppen von Kämp¬ fenden, Verwundete, die sich mühsam aus dem Kampfe geschleppt haben, um an einsamer Stelle in Ruhe zu sterben, eine Amazone auf einem sich hochauf¬ bäumenden Rosse, ein reiterloses Pferd, das in sausendem Galopp sortstürzt, und dahinter dehnt sich weithin das düstere Gefilde aus bis zur fernen Meeres¬ küste, deren schäumende Wellen am Horizonte glänzen. Wenn man die ge¬ waltige Komposition aus einiger Entfernung auf sich wirken läßt, so daß sich die feineren Einzelheiten dem Auge entziehen, so wird man der Komposition

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/48>, abgerufen am 23.11.2024.