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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Uns Thüringen.
Zum Gedächtniß des Staatsministers von Gerstenberg.

Am 29. August starb auf seiner Besitzung Sulza der Herzoglich Sachsen-
Altenburgische Staatsminister Friedrich Leopold von Gerstenberg-Zech,
ein Mann, der sich nicht nur um das Land, dem er diente, durch seine Ein¬
sicht, seinen weiten Blick und seine wohlwollende, wahrhaft edelmännische Ge¬
sinnung bleibende Verdienste erworben, sondern auch durch die Vorsicht und
Entschiedenheit, mit welcher er das Herzogthum Sachsen-Altenburg in die neue
Reichsordnung einzuführen verstand, auch in weiteren Kreisen Anerkennung
verdient hat. Geboren am 14. März 1826 als Sohn des unter dem Namen
v. Gerstenberg geadelten großherzoglich sächsischen Kanzlers Müller in Weimar,
hatte er zwar den Gymnasialkursus durchgemacht, auch die Universität besucht,
aber zunächst sich von der Beamtenlaufbahn fern gehalten, bis er durch den
Minister von Larisch als Hofmarschall in den herzoglich altenburgischen Dienst
gezogen wurde; als Larisch am 24. Januar 1867 sein Amt niederlegte, wurde
Gerstenberg am 12. Juni darauf sein Nachfolger. Hatte Larisch in dem ent¬
scheidenden Jahre 1866 mit richtigem Blicke erkannt, daß das Interesse des
Herzogtums auf den Anschluß an Preußen hinwies und diesen Anschluß
glücklich erreicht, so war doch die Hauptarbeit, wonach die Staaten des neuen
norddeutschen Bundes in eine neue und zwar viel straffere Einheit eingefügt
werden mußten, erst noch zu thun, und dieser Aufgabe unterzog sich Gerstenberg.

Bis zum Jahre 1866 wurde das Herzogthum wie die übrigen kleinen
Staaten des deutschen Bundes wesentlich nach derselben Schablone regiert wie
die mittleren und großen; die Staatssouveränetät hatte keine andern Schranken
als die, welche durch die Größe oder Kleinheit des Landes bedingt waren. War
aber die Bedeutung derselben nach außen eine geringe, so gestattete ihnen doch
die Verfassung des deutschen Bundes nach innen die größte Selbständigkeit, die
sie denn auch in der ausgiebigsten Weise geltend machten. Die Gesetzgebung
war durchaus selbständig und durch dieselben Faktoren vertreten, wie z. B. in


Grenzboten III. 137S. öl
Uns Thüringen.
Zum Gedächtniß des Staatsministers von Gerstenberg.

Am 29. August starb auf seiner Besitzung Sulza der Herzoglich Sachsen-
Altenburgische Staatsminister Friedrich Leopold von Gerstenberg-Zech,
ein Mann, der sich nicht nur um das Land, dem er diente, durch seine Ein¬
sicht, seinen weiten Blick und seine wohlwollende, wahrhaft edelmännische Ge¬
sinnung bleibende Verdienste erworben, sondern auch durch die Vorsicht und
Entschiedenheit, mit welcher er das Herzogthum Sachsen-Altenburg in die neue
Reichsordnung einzuführen verstand, auch in weiteren Kreisen Anerkennung
verdient hat. Geboren am 14. März 1826 als Sohn des unter dem Namen
v. Gerstenberg geadelten großherzoglich sächsischen Kanzlers Müller in Weimar,
hatte er zwar den Gymnasialkursus durchgemacht, auch die Universität besucht,
aber zunächst sich von der Beamtenlaufbahn fern gehalten, bis er durch den
Minister von Larisch als Hofmarschall in den herzoglich altenburgischen Dienst
gezogen wurde; als Larisch am 24. Januar 1867 sein Amt niederlegte, wurde
Gerstenberg am 12. Juni darauf sein Nachfolger. Hatte Larisch in dem ent¬
scheidenden Jahre 1866 mit richtigem Blicke erkannt, daß das Interesse des
Herzogtums auf den Anschluß an Preußen hinwies und diesen Anschluß
glücklich erreicht, so war doch die Hauptarbeit, wonach die Staaten des neuen
norddeutschen Bundes in eine neue und zwar viel straffere Einheit eingefügt
werden mußten, erst noch zu thun, und dieser Aufgabe unterzog sich Gerstenberg.

Bis zum Jahre 1866 wurde das Herzogthum wie die übrigen kleinen
Staaten des deutschen Bundes wesentlich nach derselben Schablone regiert wie
die mittleren und großen; die Staatssouveränetät hatte keine andern Schranken
als die, welche durch die Größe oder Kleinheit des Landes bedingt waren. War
aber die Bedeutung derselben nach außen eine geringe, so gestattete ihnen doch
die Verfassung des deutschen Bundes nach innen die größte Selbständigkeit, die
sie denn auch in der ausgiebigsten Weise geltend machten. Die Gesetzgebung
war durchaus selbständig und durch dieselben Faktoren vertreten, wie z. B. in


Grenzboten III. 137S. öl
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[0479] Uns Thüringen. Zum Gedächtniß des Staatsministers von Gerstenberg. Am 29. August starb auf seiner Besitzung Sulza der Herzoglich Sachsen- Altenburgische Staatsminister Friedrich Leopold von Gerstenberg-Zech, ein Mann, der sich nicht nur um das Land, dem er diente, durch seine Ein¬ sicht, seinen weiten Blick und seine wohlwollende, wahrhaft edelmännische Ge¬ sinnung bleibende Verdienste erworben, sondern auch durch die Vorsicht und Entschiedenheit, mit welcher er das Herzogthum Sachsen-Altenburg in die neue Reichsordnung einzuführen verstand, auch in weiteren Kreisen Anerkennung verdient hat. Geboren am 14. März 1826 als Sohn des unter dem Namen v. Gerstenberg geadelten großherzoglich sächsischen Kanzlers Müller in Weimar, hatte er zwar den Gymnasialkursus durchgemacht, auch die Universität besucht, aber zunächst sich von der Beamtenlaufbahn fern gehalten, bis er durch den Minister von Larisch als Hofmarschall in den herzoglich altenburgischen Dienst gezogen wurde; als Larisch am 24. Januar 1867 sein Amt niederlegte, wurde Gerstenberg am 12. Juni darauf sein Nachfolger. Hatte Larisch in dem ent¬ scheidenden Jahre 1866 mit richtigem Blicke erkannt, daß das Interesse des Herzogtums auf den Anschluß an Preußen hinwies und diesen Anschluß glücklich erreicht, so war doch die Hauptarbeit, wonach die Staaten des neuen norddeutschen Bundes in eine neue und zwar viel straffere Einheit eingefügt werden mußten, erst noch zu thun, und dieser Aufgabe unterzog sich Gerstenberg. Bis zum Jahre 1866 wurde das Herzogthum wie die übrigen kleinen Staaten des deutschen Bundes wesentlich nach derselben Schablone regiert wie die mittleren und großen; die Staatssouveränetät hatte keine andern Schranken als die, welche durch die Größe oder Kleinheit des Landes bedingt waren. War aber die Bedeutung derselben nach außen eine geringe, so gestattete ihnen doch die Verfassung des deutschen Bundes nach innen die größte Selbständigkeit, die sie denn auch in der ausgiebigsten Weise geltend machten. Die Gesetzgebung war durchaus selbständig und durch dieselben Faktoren vertreten, wie z. B. in Grenzboten III. 137S. öl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/479>, abgerufen am 27.11.2024.