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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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verführt hat, in ü^rMti ertappt und in Gegenwart eines Zeugen vor dem
Angesichte der ehrvergessenen Frau von dem beleidigten Gatten ermordet. Ein
zweites Historienbild, das auf Düsseldorfer Boden erwachsen ist, eine der blutigsten
Szenen aus dem Bauernkriege -- Graf Helfenstein wird durch die Spieße ge¬
jagt -- von Fritz Neuhaus, leidet an einer verworrenen Komposition und
an einem unharmonischen, bunten Kolorit. Es scheint, als sei die ganze Ge¬
schichte nur gemalt, um an den phantastisch herausstafsirten Bauern eine mög¬
lichst umfangreiche Musterkarte mittelalterlicher Kostüme auszuweisen. Ein
tieferes Interesse weiß diese fatale Schlächterszene in uns nicht hervorzurufen.

Es scheint demnach, als ständen der "Verbindung für historische Kunst"
mit der jüngeren Generation unserer Historienmaler, noch traurigere Erfahrungen
bevor, als sie bereits mit der älteren gemacht hat.


Adolf Rosenberg.


AiXMgeschichten.

Die Nixen des deutschen Volksglaubens sind gleich den Zwergen und den
Waldfrauen Spiegelbilder der Phantasie, in denen das dämonische Stillleben
der Natur, ihr geheimnißvolles, oft unheimliches und sinnverwirrendes Weben
und Walten menschenähnliche Gestalt annimmt. Näher betrachtet, sind sie der
Ausdruck der Stimmung, die uns vor einsamen Gewässern überkommt, wenn
unsre Seele für die Einwirkung der Natur des Wassers empfänglich ist, und
der Gefahren, die das Wasser in seinen Tiefen birgt.

Versetzen wir uns an einen abgelegenen Schilfteich oder einen still hin¬
strömenden Fluß im Walde. Noch i'ses Heller Tag, aber es will Abend werden.
Alles ringsum ist Ruhe. Nur im Laube der Wipfel und im Röhricht am
Ufer rauscht es leise. Ein Durchblick zeigt uns die Sonne golden im Spiegel
der Wasserfläche, neben ihr die farbigen Bilder des Gestades, Bäume, Ge¬
sträuche, Gräser, Blumen und Felsen, eine zweite lichte Welt im Wasser.
Drunten aber ist es undeutlich, weiterhin nach der Mitte wirr und schwankend,
zuletzt dunkel unter seltsamen Gebilden. Die Dämmerung tritt ein. Das volle
Licht des Tages weicht dem Halblicht, und das heitere Bild trübt sich. Sein
Frieden wird unheimlich. Die Sinnentäuschung beginnt. Wir fühlen unbe¬
stimmt, daß wir nicht mehr allein sind. Das Rohr "flüstert", die Wellen
"murmeln", in den Strudeln bewegt sichs wie Gewandfalten. Nebel steigen
von der Oberfläche auf, die im Mondscheine Gestalt gewinnen. Sie kommen
herüber nach der Uferwiese, der Waldlichtung. Wir sehen sie tanzen, hören sie
singen, eine Empfindung, halb Wohlgefallen, halb Schauer, wird zuletzt ganz
zum Schauer vor den feuchten Frauen, die uns zu winken scheinen. Be¬
schleunigten Schrittes suchen wir den Heimweg aus der Verblendung und
Bethörung.

Oder denken wir uns im Nachen auf einem Fluß oder See. Wir hörten
von gefährlichen Strudeln und Stromschnellen, wir sehen plötzlich schwarze


verführt hat, in ü^rMti ertappt und in Gegenwart eines Zeugen vor dem
Angesichte der ehrvergessenen Frau von dem beleidigten Gatten ermordet. Ein
zweites Historienbild, das auf Düsseldorfer Boden erwachsen ist, eine der blutigsten
Szenen aus dem Bauernkriege — Graf Helfenstein wird durch die Spieße ge¬
jagt — von Fritz Neuhaus, leidet an einer verworrenen Komposition und
an einem unharmonischen, bunten Kolorit. Es scheint, als sei die ganze Ge¬
schichte nur gemalt, um an den phantastisch herausstafsirten Bauern eine mög¬
lichst umfangreiche Musterkarte mittelalterlicher Kostüme auszuweisen. Ein
tieferes Interesse weiß diese fatale Schlächterszene in uns nicht hervorzurufen.

Es scheint demnach, als ständen der „Verbindung für historische Kunst"
mit der jüngeren Generation unserer Historienmaler, noch traurigere Erfahrungen
bevor, als sie bereits mit der älteren gemacht hat.


Adolf Rosenberg.


AiXMgeschichten.

Die Nixen des deutschen Volksglaubens sind gleich den Zwergen und den
Waldfrauen Spiegelbilder der Phantasie, in denen das dämonische Stillleben
der Natur, ihr geheimnißvolles, oft unheimliches und sinnverwirrendes Weben
und Walten menschenähnliche Gestalt annimmt. Näher betrachtet, sind sie der
Ausdruck der Stimmung, die uns vor einsamen Gewässern überkommt, wenn
unsre Seele für die Einwirkung der Natur des Wassers empfänglich ist, und
der Gefahren, die das Wasser in seinen Tiefen birgt.

Versetzen wir uns an einen abgelegenen Schilfteich oder einen still hin¬
strömenden Fluß im Walde. Noch i'ses Heller Tag, aber es will Abend werden.
Alles ringsum ist Ruhe. Nur im Laube der Wipfel und im Röhricht am
Ufer rauscht es leise. Ein Durchblick zeigt uns die Sonne golden im Spiegel
der Wasserfläche, neben ihr die farbigen Bilder des Gestades, Bäume, Ge¬
sträuche, Gräser, Blumen und Felsen, eine zweite lichte Welt im Wasser.
Drunten aber ist es undeutlich, weiterhin nach der Mitte wirr und schwankend,
zuletzt dunkel unter seltsamen Gebilden. Die Dämmerung tritt ein. Das volle
Licht des Tages weicht dem Halblicht, und das heitere Bild trübt sich. Sein
Frieden wird unheimlich. Die Sinnentäuschung beginnt. Wir fühlen unbe¬
stimmt, daß wir nicht mehr allein sind. Das Rohr „flüstert", die Wellen
„murmeln", in den Strudeln bewegt sichs wie Gewandfalten. Nebel steigen
von der Oberfläche auf, die im Mondscheine Gestalt gewinnen. Sie kommen
herüber nach der Uferwiese, der Waldlichtung. Wir sehen sie tanzen, hören sie
singen, eine Empfindung, halb Wohlgefallen, halb Schauer, wird zuletzt ganz
zum Schauer vor den feuchten Frauen, die uns zu winken scheinen. Be¬
schleunigten Schrittes suchen wir den Heimweg aus der Verblendung und
Bethörung.

Oder denken wir uns im Nachen auf einem Fluß oder See. Wir hörten
von gefährlichen Strudeln und Stromschnellen, wir sehen plötzlich schwarze


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/470>, abgerufen am 27.11.2024.