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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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rächt, in welchem Verhältniß die künstlerische Produktion zu der internationa¬
len Ausstellungswuth steht!

Auch Bö "langer's "Gastmahl der Lucullus" ist eine Arbeit älteren
Datums, die Gott weiß durch welchen Zufall zu uns verschlagen worden ist.
Oder sollte der in Paris so hoch gefeierte Antiqnitätenmaler sich wirklich selbst
herabgelassen haben, die xg-uvrizs cliavlss von ^russisus mit einer Offen¬
barung feiner Kunst zu begraben? Er hat's zu seinein Schaden gethan. Jeder,
der Alma Tadema's frisch und gesund gemalte, lebensprühende Bilder aus dem
Alterthum gesehen hat, wird sich für diese flaue, süßliche Marzipanmalerei bedanken.

Wie kraftvoll, originell und markig weiß dagegen unser Wilhelm Gentz,
den wir mit Stolz den ersten Genremaler der Welt nennen dürfen, das ethno¬
graphische Genre zu behandeln. Da ist keine Spur von jener farblosen, aus¬
gewaschenen Charakteristik, von jener zaghaften, eleganten Salonmalerei, von
der felbst Gerome nicht mehr freizusprechen ist. Gentz hat diesmal einen vollen
Griff in das bunte Volksleben von Algier hineingethan. Es ist eine Art Bazar,
eine Art Messe, nach welcher allerlei Volk in malerischen Trachten zusammen¬
strömt, um sich bunte Nichtigkeiten von verschmitzten Syrern und Arabern auf¬
schwatzen zu lassen und nach den Sprüngen der Tänzerinnen zu gaffen, die da
im Vordergrunde rechts, durch ein aufgespanntes Tuch geschützt, eben ihre
Toilette beendigen. Der malerische Reiz, der in.diesem jbunten Gewirr liegt,
läßt sich leider nicht in Worte fassen. Man wird angesichts solcher Farben¬
wunder mehr und mehr inne, daß die Sprache des Malers sich fast bis ins
Unendliche erweitert und vertieft, während die Sprache der Schriftsteller sich
in einem beschränkten Kreise von armseligen Worten bewegt, die längst nicht
mehr die neuangewachsenen Schätze von Begriffen und Anschauungen zu decken
und auszudrücken im Stande sind.

Wenn wir Schrader's "Cromwell in Whitehall" -- der finstere Dikta¬
tor, dessen Typus Schrader in der modernen Historienmalerei festgestellt hat,
vor einem Bildniß Karl's I. --, Bleib treu's "Kaiser Wilhelm vor Paris"
-- der Kaiser besichtigt mit kleinem Gefolge eine Geschützpvsition -- und
Freyberg's "Moment aus der Schlacht bei Le Mans" erwähnt haben, so
sind alle bemerkenswerthen Arbeiten Berliner Künstler erschöpft, die irgend¬
welchen Anspruch auf den Namen eines Historienbildes erheben könnten. In
Düsseldorf, von wo Heuer eine große Anzahl ausgezeichneter Landschaften nach
Berlin gekommen ist, sieht es auf dem Gebiete der Historienmalerei noch dürf¬
tiger aus. Ein großes Gemälde von einem jungen Schüler Bendemann's,
Fritz Nveber, behandelt einen fo verlegenen Stoff und obendrein in so flacher
akademischer Manier, daß man ihm schwerlich ein tieferes Interesse abgewinnen
wird. Papst Johann XII. wird von einem vornehmen Römer, dessen Frau er


rächt, in welchem Verhältniß die künstlerische Produktion zu der internationa¬
len Ausstellungswuth steht!

Auch Bö »langer's „Gastmahl der Lucullus" ist eine Arbeit älteren
Datums, die Gott weiß durch welchen Zufall zu uns verschlagen worden ist.
Oder sollte der in Paris so hoch gefeierte Antiqnitätenmaler sich wirklich selbst
herabgelassen haben, die xg-uvrizs cliavlss von ^russisus mit einer Offen¬
barung feiner Kunst zu begraben? Er hat's zu seinein Schaden gethan. Jeder,
der Alma Tadema's frisch und gesund gemalte, lebensprühende Bilder aus dem
Alterthum gesehen hat, wird sich für diese flaue, süßliche Marzipanmalerei bedanken.

Wie kraftvoll, originell und markig weiß dagegen unser Wilhelm Gentz,
den wir mit Stolz den ersten Genremaler der Welt nennen dürfen, das ethno¬
graphische Genre zu behandeln. Da ist keine Spur von jener farblosen, aus¬
gewaschenen Charakteristik, von jener zaghaften, eleganten Salonmalerei, von
der felbst Gerome nicht mehr freizusprechen ist. Gentz hat diesmal einen vollen
Griff in das bunte Volksleben von Algier hineingethan. Es ist eine Art Bazar,
eine Art Messe, nach welcher allerlei Volk in malerischen Trachten zusammen¬
strömt, um sich bunte Nichtigkeiten von verschmitzten Syrern und Arabern auf¬
schwatzen zu lassen und nach den Sprüngen der Tänzerinnen zu gaffen, die da
im Vordergrunde rechts, durch ein aufgespanntes Tuch geschützt, eben ihre
Toilette beendigen. Der malerische Reiz, der in.diesem jbunten Gewirr liegt,
läßt sich leider nicht in Worte fassen. Man wird angesichts solcher Farben¬
wunder mehr und mehr inne, daß die Sprache des Malers sich fast bis ins
Unendliche erweitert und vertieft, während die Sprache der Schriftsteller sich
in einem beschränkten Kreise von armseligen Worten bewegt, die längst nicht
mehr die neuangewachsenen Schätze von Begriffen und Anschauungen zu decken
und auszudrücken im Stande sind.

Wenn wir Schrader's „Cromwell in Whitehall" — der finstere Dikta¬
tor, dessen Typus Schrader in der modernen Historienmalerei festgestellt hat,
vor einem Bildniß Karl's I. —, Bleib treu's „Kaiser Wilhelm vor Paris"
— der Kaiser besichtigt mit kleinem Gefolge eine Geschützpvsition — und
Freyberg's „Moment aus der Schlacht bei Le Mans" erwähnt haben, so
sind alle bemerkenswerthen Arbeiten Berliner Künstler erschöpft, die irgend¬
welchen Anspruch auf den Namen eines Historienbildes erheben könnten. In
Düsseldorf, von wo Heuer eine große Anzahl ausgezeichneter Landschaften nach
Berlin gekommen ist, sieht es auf dem Gebiete der Historienmalerei noch dürf¬
tiger aus. Ein großes Gemälde von einem jungen Schüler Bendemann's,
Fritz Nveber, behandelt einen fo verlegenen Stoff und obendrein in so flacher
akademischer Manier, daß man ihm schwerlich ein tieferes Interesse abgewinnen
wird. Papst Johann XII. wird von einem vornehmen Römer, dessen Frau er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/469>, abgerufen am 27.11.2024.