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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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jene Leichtigkeit und Mühelosigkeit des Schaffens, welche den Künstler hinter
feinem Werke verschwinden läßt. So virtuos der Körper auch gemalt ist, hie
und da sind doch einige widerspenstige Farbenflächen stehen geblieben, welche
dem alle Tone verschmelzenden Vertreiber widerstanden haben, besonders die
fetten Glanzlichter oberhalb des Busens und oberhalb des rechten Kniees, die
uus daran erinnern, daß die Farbe ein zäher Stoff ist, der sich nicht immer
den Intentionen des Künstlers fügt.

Ein Knabenporträt von Graef verliert in seiner sonst feinen malerischen
Wirkung durch das geschmacklose Kostüm. Gewisse Berliner Familien wett¬
eifern förmlich mit einander, ihre Sprößlinge wie Vogelscheuchen heraus¬
zuputzen. Fritz Paulsen ist mit einem fein charakterisirten Porträt des
Oberbürgermeisters v. Forckenbeck und mit dem Bildniß einer älteren Dame,
Bier manu mit einem wacker gezeichneten, aber recht trocken gemalten Por¬
trät des Grafen Redern in der Kapiteltracht der Ritter des schwarzen Adler¬
ordens und Schrader mit einem solchen des Oberbürgermeisters Dr. Becker
in Cöln von frappanter Naturwahrheit vertreten. Ihnen reihen sich O. Begas,
Breitbach, Bülow, Dielitz, Freyberg und Plockhorst würdig an,
alle mit vortrefflichen Durchschnittsleistungen von kräftiger, gesunder Färbung.
Dielitz rückt vielleicht um ein paar Linien über die mit ihm genannten hinaus,
weil er in einem kleinen genreartig behandelten Bildniß des deutschen Kron¬
prinzen in ganzer Figur das Kolorit zu einer transparent/l, emailartigen
Glätte gesteigert hat. Paul Meyerheim ist in der von ihm stets beliebten
genreartigen Auffassung von Porträts diesmal so weit gegangen, daß er einen
Herrn mit seinem Pferde abkonterfeit hat, wie er über ein Feld reitet, auf
dem noch Arbeiter beschäftigt sind. Das Pferd ist jedenfalls besser bei diesem
Experiment weggekommen als sein Reiter. Meyerheim entwickelt eine fabel¬
hafte Produktivität, unter der die sorgfältige Durchführung der Details schon
zu leiden beginnt. So ist er auch diesmal noch mit sechs anderen Gemälden
vertreten, von denen jedoch keines von so zwingendem Eindruck ist wie sein
"Kohlenmeiler" vom vorigen Jahre. In den Glanz seines pastvsen Kolorits
mischt sich ein kalter, kreidiger Ton, der besonders auf einem an menschlichen
und Thierfiguren reichen "Kuhstall" sich unangenehm breit macht. Den Affen¬
kultus treibt er nach wie vor mit ungeschwächter Palette fort.

Richter's Triumph ist um so größer, als einige ausgezeichnete Bildniß-
maler des Auslands unsre Ausstellung mit hervorragenden Schöpfungen bedacht
haben. Da ist zunächst der Belgier Emile Wauters mit einem lebensgroßen
Porträt der bekannten französischen Soubrette Mme. Indie in ganzer Figur,
einem koloristischen Bravourstück, an dem man jedoch mehr die blendende Malerei
der kapriziösen Toilette bewundert als den Kopf, der seinem Originale viel


jene Leichtigkeit und Mühelosigkeit des Schaffens, welche den Künstler hinter
feinem Werke verschwinden läßt. So virtuos der Körper auch gemalt ist, hie
und da sind doch einige widerspenstige Farbenflächen stehen geblieben, welche
dem alle Tone verschmelzenden Vertreiber widerstanden haben, besonders die
fetten Glanzlichter oberhalb des Busens und oberhalb des rechten Kniees, die
uus daran erinnern, daß die Farbe ein zäher Stoff ist, der sich nicht immer
den Intentionen des Künstlers fügt.

Ein Knabenporträt von Graef verliert in seiner sonst feinen malerischen
Wirkung durch das geschmacklose Kostüm. Gewisse Berliner Familien wett¬
eifern förmlich mit einander, ihre Sprößlinge wie Vogelscheuchen heraus¬
zuputzen. Fritz Paulsen ist mit einem fein charakterisirten Porträt des
Oberbürgermeisters v. Forckenbeck und mit dem Bildniß einer älteren Dame,
Bier manu mit einem wacker gezeichneten, aber recht trocken gemalten Por¬
trät des Grafen Redern in der Kapiteltracht der Ritter des schwarzen Adler¬
ordens und Schrader mit einem solchen des Oberbürgermeisters Dr. Becker
in Cöln von frappanter Naturwahrheit vertreten. Ihnen reihen sich O. Begas,
Breitbach, Bülow, Dielitz, Freyberg und Plockhorst würdig an,
alle mit vortrefflichen Durchschnittsleistungen von kräftiger, gesunder Färbung.
Dielitz rückt vielleicht um ein paar Linien über die mit ihm genannten hinaus,
weil er in einem kleinen genreartig behandelten Bildniß des deutschen Kron¬
prinzen in ganzer Figur das Kolorit zu einer transparent/l, emailartigen
Glätte gesteigert hat. Paul Meyerheim ist in der von ihm stets beliebten
genreartigen Auffassung von Porträts diesmal so weit gegangen, daß er einen
Herrn mit seinem Pferde abkonterfeit hat, wie er über ein Feld reitet, auf
dem noch Arbeiter beschäftigt sind. Das Pferd ist jedenfalls besser bei diesem
Experiment weggekommen als sein Reiter. Meyerheim entwickelt eine fabel¬
hafte Produktivität, unter der die sorgfältige Durchführung der Details schon
zu leiden beginnt. So ist er auch diesmal noch mit sechs anderen Gemälden
vertreten, von denen jedoch keines von so zwingendem Eindruck ist wie sein
„Kohlenmeiler" vom vorigen Jahre. In den Glanz seines pastvsen Kolorits
mischt sich ein kalter, kreidiger Ton, der besonders auf einem an menschlichen
und Thierfiguren reichen „Kuhstall" sich unangenehm breit macht. Den Affen¬
kultus treibt er nach wie vor mit ungeschwächter Palette fort.

Richter's Triumph ist um so größer, als einige ausgezeichnete Bildniß-
maler des Auslands unsre Ausstellung mit hervorragenden Schöpfungen bedacht
haben. Da ist zunächst der Belgier Emile Wauters mit einem lebensgroßen
Porträt der bekannten französischen Soubrette Mme. Indie in ganzer Figur,
einem koloristischen Bravourstück, an dem man jedoch mehr die blendende Malerei
der kapriziösen Toilette bewundert als den Kopf, der seinem Originale viel


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[0467] jene Leichtigkeit und Mühelosigkeit des Schaffens, welche den Künstler hinter feinem Werke verschwinden läßt. So virtuos der Körper auch gemalt ist, hie und da sind doch einige widerspenstige Farbenflächen stehen geblieben, welche dem alle Tone verschmelzenden Vertreiber widerstanden haben, besonders die fetten Glanzlichter oberhalb des Busens und oberhalb des rechten Kniees, die uus daran erinnern, daß die Farbe ein zäher Stoff ist, der sich nicht immer den Intentionen des Künstlers fügt. Ein Knabenporträt von Graef verliert in seiner sonst feinen malerischen Wirkung durch das geschmacklose Kostüm. Gewisse Berliner Familien wett¬ eifern förmlich mit einander, ihre Sprößlinge wie Vogelscheuchen heraus¬ zuputzen. Fritz Paulsen ist mit einem fein charakterisirten Porträt des Oberbürgermeisters v. Forckenbeck und mit dem Bildniß einer älteren Dame, Bier manu mit einem wacker gezeichneten, aber recht trocken gemalten Por¬ trät des Grafen Redern in der Kapiteltracht der Ritter des schwarzen Adler¬ ordens und Schrader mit einem solchen des Oberbürgermeisters Dr. Becker in Cöln von frappanter Naturwahrheit vertreten. Ihnen reihen sich O. Begas, Breitbach, Bülow, Dielitz, Freyberg und Plockhorst würdig an, alle mit vortrefflichen Durchschnittsleistungen von kräftiger, gesunder Färbung. Dielitz rückt vielleicht um ein paar Linien über die mit ihm genannten hinaus, weil er in einem kleinen genreartig behandelten Bildniß des deutschen Kron¬ prinzen in ganzer Figur das Kolorit zu einer transparent/l, emailartigen Glätte gesteigert hat. Paul Meyerheim ist in der von ihm stets beliebten genreartigen Auffassung von Porträts diesmal so weit gegangen, daß er einen Herrn mit seinem Pferde abkonterfeit hat, wie er über ein Feld reitet, auf dem noch Arbeiter beschäftigt sind. Das Pferd ist jedenfalls besser bei diesem Experiment weggekommen als sein Reiter. Meyerheim entwickelt eine fabel¬ hafte Produktivität, unter der die sorgfältige Durchführung der Details schon zu leiden beginnt. So ist er auch diesmal noch mit sechs anderen Gemälden vertreten, von denen jedoch keines von so zwingendem Eindruck ist wie sein „Kohlenmeiler" vom vorigen Jahre. In den Glanz seines pastvsen Kolorits mischt sich ein kalter, kreidiger Ton, der besonders auf einem an menschlichen und Thierfiguren reichen „Kuhstall" sich unangenehm breit macht. Den Affen¬ kultus treibt er nach wie vor mit ungeschwächter Palette fort. Richter's Triumph ist um so größer, als einige ausgezeichnete Bildniß- maler des Auslands unsre Ausstellung mit hervorragenden Schöpfungen bedacht haben. Da ist zunächst der Belgier Emile Wauters mit einem lebensgroßen Porträt der bekannten französischen Soubrette Mme. Indie in ganzer Figur, einem koloristischen Bravourstück, an dem man jedoch mehr die blendende Malerei der kapriziösen Toilette bewundert als den Kopf, der seinem Originale viel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/467>, abgerufen am 01.09.2024.