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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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greisenhafter Zug erhalten haben. Bei Schack befindet sich auch noch eine
Kinderschaar, die in einem kleinen Gewässer badet, ein die Guitarre spielender
Knabe mit einem Mädchen an einem Wasserfall sitzend und zwei musizirende
Kinder von einer Nymphe belauscht, mit dem See von Nenn im Hintergründe
(1864). Eine Madonna mit dem Kinde von einigen musizirenden Engeln um¬
geben, ein Rundbild im Stile der älteren Venezianer, ebendaselbst, ist wohl
nur ein Versuch, der auch uicht über das Stadium der Skizze hinausgekommen
ist. Endlich gehört noch zu dieser Gruppe von Bildern ein singender Knabe
und ein Mädchen, ähnlich den oben erwähnten von einer Waldnymphe be¬
lauscht, in Basel. Sie alle sind ein Beleg für das unablässige Studium und
die Durchbildung der Form, der sich Feuerbach mit seltenem und desto rühmens¬
wertherem Eiser hingab. Freilich vermochte er sich vor einer mit dem eifrigen
Naturstudium verbundenen Gefahr, nämlich der, in eine zu große Abhängigkeit
von seinem jeweiligen Modell zu gerathen, nicht immer zu schützen.

Die mittlere Periode seines Schaffens wird mit dem liebenswürdigen und
anmuthig, frisch und klar kolorirten Bilde beim Freiherrn v. Schack "Hafis
am Brunnen" (1866) abgeschlossen. Vier junge Mädchen und zwei Kinder,
mit denen der Sänger eben gescherzt, entfernen sich und steigen den felsigen
Pfad empor, der durch blühende Gärten führt.

Das "Gastmahl des Platon", welches 1869 auf der Münchener Kunst¬
ausstellung zuerst erschien, bezeichnet den Höhepunkt von Feuerbach's künstlerischer
Entwickelung und zugleich den Inbegriff seiner künstlerischen Prinzipien. In
diesem Bilde kam er seinein Ideale, der Verschmelzung des hellenischen Geistes
mit dem modernen, der Transposition der plastischen Formensprache der Griechen
in die malerische Ausdrucksweise der Modernen am nächsten. Zwar war ihm
gerade auf diesem Bilde die malerische Haltung mehr verunglückt als je zuvor,
dergestalt, daß selbst seine intimsten Verehrer ein Schreck durchfuhr, als sie
die riesige, ganz in Grau getauchte Leinwand zu Gesicht bekamen. Wie Pecht
erzählt, war nämlich das "Gastmahl" anfänglich neben "lauter stark naturali¬
stisch gewürzte Meisterstücke der Piloty'schen und anderer moderner Münchener
Schulen" gekommen, neben denen es sich ausnahm "wie ein Stück Eismeer,
das sich ungebeten in einen Parfümerieladen drängt". Als man das Bild
später neben die Kartons plazirte, konnte man es unbefangener würdigen. Wir
lassen das Bild jedoch bei Seite, weil Feuerbnch es nachmals mit einigen
Abänderungen, die sich als Verbesserungen erwiesen, wiederholte und auf dieser
Replik nicht mehr von dem gewohnten Grau eiuen so reichlichen Gebrauch
machte.

Auf das "Gastmahl" folgten erst noch mehrere Bilder ans dem Kreise
der antiken Sage: "Orpheus und Eurydiee" -- "Medea" -- das "Urtheil


greisenhafter Zug erhalten haben. Bei Schack befindet sich auch noch eine
Kinderschaar, die in einem kleinen Gewässer badet, ein die Guitarre spielender
Knabe mit einem Mädchen an einem Wasserfall sitzend und zwei musizirende
Kinder von einer Nymphe belauscht, mit dem See von Nenn im Hintergründe
(1864). Eine Madonna mit dem Kinde von einigen musizirenden Engeln um¬
geben, ein Rundbild im Stile der älteren Venezianer, ebendaselbst, ist wohl
nur ein Versuch, der auch uicht über das Stadium der Skizze hinausgekommen
ist. Endlich gehört noch zu dieser Gruppe von Bildern ein singender Knabe
und ein Mädchen, ähnlich den oben erwähnten von einer Waldnymphe be¬
lauscht, in Basel. Sie alle sind ein Beleg für das unablässige Studium und
die Durchbildung der Form, der sich Feuerbach mit seltenem und desto rühmens¬
wertherem Eiser hingab. Freilich vermochte er sich vor einer mit dem eifrigen
Naturstudium verbundenen Gefahr, nämlich der, in eine zu große Abhängigkeit
von seinem jeweiligen Modell zu gerathen, nicht immer zu schützen.

Die mittlere Periode seines Schaffens wird mit dem liebenswürdigen und
anmuthig, frisch und klar kolorirten Bilde beim Freiherrn v. Schack „Hafis
am Brunnen" (1866) abgeschlossen. Vier junge Mädchen und zwei Kinder,
mit denen der Sänger eben gescherzt, entfernen sich und steigen den felsigen
Pfad empor, der durch blühende Gärten führt.

Das „Gastmahl des Platon", welches 1869 auf der Münchener Kunst¬
ausstellung zuerst erschien, bezeichnet den Höhepunkt von Feuerbach's künstlerischer
Entwickelung und zugleich den Inbegriff seiner künstlerischen Prinzipien. In
diesem Bilde kam er seinein Ideale, der Verschmelzung des hellenischen Geistes
mit dem modernen, der Transposition der plastischen Formensprache der Griechen
in die malerische Ausdrucksweise der Modernen am nächsten. Zwar war ihm
gerade auf diesem Bilde die malerische Haltung mehr verunglückt als je zuvor,
dergestalt, daß selbst seine intimsten Verehrer ein Schreck durchfuhr, als sie
die riesige, ganz in Grau getauchte Leinwand zu Gesicht bekamen. Wie Pecht
erzählt, war nämlich das „Gastmahl" anfänglich neben „lauter stark naturali¬
stisch gewürzte Meisterstücke der Piloty'schen und anderer moderner Münchener
Schulen" gekommen, neben denen es sich ausnahm „wie ein Stück Eismeer,
das sich ungebeten in einen Parfümerieladen drängt". Als man das Bild
später neben die Kartons plazirte, konnte man es unbefangener würdigen. Wir
lassen das Bild jedoch bei Seite, weil Feuerbnch es nachmals mit einigen
Abänderungen, die sich als Verbesserungen erwiesen, wiederholte und auf dieser
Replik nicht mehr von dem gewohnten Grau eiuen so reichlichen Gebrauch
machte.

Auf das „Gastmahl" folgten erst noch mehrere Bilder ans dem Kreise
der antiken Sage: „Orpheus und Eurydiee" — „Medea" — das „Urtheil


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[0046] greisenhafter Zug erhalten haben. Bei Schack befindet sich auch noch eine Kinderschaar, die in einem kleinen Gewässer badet, ein die Guitarre spielender Knabe mit einem Mädchen an einem Wasserfall sitzend und zwei musizirende Kinder von einer Nymphe belauscht, mit dem See von Nenn im Hintergründe (1864). Eine Madonna mit dem Kinde von einigen musizirenden Engeln um¬ geben, ein Rundbild im Stile der älteren Venezianer, ebendaselbst, ist wohl nur ein Versuch, der auch uicht über das Stadium der Skizze hinausgekommen ist. Endlich gehört noch zu dieser Gruppe von Bildern ein singender Knabe und ein Mädchen, ähnlich den oben erwähnten von einer Waldnymphe be¬ lauscht, in Basel. Sie alle sind ein Beleg für das unablässige Studium und die Durchbildung der Form, der sich Feuerbach mit seltenem und desto rühmens¬ wertherem Eiser hingab. Freilich vermochte er sich vor einer mit dem eifrigen Naturstudium verbundenen Gefahr, nämlich der, in eine zu große Abhängigkeit von seinem jeweiligen Modell zu gerathen, nicht immer zu schützen. Die mittlere Periode seines Schaffens wird mit dem liebenswürdigen und anmuthig, frisch und klar kolorirten Bilde beim Freiherrn v. Schack „Hafis am Brunnen" (1866) abgeschlossen. Vier junge Mädchen und zwei Kinder, mit denen der Sänger eben gescherzt, entfernen sich und steigen den felsigen Pfad empor, der durch blühende Gärten führt. Das „Gastmahl des Platon", welches 1869 auf der Münchener Kunst¬ ausstellung zuerst erschien, bezeichnet den Höhepunkt von Feuerbach's künstlerischer Entwickelung und zugleich den Inbegriff seiner künstlerischen Prinzipien. In diesem Bilde kam er seinein Ideale, der Verschmelzung des hellenischen Geistes mit dem modernen, der Transposition der plastischen Formensprache der Griechen in die malerische Ausdrucksweise der Modernen am nächsten. Zwar war ihm gerade auf diesem Bilde die malerische Haltung mehr verunglückt als je zuvor, dergestalt, daß selbst seine intimsten Verehrer ein Schreck durchfuhr, als sie die riesige, ganz in Grau getauchte Leinwand zu Gesicht bekamen. Wie Pecht erzählt, war nämlich das „Gastmahl" anfänglich neben „lauter stark naturali¬ stisch gewürzte Meisterstücke der Piloty'schen und anderer moderner Münchener Schulen" gekommen, neben denen es sich ausnahm „wie ein Stück Eismeer, das sich ungebeten in einen Parfümerieladen drängt". Als man das Bild später neben die Kartons plazirte, konnte man es unbefangener würdigen. Wir lassen das Bild jedoch bei Seite, weil Feuerbnch es nachmals mit einigen Abänderungen, die sich als Verbesserungen erwiesen, wiederholte und auf dieser Replik nicht mehr von dem gewohnten Grau eiuen so reichlichen Gebrauch machte. Auf das „Gastmahl" folgten erst noch mehrere Bilder ans dem Kreise der antiken Sage: „Orpheus und Eurydiee" — „Medea" — das „Urtheil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/46>, abgerufen am 24.11.2024.