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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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in der Baukunst keine wissenschaftlichen Studien gemacht hatte, vermochte er
doch bald sich soviel Kenntnisse zu erwerben, daß er das Gebiet nicht nur
völlig beherrschte, sondern sogar als ausgezeichneter Architekt gelten konnte,
und, ohne einer Prüfung sich unterzogen zu haben, von der preußischen
Regierung in seinem Amte bestätigt und kurz darauf zum Bauinspektor ernannt
wurde. Sein Aufenthalt blieb Coblenz, wo er sich in den Jahren 1839 bis
1841 in der Schlvßstraße ein eignes Haus erbaute.

Innerhalb seiner Familie war Lasciulx still und in sich gekehrt; wie es
scheint, weil seine Frau, eine ernste, verschlossene, unnahbare Persönlichkeit, die
daher von Verwandten und Freunden mehr geachtet als geliebt, von der
Kinderwelt aber gefürchtet wurde, eine drückende Atmosphäre im Hanse ver¬
breitete. Im Verkehr mit Freunden und Verwandten dagegen war er anregend
und lebhaft, liebenswürdig und freundlich. Es lag etwas Vornehmes und
Ritterliches in seinem Wesen, während sein Aeußeres an die alten Meister
deutscher Kunst erinnerte, wie er denn auch als Architekt den altdeutschen Stil
wieder zur Geltung brachte. Dem kirchlichen Leben stand er gleichgiltig gegen¬
über, während seine Fran demselben zugethan war.

Sechs Kinder, drei Knaben und drei Mädchen, füllten das Haus, unter¬
einander innerlich und äußerlich sehr verschieden, doch verbunden durch das
Lasaulx'sche Erbe: lebhafte Phantasie, künstlerische Begabung und Thatkraft. Fast
wild wuchsen sie auf, wenig erzogen; aber angeborne Thätigkeit und eine treffliche
moralische Atmosphäre schützte sie.

Amalie war als Kind das Bild der Lebenslust und Kraft, immer guten
Muthes, voll drolliger, mitunter vorlauter Einfälle, übermüthig und unter-
nehmend wie der wildeste Junge. "Auch äußerlich sah sie als kleines Mädchen
ziemlich jungenhaft aus, indem man sie nach damaliger Mode ü. 1^ liws, d. h.
Mit kurz geschorenem Kopfe, gehen ließ; später löste sie gar gern ihre lang
herunterhängenden Zöpfe ans und schüttelte sich im fröhlichen Uebermuthe, daß
ihr das dichte, schwarze Haar wild um den Kopf flog. Im Stelzenlaufen
war sie Meister, und das Schlittschuhlaufen übte sie eifrig auf einem einsamen
Plätzchen der Mosel; es war damals noch etwas Unerhörtes für Mädchen, und
Amalie war wohl die Einzige in Coblenz, die sich ganz in der Stille damit
abgab. Sie genirte sich auch wohl gewaltig vor den Leuten, aber lassen konnte
sie es darum doch nicht, denn ,es war gar zu schöne Um die Treppen wie
andere ordentliche Menschen hinab zu steigen, dazu fehlte ihr meist die Geduld,
sie zog es vor, eilig auf dem Geländer hinab zu rutschen, zuweilen auch später
noch, als sie bereits erwachsen war."

Daß ein so geartetes junges Mädchen keine Sympathieen für klösterliches
Leben hegte, ist begreiflich. Als ihre älteste, etwas schwärmerische Schwester


in der Baukunst keine wissenschaftlichen Studien gemacht hatte, vermochte er
doch bald sich soviel Kenntnisse zu erwerben, daß er das Gebiet nicht nur
völlig beherrschte, sondern sogar als ausgezeichneter Architekt gelten konnte,
und, ohne einer Prüfung sich unterzogen zu haben, von der preußischen
Regierung in seinem Amte bestätigt und kurz darauf zum Bauinspektor ernannt
wurde. Sein Aufenthalt blieb Coblenz, wo er sich in den Jahren 1839 bis
1841 in der Schlvßstraße ein eignes Haus erbaute.

Innerhalb seiner Familie war Lasciulx still und in sich gekehrt; wie es
scheint, weil seine Frau, eine ernste, verschlossene, unnahbare Persönlichkeit, die
daher von Verwandten und Freunden mehr geachtet als geliebt, von der
Kinderwelt aber gefürchtet wurde, eine drückende Atmosphäre im Hanse ver¬
breitete. Im Verkehr mit Freunden und Verwandten dagegen war er anregend
und lebhaft, liebenswürdig und freundlich. Es lag etwas Vornehmes und
Ritterliches in seinem Wesen, während sein Aeußeres an die alten Meister
deutscher Kunst erinnerte, wie er denn auch als Architekt den altdeutschen Stil
wieder zur Geltung brachte. Dem kirchlichen Leben stand er gleichgiltig gegen¬
über, während seine Fran demselben zugethan war.

Sechs Kinder, drei Knaben und drei Mädchen, füllten das Haus, unter¬
einander innerlich und äußerlich sehr verschieden, doch verbunden durch das
Lasaulx'sche Erbe: lebhafte Phantasie, künstlerische Begabung und Thatkraft. Fast
wild wuchsen sie auf, wenig erzogen; aber angeborne Thätigkeit und eine treffliche
moralische Atmosphäre schützte sie.

Amalie war als Kind das Bild der Lebenslust und Kraft, immer guten
Muthes, voll drolliger, mitunter vorlauter Einfälle, übermüthig und unter-
nehmend wie der wildeste Junge. „Auch äußerlich sah sie als kleines Mädchen
ziemlich jungenhaft aus, indem man sie nach damaliger Mode ü. 1^ liws, d. h.
Mit kurz geschorenem Kopfe, gehen ließ; später löste sie gar gern ihre lang
herunterhängenden Zöpfe ans und schüttelte sich im fröhlichen Uebermuthe, daß
ihr das dichte, schwarze Haar wild um den Kopf flog. Im Stelzenlaufen
war sie Meister, und das Schlittschuhlaufen übte sie eifrig auf einem einsamen
Plätzchen der Mosel; es war damals noch etwas Unerhörtes für Mädchen, und
Amalie war wohl die Einzige in Coblenz, die sich ganz in der Stille damit
abgab. Sie genirte sich auch wohl gewaltig vor den Leuten, aber lassen konnte
sie es darum doch nicht, denn ,es war gar zu schöne Um die Treppen wie
andere ordentliche Menschen hinab zu steigen, dazu fehlte ihr meist die Geduld,
sie zog es vor, eilig auf dem Geländer hinab zu rutschen, zuweilen auch später
noch, als sie bereits erwachsen war."

Daß ein so geartetes junges Mädchen keine Sympathieen für klösterliches
Leben hegte, ist begreiflich. Als ihre älteste, etwas schwärmerische Schwester


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[0437] in der Baukunst keine wissenschaftlichen Studien gemacht hatte, vermochte er doch bald sich soviel Kenntnisse zu erwerben, daß er das Gebiet nicht nur völlig beherrschte, sondern sogar als ausgezeichneter Architekt gelten konnte, und, ohne einer Prüfung sich unterzogen zu haben, von der preußischen Regierung in seinem Amte bestätigt und kurz darauf zum Bauinspektor ernannt wurde. Sein Aufenthalt blieb Coblenz, wo er sich in den Jahren 1839 bis 1841 in der Schlvßstraße ein eignes Haus erbaute. Innerhalb seiner Familie war Lasciulx still und in sich gekehrt; wie es scheint, weil seine Frau, eine ernste, verschlossene, unnahbare Persönlichkeit, die daher von Verwandten und Freunden mehr geachtet als geliebt, von der Kinderwelt aber gefürchtet wurde, eine drückende Atmosphäre im Hanse ver¬ breitete. Im Verkehr mit Freunden und Verwandten dagegen war er anregend und lebhaft, liebenswürdig und freundlich. Es lag etwas Vornehmes und Ritterliches in seinem Wesen, während sein Aeußeres an die alten Meister deutscher Kunst erinnerte, wie er denn auch als Architekt den altdeutschen Stil wieder zur Geltung brachte. Dem kirchlichen Leben stand er gleichgiltig gegen¬ über, während seine Fran demselben zugethan war. Sechs Kinder, drei Knaben und drei Mädchen, füllten das Haus, unter¬ einander innerlich und äußerlich sehr verschieden, doch verbunden durch das Lasaulx'sche Erbe: lebhafte Phantasie, künstlerische Begabung und Thatkraft. Fast wild wuchsen sie auf, wenig erzogen; aber angeborne Thätigkeit und eine treffliche moralische Atmosphäre schützte sie. Amalie war als Kind das Bild der Lebenslust und Kraft, immer guten Muthes, voll drolliger, mitunter vorlauter Einfälle, übermüthig und unter- nehmend wie der wildeste Junge. „Auch äußerlich sah sie als kleines Mädchen ziemlich jungenhaft aus, indem man sie nach damaliger Mode ü. 1^ liws, d. h. Mit kurz geschorenem Kopfe, gehen ließ; später löste sie gar gern ihre lang herunterhängenden Zöpfe ans und schüttelte sich im fröhlichen Uebermuthe, daß ihr das dichte, schwarze Haar wild um den Kopf flog. Im Stelzenlaufen war sie Meister, und das Schlittschuhlaufen übte sie eifrig auf einem einsamen Plätzchen der Mosel; es war damals noch etwas Unerhörtes für Mädchen, und Amalie war wohl die Einzige in Coblenz, die sich ganz in der Stille damit abgab. Sie genirte sich auch wohl gewaltig vor den Leuten, aber lassen konnte sie es darum doch nicht, denn ,es war gar zu schöne Um die Treppen wie andere ordentliche Menschen hinab zu steigen, dazu fehlte ihr meist die Geduld, sie zog es vor, eilig auf dem Geländer hinab zu rutschen, zuweilen auch später noch, als sie bereits erwachsen war." Daß ein so geartetes junges Mädchen keine Sympathieen für klösterliches Leben hegte, ist begreiflich. Als ihre älteste, etwas schwärmerische Schwester

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/437>, abgerufen am 23.11.2024.