Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.Ein Madonnen-Maler unserer Zeit. Biographische Studie von Constant von Wurzbach. Wien, Manz, 187S. Ein seltsames Buch -- in jeder Beziehung. Ueber keinen Künstler Hütte Wurzbach besitzt eine eminente und ganz spezifische Sammleranlage, mit So wenig aber wie zu einer künstlerischen Darstellung erhebt sich der Ein Madonnen-Maler unserer Zeit. Biographische Studie von Constant von Wurzbach. Wien, Manz, 187S. Ein seltsames Buch — in jeder Beziehung. Ueber keinen Künstler Hütte Wurzbach besitzt eine eminente und ganz spezifische Sammleranlage, mit So wenig aber wie zu einer künstlerischen Darstellung erhebt sich der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142926"/> </div> <div n="2"> <head> Ein Madonnen-Maler unserer Zeit. Biographische Studie von Constant<lb/> von Wurzbach. Wien, Manz, 187S.</head><lb/> <p xml:id="ID_1266"> Ein seltsames Buch — in jeder Beziehung. Ueber keinen Künstler Hütte<lb/> man sich wohl weniger träumen lassen, gerade jetzt eine Monographie zu erhalten<lb/> als über Eduard Seelilie — er ist nämlich der „Madonnenmaler unserer<lb/> Zeit" —, den letzten bedeutenden Vertreter des Nazarenerthums. Aber warum<lb/> eigentlich nicht? Jeder Beitrag zur Kunstgeschichte ist ja schließlich willkommen,<lb/> und der Versasser mag nicht Unrecht haben, wenn er darüber klagt, daß über<lb/> Seelilie bisher nur allzuviel geschwiegen worden sei. Aber wie kommt gerade<lb/> Wurzbach dazu, über ihn zu reden? Jedenfalls ist das Buch herausgewachsen<lb/> ans dem biographischen Artikel, den der Verfasser für sein großes „Biogra¬<lb/> phisches Lexikon für Oesterreich" über Seelilie geschrieben hat, ähnlich wie<lb/> I. Meyer's „Correggio" aus dem Artikel über Correggio in seinem eignen<lb/> Künstlerlexikou. Aber welch' ein Unterschied! Dort eine künstlerisch durch¬<lb/> gearbeitete, abgerundete Biographie — hier eine Menge unverarbeitetes Material.</p><lb/> <p xml:id="ID_1267"> Wurzbach besitzt eine eminente und ganz spezifische Sammleranlage, mit<lb/> wahrem Bienenfleiß trägt er seinen Stoff zusammen, aber damit ist auch die<lb/> Grenze seines Könnens bezeichnet: es fehlt ihm an jedem Formtalent, innerem<lb/> wie äußerem. Die 150 Seiten, die nach Abzug der verschwenderisch einge¬<lb/> streuten weißen Blätter in seinem Buche übrig bleiben, werden von einem<lb/> unsäglich schwerfälligen Gerüste umspannt. Da heißt es: 1. Biographische<lb/> Skizze. 2. Verzeichniß der Werke. (I. Fresken und Wandgemälde. II. Car¬<lb/> tons und Farbenskizzen. III. Oelbilder. IV., Aquarelle. V. Zeichnungen.<lb/> VI. Radirungen — jede Unterabtheilung wieder mit so und so viel Unter¬<lb/> unterabtheilungen, die nach den Gegenständen der Darstellung geordnet sind.)<lb/> Nachbildungen der Werke des Künstlers. (I. In Kupfer- und Stahlstich.<lb/> II. In Lithographien. III. In Holzschnitt. IV. In Lichtdruck.) 4. Ausführ¬<lb/> lichere Beschreibung einiger der bedeutendsten Werke des Künstlers. 5. Kritische<lb/> Stimmen über Seelilie den Künstler. 6. Bildnisse des Künstlers. L. Quellen<lb/> zu seiner Biographie. 0. Quellen zur Kritik und Geschichte einzelner Werke.<lb/> 7. Chronologische Uebersicht der Werke Seelilie's. 8. Besitzer der Werke Seelilie's.<lb/> 9. Anmerkungen. — Jeder andere Biograph würde die^ Nummern 5 und 6<lb/> L und O auch benutzt, darauf verwiesen, ihre Mittheilung in «zxwnso aber sich<lb/> gewiß erspart, und statt dessen die daraus zu gewinnenden Resultate, mit 1 und 4<lb/> gehörig verarbeitet, in eine zusammenhängende Darstellung gebracht, alles<lb/> übrige in einem bescheidenen Anhang zugegeben haben. Wurzbach gibt uns<lb/> das ganze Rohmaterial, nachdem er es — worin augenscheinlich für ihn<lb/> nächst dem Sammeln das zweite Hauptvergnügen liegt — in numerirte<lb/> Fächer und Kästchen gepackt hat. Da mag es denn ein andrer später wieder<lb/> herauspacken, wenn er etwas Weiteres damit anfangen will.</p><lb/> <p xml:id="ID_1268" next="#ID_1269"> So wenig aber wie zu einer künstlerischen Darstellung erhebt sich der<lb/> Verfasser auch zu einem irgendwie selbständigen Urtheil. In den „Kritischen<lb/> Stimmen" läßt er wörtlich abdrucken, was außer Reder und Förster, „der Kunst¬<lb/> referent in der Kölnischen Zeitung", „der geistvolle Kunstkritiker im Miniatur-<lb/> Salon des Rheinischen Taschenbuches", ferner Elise Polko (!) und die Jllustrirte<lb/> Zeitung (!) über Seelilie geurtheilt haben. Kann alles dies aber mehr als ein<lb/> statistisches Interesse beanspruchen? Auffällig ist es, daß es dem Verfasser bei seinem<lb/> großen Spüreifer entgangen ist, daß Lützow's „Zeitschrift für bildende Kunst",<lb/> der der Verfasser den Vorwurf macht, sie habe in ihren „acht oder zehn Jahr¬<lb/> gängen" Seelilie's Namen immer nnr nebenbei erwähnt, im 5. Jahrgange (S. 54)</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0429]
Ein Madonnen-Maler unserer Zeit. Biographische Studie von Constant
von Wurzbach. Wien, Manz, 187S.
Ein seltsames Buch — in jeder Beziehung. Ueber keinen Künstler Hütte
man sich wohl weniger träumen lassen, gerade jetzt eine Monographie zu erhalten
als über Eduard Seelilie — er ist nämlich der „Madonnenmaler unserer
Zeit" —, den letzten bedeutenden Vertreter des Nazarenerthums. Aber warum
eigentlich nicht? Jeder Beitrag zur Kunstgeschichte ist ja schließlich willkommen,
und der Versasser mag nicht Unrecht haben, wenn er darüber klagt, daß über
Seelilie bisher nur allzuviel geschwiegen worden sei. Aber wie kommt gerade
Wurzbach dazu, über ihn zu reden? Jedenfalls ist das Buch herausgewachsen
ans dem biographischen Artikel, den der Verfasser für sein großes „Biogra¬
phisches Lexikon für Oesterreich" über Seelilie geschrieben hat, ähnlich wie
I. Meyer's „Correggio" aus dem Artikel über Correggio in seinem eignen
Künstlerlexikou. Aber welch' ein Unterschied! Dort eine künstlerisch durch¬
gearbeitete, abgerundete Biographie — hier eine Menge unverarbeitetes Material.
Wurzbach besitzt eine eminente und ganz spezifische Sammleranlage, mit
wahrem Bienenfleiß trägt er seinen Stoff zusammen, aber damit ist auch die
Grenze seines Könnens bezeichnet: es fehlt ihm an jedem Formtalent, innerem
wie äußerem. Die 150 Seiten, die nach Abzug der verschwenderisch einge¬
streuten weißen Blätter in seinem Buche übrig bleiben, werden von einem
unsäglich schwerfälligen Gerüste umspannt. Da heißt es: 1. Biographische
Skizze. 2. Verzeichniß der Werke. (I. Fresken und Wandgemälde. II. Car¬
tons und Farbenskizzen. III. Oelbilder. IV., Aquarelle. V. Zeichnungen.
VI. Radirungen — jede Unterabtheilung wieder mit so und so viel Unter¬
unterabtheilungen, die nach den Gegenständen der Darstellung geordnet sind.)
Nachbildungen der Werke des Künstlers. (I. In Kupfer- und Stahlstich.
II. In Lithographien. III. In Holzschnitt. IV. In Lichtdruck.) 4. Ausführ¬
lichere Beschreibung einiger der bedeutendsten Werke des Künstlers. 5. Kritische
Stimmen über Seelilie den Künstler. 6. Bildnisse des Künstlers. L. Quellen
zu seiner Biographie. 0. Quellen zur Kritik und Geschichte einzelner Werke.
7. Chronologische Uebersicht der Werke Seelilie's. 8. Besitzer der Werke Seelilie's.
9. Anmerkungen. — Jeder andere Biograph würde die^ Nummern 5 und 6
L und O auch benutzt, darauf verwiesen, ihre Mittheilung in «zxwnso aber sich
gewiß erspart, und statt dessen die daraus zu gewinnenden Resultate, mit 1 und 4
gehörig verarbeitet, in eine zusammenhängende Darstellung gebracht, alles
übrige in einem bescheidenen Anhang zugegeben haben. Wurzbach gibt uns
das ganze Rohmaterial, nachdem er es — worin augenscheinlich für ihn
nächst dem Sammeln das zweite Hauptvergnügen liegt — in numerirte
Fächer und Kästchen gepackt hat. Da mag es denn ein andrer später wieder
herauspacken, wenn er etwas Weiteres damit anfangen will.
So wenig aber wie zu einer künstlerischen Darstellung erhebt sich der
Verfasser auch zu einem irgendwie selbständigen Urtheil. In den „Kritischen
Stimmen" läßt er wörtlich abdrucken, was außer Reder und Förster, „der Kunst¬
referent in der Kölnischen Zeitung", „der geistvolle Kunstkritiker im Miniatur-
Salon des Rheinischen Taschenbuches", ferner Elise Polko (!) und die Jllustrirte
Zeitung (!) über Seelilie geurtheilt haben. Kann alles dies aber mehr als ein
statistisches Interesse beanspruchen? Auffällig ist es, daß es dem Verfasser bei seinem
großen Spüreifer entgangen ist, daß Lützow's „Zeitschrift für bildende Kunst",
der der Verfasser den Vorwurf macht, sie habe in ihren „acht oder zehn Jahr¬
gängen" Seelilie's Namen immer nnr nebenbei erwähnt, im 5. Jahrgange (S. 54)
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