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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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äußerste, um den heimatlosen Huronen Nahrung und Unterkunft zu beschaffen.
Aber ihr guter Wille ging über ihr Vermögen; denn Nahrungsmittel waren
auch in Quebek nur spärlich vorhanden, und so mußten die Jesuiten bei dem
Bemühen, die Unglücklichen am Leben zu erhalten, die Hauptlast tragen.

Die auf der Insel im Huronensee Zurückgebliebenen konnten sich, im Besitz
des steinernen Forts, eine Zeit lang der Angriffe der Irokesen erwehren, und
die List ihres Häuptlings Annaotaha brachte einer der feindlichen Streifschaaren
sogar eine empfindliche Niederlage bei. Indeß war auf die Dauer hier ihres
Bleibens nicht, und im Frühling 1651 fuhren auch sie den Ottawa und Se. Lorenz
hinab und schlössen sich ihren Landsleuten in Quebek an, die man inzwischen
unterhalb der Stadt in der Nähe der Südwestspitze der Insel Orleans ange¬
siedelt hatte. Sie erhielten Werkzeuge und Mais zur Aussaat, sie erholten sich
von ihrer Niedergeschlagenheit, und schon begann ihre Niederlassung einen
Anstrich von Wohlhabenheit zu gewinnen, als die Irokesen 1656 wieder einen
Angriff auf sie machten und eine große Anzahl von ihnen als Gefangene weg¬
schleppten. Diesem Unglück folgte vier Jahre später ein zweites, in welchem
ihre besten Krieger sammt ihrem Führer, jenem Annaotaha, Seite an Seite
mit den Franzosen in dem verzweifelten Treffen am Kap Sault kämpfend,
erschlagen wurden.

Darauf siedelte man den Rest der Huronen, der sich durch einige bisher
wandernde Banden verstärkt hatte und so immer noch etliche hundert Köpfe zählte,
dicht unter dem Fort von Quebek in einer Palissadenumzäunung an. Hier
blieben sie ungesähr zehn Jahre, worauf man sie, da die Zeiten ruhiger und
weniger gefahrvoll geworden waren, nach einem vier Meilen von Quebek ent¬
fernten, Notredame de Foy genannten Orte führte. Sechs Jahre später, nachdem
hier der Wald abgeholzt und der Boden ausgesogen war, änderten sie abermals
ihren Wohnsitz und ließen sich unter dem Schutz der Jesuiten, der Besitzer des
Landes, neun Meilen von Quebek in Old Lorette nieder.

Damals war Chaumonot ihr Missionär. Dieser war ein besonderer Verehrer
unsrer lieben Frau von Loretto, die ihn, wie er glaubte, in seiner unsteten
Knabenzeit von schwerer Krankheit geheilt hatte. Stets war sein Wunsch
gewesen, ihr in Kanada eine Kapelle nach dem Muster des heiligen Hauses in
Loretto zu erbauen, das bekanntlich nach der Legende von Nazareth, wo es
Maria und Joseph zur Wohnung gedient, durch Engelshände nach Italien
getragen wurde. Chaumonot eröffnete seinen Plan seinen Jesuiteubrüdern, die
darüber entzückt waren. Der Ban der Kapelle wurde sofort begonnen, und ein
Wunder unterstützte die Beschaffung der nöthigen Geldmittel. Die Kapelle
glich vollständig ihrem italienischen Vorbilde und stand in der Mitte eines
Quadrats, dessen vier Seiten von den Rindenhütten der Indianer gebildet


äußerste, um den heimatlosen Huronen Nahrung und Unterkunft zu beschaffen.
Aber ihr guter Wille ging über ihr Vermögen; denn Nahrungsmittel waren
auch in Quebek nur spärlich vorhanden, und so mußten die Jesuiten bei dem
Bemühen, die Unglücklichen am Leben zu erhalten, die Hauptlast tragen.

Die auf der Insel im Huronensee Zurückgebliebenen konnten sich, im Besitz
des steinernen Forts, eine Zeit lang der Angriffe der Irokesen erwehren, und
die List ihres Häuptlings Annaotaha brachte einer der feindlichen Streifschaaren
sogar eine empfindliche Niederlage bei. Indeß war auf die Dauer hier ihres
Bleibens nicht, und im Frühling 1651 fuhren auch sie den Ottawa und Se. Lorenz
hinab und schlössen sich ihren Landsleuten in Quebek an, die man inzwischen
unterhalb der Stadt in der Nähe der Südwestspitze der Insel Orleans ange¬
siedelt hatte. Sie erhielten Werkzeuge und Mais zur Aussaat, sie erholten sich
von ihrer Niedergeschlagenheit, und schon begann ihre Niederlassung einen
Anstrich von Wohlhabenheit zu gewinnen, als die Irokesen 1656 wieder einen
Angriff auf sie machten und eine große Anzahl von ihnen als Gefangene weg¬
schleppten. Diesem Unglück folgte vier Jahre später ein zweites, in welchem
ihre besten Krieger sammt ihrem Führer, jenem Annaotaha, Seite an Seite
mit den Franzosen in dem verzweifelten Treffen am Kap Sault kämpfend,
erschlagen wurden.

Darauf siedelte man den Rest der Huronen, der sich durch einige bisher
wandernde Banden verstärkt hatte und so immer noch etliche hundert Köpfe zählte,
dicht unter dem Fort von Quebek in einer Palissadenumzäunung an. Hier
blieben sie ungesähr zehn Jahre, worauf man sie, da die Zeiten ruhiger und
weniger gefahrvoll geworden waren, nach einem vier Meilen von Quebek ent¬
fernten, Notredame de Foy genannten Orte führte. Sechs Jahre später, nachdem
hier der Wald abgeholzt und der Boden ausgesogen war, änderten sie abermals
ihren Wohnsitz und ließen sich unter dem Schutz der Jesuiten, der Besitzer des
Landes, neun Meilen von Quebek in Old Lorette nieder.

Damals war Chaumonot ihr Missionär. Dieser war ein besonderer Verehrer
unsrer lieben Frau von Loretto, die ihn, wie er glaubte, in seiner unsteten
Knabenzeit von schwerer Krankheit geheilt hatte. Stets war sein Wunsch
gewesen, ihr in Kanada eine Kapelle nach dem Muster des heiligen Hauses in
Loretto zu erbauen, das bekanntlich nach der Legende von Nazareth, wo es
Maria und Joseph zur Wohnung gedient, durch Engelshände nach Italien
getragen wurde. Chaumonot eröffnete seinen Plan seinen Jesuiteubrüdern, die
darüber entzückt waren. Der Ban der Kapelle wurde sofort begonnen, und ein
Wunder unterstützte die Beschaffung der nöthigen Geldmittel. Die Kapelle
glich vollständig ihrem italienischen Vorbilde und stand in der Mitte eines
Quadrats, dessen vier Seiten von den Rindenhütten der Indianer gebildet


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[0426] äußerste, um den heimatlosen Huronen Nahrung und Unterkunft zu beschaffen. Aber ihr guter Wille ging über ihr Vermögen; denn Nahrungsmittel waren auch in Quebek nur spärlich vorhanden, und so mußten die Jesuiten bei dem Bemühen, die Unglücklichen am Leben zu erhalten, die Hauptlast tragen. Die auf der Insel im Huronensee Zurückgebliebenen konnten sich, im Besitz des steinernen Forts, eine Zeit lang der Angriffe der Irokesen erwehren, und die List ihres Häuptlings Annaotaha brachte einer der feindlichen Streifschaaren sogar eine empfindliche Niederlage bei. Indeß war auf die Dauer hier ihres Bleibens nicht, und im Frühling 1651 fuhren auch sie den Ottawa und Se. Lorenz hinab und schlössen sich ihren Landsleuten in Quebek an, die man inzwischen unterhalb der Stadt in der Nähe der Südwestspitze der Insel Orleans ange¬ siedelt hatte. Sie erhielten Werkzeuge und Mais zur Aussaat, sie erholten sich von ihrer Niedergeschlagenheit, und schon begann ihre Niederlassung einen Anstrich von Wohlhabenheit zu gewinnen, als die Irokesen 1656 wieder einen Angriff auf sie machten und eine große Anzahl von ihnen als Gefangene weg¬ schleppten. Diesem Unglück folgte vier Jahre später ein zweites, in welchem ihre besten Krieger sammt ihrem Führer, jenem Annaotaha, Seite an Seite mit den Franzosen in dem verzweifelten Treffen am Kap Sault kämpfend, erschlagen wurden. Darauf siedelte man den Rest der Huronen, der sich durch einige bisher wandernde Banden verstärkt hatte und so immer noch etliche hundert Köpfe zählte, dicht unter dem Fort von Quebek in einer Palissadenumzäunung an. Hier blieben sie ungesähr zehn Jahre, worauf man sie, da die Zeiten ruhiger und weniger gefahrvoll geworden waren, nach einem vier Meilen von Quebek ent¬ fernten, Notredame de Foy genannten Orte führte. Sechs Jahre später, nachdem hier der Wald abgeholzt und der Boden ausgesogen war, änderten sie abermals ihren Wohnsitz und ließen sich unter dem Schutz der Jesuiten, der Besitzer des Landes, neun Meilen von Quebek in Old Lorette nieder. Damals war Chaumonot ihr Missionär. Dieser war ein besonderer Verehrer unsrer lieben Frau von Loretto, die ihn, wie er glaubte, in seiner unsteten Knabenzeit von schwerer Krankheit geheilt hatte. Stets war sein Wunsch gewesen, ihr in Kanada eine Kapelle nach dem Muster des heiligen Hauses in Loretto zu erbauen, das bekanntlich nach der Legende von Nazareth, wo es Maria und Joseph zur Wohnung gedient, durch Engelshände nach Italien getragen wurde. Chaumonot eröffnete seinen Plan seinen Jesuiteubrüdern, die darüber entzückt waren. Der Ban der Kapelle wurde sofort begonnen, und ein Wunder unterstützte die Beschaffung der nöthigen Geldmittel. Die Kapelle glich vollständig ihrem italienischen Vorbilde und stand in der Mitte eines Quadrats, dessen vier Seiten von den Rindenhütten der Indianer gebildet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/426>, abgerufen am 27.07.2024.