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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Palissaden befindlichen Huronen zählten nicht viel mehr als anderthalbhundert
Mann, und die meisten waren nur mit Pfeil und Bogen, Streitäxten und
Messern bewaffnet, während die Gegner dreimal so stark waren und größten-
theils holländische Gewehre hatten. Jene aber vertheidigten sich mit dem Muthe
der Verzweifelung, machten wiederholt wüthende Ausfälle und trieben den Feind
mehrmals zurück. Der Kundschafter von Sainte Marie vernahm, als er sich
horchend uuter dem Schatten des Fichtenwaldes nach dem Erdboden hinneigte,
bis tief in die Nacht hinein das Getöse der Schlacht. Der vornehmste der
Häuptlinge des Jrokesenheeres war schwer verwundet, und fast 100 von seinen
Kriegern bedeckten als Leichen die Wahlstatt. Als die Uebermacht endlich siegte,
waren von den Gegnern nur noch einige zwanzig am Leben. Die übrigen
lagen todt neben den umgerissenen Palissaden, die sie so unerschrocken verthei¬
digt hatten.

Wieder wachten und beteten die Jesuiten in Sainte Marie die ganze Nacht
hindurch, und die Priester unter ihnen gelobten dem heiligen Joseph, dessen
Jahresfest der nächste Morgen bringen sollte, ein Jahr lang jeden Monat so
viele Messen zu lesen, als ihre Zahl betrug. Und siehe da, der gefurchtste An¬
griff der Irokesen unterblieb. Der heilige Joseph hatte, wie die einen sagten,
ein Wunder gethan. Die Feinde hatten, wie die andern prosaischer meinten,
ihre Siege zu theuer erkauft, sie waren sehr geschwächt, und sie hatten die 700
Huronen zu fürchten, welche sich in der großen Stadt Se. Michel gesammelt
und, von einer aus den Flammen von Se. Joseph entkommenen alten Squaw
auf ihre Spur geleitet, sich gegen sie in Marsch gesetzt hatten. Wirklich traten
die Irokesen eilig den Rückzug in ihr Land an. Vorher hatten sie freilich
noch Zeit gefunden, einen großen Theil ihrer Gefangenen, Alt und Jung,
Männer und Weiber, in den Häusern von Se. Ignaz an Pfähle zu binden
und die Stadt anzuzünden. Hier fanden die Jesuiten von Sainte Marie am
20. Mürz zunächst die halbverkohlter Leichname dieser Unglücklichen und nicht
weit davon die Reste von Brebeuf und Lalemant.

Von hnronischen Freunden, die in die Gefangenschaft der Irokesen gerathen
waren, sich aber bei dem verwirrten Rückzüge derselben davon gemacht hatten,
erfuhr man, wie die beiden Märtyrer gestorben waren. Am Nachmittag des
16. März wurde Brebeuf bei Seite geführt und an einen Pfahl gebunden.
Er schien weniger um sich als um die christlichen Huronen, die mit ihm in
Gefangenschaft gerathen waren, besorgt zu sein; denn mit lauter Stimme
ermahnte er sie zu geduldigen Leiden und verhieß den standhaften das Para¬
dies. Erzürnt versengten ihm die Irokesen Kopf und Füße, und als er ihnen
dafür im Tone eines Gebieters und mit unerschrockener Miene mit den ewigen
Höllenstrafen drohte, schnitten sie ihm die Unterlippe ab und stießen ihm ein


Palissaden befindlichen Huronen zählten nicht viel mehr als anderthalbhundert
Mann, und die meisten waren nur mit Pfeil und Bogen, Streitäxten und
Messern bewaffnet, während die Gegner dreimal so stark waren und größten-
theils holländische Gewehre hatten. Jene aber vertheidigten sich mit dem Muthe
der Verzweifelung, machten wiederholt wüthende Ausfälle und trieben den Feind
mehrmals zurück. Der Kundschafter von Sainte Marie vernahm, als er sich
horchend uuter dem Schatten des Fichtenwaldes nach dem Erdboden hinneigte,
bis tief in die Nacht hinein das Getöse der Schlacht. Der vornehmste der
Häuptlinge des Jrokesenheeres war schwer verwundet, und fast 100 von seinen
Kriegern bedeckten als Leichen die Wahlstatt. Als die Uebermacht endlich siegte,
waren von den Gegnern nur noch einige zwanzig am Leben. Die übrigen
lagen todt neben den umgerissenen Palissaden, die sie so unerschrocken verthei¬
digt hatten.

Wieder wachten und beteten die Jesuiten in Sainte Marie die ganze Nacht
hindurch, und die Priester unter ihnen gelobten dem heiligen Joseph, dessen
Jahresfest der nächste Morgen bringen sollte, ein Jahr lang jeden Monat so
viele Messen zu lesen, als ihre Zahl betrug. Und siehe da, der gefurchtste An¬
griff der Irokesen unterblieb. Der heilige Joseph hatte, wie die einen sagten,
ein Wunder gethan. Die Feinde hatten, wie die andern prosaischer meinten,
ihre Siege zu theuer erkauft, sie waren sehr geschwächt, und sie hatten die 700
Huronen zu fürchten, welche sich in der großen Stadt Se. Michel gesammelt
und, von einer aus den Flammen von Se. Joseph entkommenen alten Squaw
auf ihre Spur geleitet, sich gegen sie in Marsch gesetzt hatten. Wirklich traten
die Irokesen eilig den Rückzug in ihr Land an. Vorher hatten sie freilich
noch Zeit gefunden, einen großen Theil ihrer Gefangenen, Alt und Jung,
Männer und Weiber, in den Häusern von Se. Ignaz an Pfähle zu binden
und die Stadt anzuzünden. Hier fanden die Jesuiten von Sainte Marie am
20. Mürz zunächst die halbverkohlter Leichname dieser Unglücklichen und nicht
weit davon die Reste von Brebeuf und Lalemant.

Von hnronischen Freunden, die in die Gefangenschaft der Irokesen gerathen
waren, sich aber bei dem verwirrten Rückzüge derselben davon gemacht hatten,
erfuhr man, wie die beiden Märtyrer gestorben waren. Am Nachmittag des
16. März wurde Brebeuf bei Seite geführt und an einen Pfahl gebunden.
Er schien weniger um sich als um die christlichen Huronen, die mit ihm in
Gefangenschaft gerathen waren, besorgt zu sein; denn mit lauter Stimme
ermahnte er sie zu geduldigen Leiden und verhieß den standhaften das Para¬
dies. Erzürnt versengten ihm die Irokesen Kopf und Füße, und als er ihnen
dafür im Tone eines Gebieters und mit unerschrockener Miene mit den ewigen
Höllenstrafen drohte, schnitten sie ihm die Unterlippe ab und stießen ihm ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/421>, abgerufen am 28.07.2024.