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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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welcher Feuerbach bis auf den heutigen Tag festgehalten hat. Diese grauen,
sich oft zum Grünlichen neigenden Töne umspielen die Konturen und hüllen
die Lokalfarben in einen dampfenden Schleier. Sie dominiren oft so sehr, daß
sie den Grundton des ganzen Gemäldes angeben. Freilich wird die Stimmung
dieses oder jenes elegisch oder melancholisch gefärbten Bildes durch den grauen
Gesammtton noch gehoben. Aber auf die Dauer wird diese Vorliebe für graue
Abtönungen zu einer leidigen Manier, welche allen Bildern Feuerbach's den
Stempel des Greisenhaften aufdrückt. Es scheint, als ob die Absicht des Malers
dahin ginge, dem kühlen Geiste der Antike durch Dämpfung der Farben mög¬
lichst nahe zu kommen und die Augen des Beschauers von den Reizen des
Kolorits ab- und ausschließlich auf die Plastik der Formen und die Linien
der Komposition zu lenken, welche er den griechischen Reliefs abgesehen hat.

Ein Stipendium der badischen Regierung machte es dem jungen Künstler
möglich, im Jahre 1854 nach Venedig zu gehen. Doch erfreute er sich dieses
Benefiziums nicht allzulange, da eine Kopie von Tizian's "Himmelfahrt",
welche er in Venedig gemalt und nach Karlsruhe als Ausweis seines Stndien-
fleißes geschickt hatte, an maßgebender Stelle so wenig gefiel, daß man ihm
das Stipendium wieder entzog. Die Figur einer "Poesie", eine selbständige
Komposition, welche er gleichfalls mit einschickte, fand ebensowenig Gnade vor
den Augen der Akademiker, die dort vielleicht an den grauen Tönen, hier an
der mehr plastischen als koloristischen Behandlung Anstoß nahmen. Wie
Feuerbach's Biograph, Friedrich Pecht, erzählt, wurde das Bild in eine
Rumpelkammer gesteckt, wo es lange Jahre blieb. "Obgleich durch diese un-
vvrgesehene Ungnade fast aller Mittel bar -- erzählt Pecht weiter --, ließ
sich der Künstler im Vollgefühl seiner Kraft und seines Berufes doch nicht
abschrecken und wanderte mit hundert Franken in der Tasche nach Rom
(1855) ... Er hatte den Muth, lieber die Dornenkrone langjähriger Mi߬
handlung auf sich zu nehmen, als seine künstlerischen Ueberzeugungen zu ver¬
leugnen." Was aber auf der einen Seite als ehrenwerthe Charakterfestigkeit
gilt, kann nach der anderen Seite leicht in Starrsinn und schadenbringende
Einseitigkeit umschlagen. Der graue Schleier, welchen Feuerbach in unbeug¬
samen Festhalten an seinem "Prinzip" über sein Kolorit breitete, sollte nach¬
mals ein gut Theil seines Ruhmes verdunkeln.

Mit welchem Eifer sich Feuerbach in Rom dem Studium Raffael's und
der römischen Frauennatur hingab, davon legte sein erstes größeres, in Rom
vollendetes Werk: "Dante in Ravenna" (1857) ein beredtes Zeugniß ab. In
der Abenddämmerung lustwandelt der Dichter der göttlichen Komödie, auf dessen
linke Schulter sich, in tiefes, schmerzliches Sinnen verloren, seine Tochter lehnt,
in einer Landschaft, deren Horizont von Bergen umsäumt wird. Zu seiner


welcher Feuerbach bis auf den heutigen Tag festgehalten hat. Diese grauen,
sich oft zum Grünlichen neigenden Töne umspielen die Konturen und hüllen
die Lokalfarben in einen dampfenden Schleier. Sie dominiren oft so sehr, daß
sie den Grundton des ganzen Gemäldes angeben. Freilich wird die Stimmung
dieses oder jenes elegisch oder melancholisch gefärbten Bildes durch den grauen
Gesammtton noch gehoben. Aber auf die Dauer wird diese Vorliebe für graue
Abtönungen zu einer leidigen Manier, welche allen Bildern Feuerbach's den
Stempel des Greisenhaften aufdrückt. Es scheint, als ob die Absicht des Malers
dahin ginge, dem kühlen Geiste der Antike durch Dämpfung der Farben mög¬
lichst nahe zu kommen und die Augen des Beschauers von den Reizen des
Kolorits ab- und ausschließlich auf die Plastik der Formen und die Linien
der Komposition zu lenken, welche er den griechischen Reliefs abgesehen hat.

Ein Stipendium der badischen Regierung machte es dem jungen Künstler
möglich, im Jahre 1854 nach Venedig zu gehen. Doch erfreute er sich dieses
Benefiziums nicht allzulange, da eine Kopie von Tizian's „Himmelfahrt",
welche er in Venedig gemalt und nach Karlsruhe als Ausweis seines Stndien-
fleißes geschickt hatte, an maßgebender Stelle so wenig gefiel, daß man ihm
das Stipendium wieder entzog. Die Figur einer „Poesie", eine selbständige
Komposition, welche er gleichfalls mit einschickte, fand ebensowenig Gnade vor
den Augen der Akademiker, die dort vielleicht an den grauen Tönen, hier an
der mehr plastischen als koloristischen Behandlung Anstoß nahmen. Wie
Feuerbach's Biograph, Friedrich Pecht, erzählt, wurde das Bild in eine
Rumpelkammer gesteckt, wo es lange Jahre blieb. „Obgleich durch diese un-
vvrgesehene Ungnade fast aller Mittel bar — erzählt Pecht weiter —, ließ
sich der Künstler im Vollgefühl seiner Kraft und seines Berufes doch nicht
abschrecken und wanderte mit hundert Franken in der Tasche nach Rom
(1855) ... Er hatte den Muth, lieber die Dornenkrone langjähriger Mi߬
handlung auf sich zu nehmen, als seine künstlerischen Ueberzeugungen zu ver¬
leugnen." Was aber auf der einen Seite als ehrenwerthe Charakterfestigkeit
gilt, kann nach der anderen Seite leicht in Starrsinn und schadenbringende
Einseitigkeit umschlagen. Der graue Schleier, welchen Feuerbach in unbeug¬
samen Festhalten an seinem „Prinzip" über sein Kolorit breitete, sollte nach¬
mals ein gut Theil seines Ruhmes verdunkeln.

Mit welchem Eifer sich Feuerbach in Rom dem Studium Raffael's und
der römischen Frauennatur hingab, davon legte sein erstes größeres, in Rom
vollendetes Werk: „Dante in Ravenna" (1857) ein beredtes Zeugniß ab. In
der Abenddämmerung lustwandelt der Dichter der göttlichen Komödie, auf dessen
linke Schulter sich, in tiefes, schmerzliches Sinnen verloren, seine Tochter lehnt,
in einer Landschaft, deren Horizont von Bergen umsäumt wird. Zu seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/42>, abgerufen am 24.11.2024.