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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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schwarz und gelb, Pumphvse, Wämslein, Mantel und Federstuzhut." Aber
nach wenigen Stunden muß er hinzusetzen: "In Brunnen gefallen wie ich's
ahndete. Meine Masque wird nicht gemacht. Lili kommt nicht auf den Bal.
Aber dürft ich, könnt ich alles sagen! -- Ich thats sie zu ehren weil ich
deklarirt für sie bin, und eines Mädgens Herz u. s. w. Ich thats auch halb aus
Truz, weil wir nicht sonderlich stehn die acht Tage her." Am 16. September
berichtet er: "ich that was, Lili eine kleine Freude zu machen -- wahrscheinlich
war das Geschenk eingetroffen, das Tauenden Fcchlmer besorgen sollte -- . .
Gehe jetzt nach Offenbach, um Lili heute Abend nicht in der Comödie morgen
nicht im Conzert zu sehen", und am Abend desselben Tages: "Es ist nun so!
ich Sizze wieder an dem Schreibtischgen von dem ich Ihnen schrieb eh' ich in die
Schweiz ging." Am 18. September Abends klagt er: "Lili heut nach Tisch
gesehn in der Comödie gesehn. Hab kein Wort mit ihr zu reden gehabt
-- auch nichts geredt! -- Wär ich das los. O Gustgen -- und doch zittr'
ich vor dem Augenbick da sie mir gleichgültig, ich hofnungslos werden könnte.
-- Aber ich bleib meinem Herzen treu, und lass es gehn -- Es wird --",
und am Morgen des Balltages selbst: "ich lasse mich treiben, und halte nur
das Steuer dass ich nicht Strande. Doch bin ich gestrandet, ich kann von dem
Mädchen nicht ab -- heut früh regt sich's wieder zu ihrem Vortheil in meinem
Herzen." Er ging dann doch auf den Ball, "aber nur im leichten Domino".
Lili kam nicht. Am nächsten Abend sah er sie wieder in der Comödie: "Lili
sieben Worte gesagt."

Aus diesen Briefsteller läßt sich ahnen, wenn auch nicht mit völliger
Sicherheit folgern, welchen Verlauf das Verhältniß gegen den Ausgang hin
genommen haben mag. Daß die Liebenden über irgend etwas in Streit gerathen
und dies für Lili den Anlaß zu längerem Schmollen gegeben habe, ist
schwerlich anzunehmen. Wahrscheinlich hatte Frau Schönemann sich sest vor¬
genommen, die Sache nicht in den Winter hinüberspielen zu lassen, und sprach,
als die Sommerfrische in Offenbach ihr Ende fand und Lili nach der Stadt
zurückkehrte, sofort in dieser Richtung ein Machtwort. Vielleicht war die Ange¬
legenheit auch im Kreise der Freunde des Hauses, welche die Herbstmesse aufs
neue herbeigeführt hatte, verhandelt worden, vielleicht hatte die Mutter mit der
energischen Hausfreundin, Fräulein Delf, die sich jedenfalls jetzt auch wieder
einstellte, sich geeinigt. So viel scheint ans allem hervorzugehen, daß die Mutter
fortan längere Begegnungen ihrer Tochter mit Goethe zu vereiteln wußte, und
daß, wo sich dergleichen nicht ganz vermeiden ließ, Lili angewiesen war, ihr
Betragen gegen ihn zu ändern, ihm kühler und zurückhaltender gegenüber¬
zutreten. Lili fügte sich tapfer -- es mag ihr schwer genug geworden sein --
und erleichterte so dem Unentschlossenen seinen Rücktritt. Eine Weile lang ging


schwarz und gelb, Pumphvse, Wämslein, Mantel und Federstuzhut." Aber
nach wenigen Stunden muß er hinzusetzen: „In Brunnen gefallen wie ich's
ahndete. Meine Masque wird nicht gemacht. Lili kommt nicht auf den Bal.
Aber dürft ich, könnt ich alles sagen! — Ich thats sie zu ehren weil ich
deklarirt für sie bin, und eines Mädgens Herz u. s. w. Ich thats auch halb aus
Truz, weil wir nicht sonderlich stehn die acht Tage her." Am 16. September
berichtet er: „ich that was, Lili eine kleine Freude zu machen — wahrscheinlich
war das Geschenk eingetroffen, das Tauenden Fcchlmer besorgen sollte — . .
Gehe jetzt nach Offenbach, um Lili heute Abend nicht in der Comödie morgen
nicht im Conzert zu sehen", und am Abend desselben Tages: „Es ist nun so!
ich Sizze wieder an dem Schreibtischgen von dem ich Ihnen schrieb eh' ich in die
Schweiz ging." Am 18. September Abends klagt er: „Lili heut nach Tisch
gesehn in der Comödie gesehn. Hab kein Wort mit ihr zu reden gehabt
— auch nichts geredt! — Wär ich das los. O Gustgen — und doch zittr'
ich vor dem Augenbick da sie mir gleichgültig, ich hofnungslos werden könnte.
— Aber ich bleib meinem Herzen treu, und lass es gehn — Es wird —",
und am Morgen des Balltages selbst: „ich lasse mich treiben, und halte nur
das Steuer dass ich nicht Strande. Doch bin ich gestrandet, ich kann von dem
Mädchen nicht ab — heut früh regt sich's wieder zu ihrem Vortheil in meinem
Herzen." Er ging dann doch auf den Ball, „aber nur im leichten Domino".
Lili kam nicht. Am nächsten Abend sah er sie wieder in der Comödie: „Lili
sieben Worte gesagt."

Aus diesen Briefsteller läßt sich ahnen, wenn auch nicht mit völliger
Sicherheit folgern, welchen Verlauf das Verhältniß gegen den Ausgang hin
genommen haben mag. Daß die Liebenden über irgend etwas in Streit gerathen
und dies für Lili den Anlaß zu längerem Schmollen gegeben habe, ist
schwerlich anzunehmen. Wahrscheinlich hatte Frau Schönemann sich sest vor¬
genommen, die Sache nicht in den Winter hinüberspielen zu lassen, und sprach,
als die Sommerfrische in Offenbach ihr Ende fand und Lili nach der Stadt
zurückkehrte, sofort in dieser Richtung ein Machtwort. Vielleicht war die Ange¬
legenheit auch im Kreise der Freunde des Hauses, welche die Herbstmesse aufs
neue herbeigeführt hatte, verhandelt worden, vielleicht hatte die Mutter mit der
energischen Hausfreundin, Fräulein Delf, die sich jedenfalls jetzt auch wieder
einstellte, sich geeinigt. So viel scheint ans allem hervorzugehen, daß die Mutter
fortan längere Begegnungen ihrer Tochter mit Goethe zu vereiteln wußte, und
daß, wo sich dergleichen nicht ganz vermeiden ließ, Lili angewiesen war, ihr
Betragen gegen ihn zu ändern, ihm kühler und zurückhaltender gegenüber¬
zutreten. Lili fügte sich tapfer — es mag ihr schwer genug geworden sein —
und erleichterte so dem Unentschlossenen seinen Rücktritt. Eine Weile lang ging


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/400>, abgerufen am 27.07.2024.