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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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in menschenähnlicher Gestalt, bisweilen als Bären, Wölfe oder wilde Katzen.
Wenn er Gott anrief, verschwanden sie. Oft drohte ihm der Tod als Gerippe,
und wenn er ihn dann fest anblickte, fiel er ihm machtlos zu Füßen. Engel
stiegen vor ihm herab, und mehr als ein Mal waren die heilige Gottesmutter
und Se. Joseph seinen Augen sichtbar. Einst sah er über dem Walde am
Himmel ein großes Kreuz, das sich langsam von der Gegend des Jrokesenlandes
auf ihn zu bewegte. "Wie groß war es?" fragten die Geführten, als er ihnen
die Vision mittheilte. "Groß genug," erwiederte er, "daß wir alle daran ge¬
kreuzigt werden konnten."

Im Mai 1637 erlebten die Jesuiten in Ossossane einen großen Triumph,
dem aber bald eine ebenso große Gefahr folgte. Sie weihten ihre dort erbaute
neue Kapelle ein und tauften bei dieser Gelegenheit uuter starkem Zulauf, den
die Bilder und Metallzieraten des Hauses veranlaßt, zum ersten Male einen
angesehenen und einflußreichen Huronen. Die Feier machte tiefen Eindruck
auf die indianischen Zuschauer. Das Eis schien gebrochen, es wollte Tag
werden in der langen Nacht des Heidenthums.

Aber Eins hatte man übersehen. Der Teufel war aufgescheucht, er fuhr
in jenen zwerghaften Zauberer, um aus dessen Munde mit all' seiner hölli¬
schen List und Bosheit für die Erhaltung seiner Herrschaft zu kämpfen. Er
verbreitete die Lüge, die Jesuiten seien die Urheber der Seuche, welche die
ganze Nation mit Vernichtung bedrohte, und er fand Glauben damit. Es
hieß, sie hielten in ihrem Hause einen Leichnam verborgen, der das Land ver¬
peste; nach Andern war's ein Dämon in Gestalt eines Frosches oder einer
Schlange, der ihnen zur Vergiftung des Volkes diente; wieder Andere wußten,
sie hätten einen Säugling mit Pfriemen zu Tode gestochen, um durch solchen
Zauber die Huronenkinder zu tödten. Auch das Bild des jüngsten Gerichts,
das sich in ihrer Kapelle befand, und auf dem man Drachen die Sünder ver¬
schlingen sah, die Wetterfahne, die sie auf dem Wipfel einer Pechtanne vor ihrer
Wohnung befestigt hatten, und selbst ihre Wanduhr galten für Zaubermittel.
Ihre Freunde sahen die Priester scheel und scheu an, ihre Feinde forderten ihr
Leben. Auf der Straße wurden sie geschmäht und gescholten. Kinder warfen
sie mit Knütteln und Schneeballen, und die Kranken, die sie besuchten, versteckten
die Köpfe unter ihre Decke.

Die Jesuiten ließen sich dadurch von ihren Taufversuchen nicht abhalten,
und wo es irgend anging, benetzten sie selbst Widerwillige mit ein paar Tropfen
Wassers, um abermals "eine Seele den Klauen des höllischen Wolfes zu ent¬
reißen". Aber immer größer wurde die Gefahr für sie. Jeden Augenblick
konnten sie gewärtig sein, daß ein Wilder, wenn sie aus der Thür traten, seine
Streitaxt in ihrem Schädel begrub. Schon trafen sie Vorkehrungen sür den


in menschenähnlicher Gestalt, bisweilen als Bären, Wölfe oder wilde Katzen.
Wenn er Gott anrief, verschwanden sie. Oft drohte ihm der Tod als Gerippe,
und wenn er ihn dann fest anblickte, fiel er ihm machtlos zu Füßen. Engel
stiegen vor ihm herab, und mehr als ein Mal waren die heilige Gottesmutter
und Se. Joseph seinen Augen sichtbar. Einst sah er über dem Walde am
Himmel ein großes Kreuz, das sich langsam von der Gegend des Jrokesenlandes
auf ihn zu bewegte. „Wie groß war es?" fragten die Geführten, als er ihnen
die Vision mittheilte. „Groß genug," erwiederte er, „daß wir alle daran ge¬
kreuzigt werden konnten."

Im Mai 1637 erlebten die Jesuiten in Ossossane einen großen Triumph,
dem aber bald eine ebenso große Gefahr folgte. Sie weihten ihre dort erbaute
neue Kapelle ein und tauften bei dieser Gelegenheit uuter starkem Zulauf, den
die Bilder und Metallzieraten des Hauses veranlaßt, zum ersten Male einen
angesehenen und einflußreichen Huronen. Die Feier machte tiefen Eindruck
auf die indianischen Zuschauer. Das Eis schien gebrochen, es wollte Tag
werden in der langen Nacht des Heidenthums.

Aber Eins hatte man übersehen. Der Teufel war aufgescheucht, er fuhr
in jenen zwerghaften Zauberer, um aus dessen Munde mit all' seiner hölli¬
schen List und Bosheit für die Erhaltung seiner Herrschaft zu kämpfen. Er
verbreitete die Lüge, die Jesuiten seien die Urheber der Seuche, welche die
ganze Nation mit Vernichtung bedrohte, und er fand Glauben damit. Es
hieß, sie hielten in ihrem Hause einen Leichnam verborgen, der das Land ver¬
peste; nach Andern war's ein Dämon in Gestalt eines Frosches oder einer
Schlange, der ihnen zur Vergiftung des Volkes diente; wieder Andere wußten,
sie hätten einen Säugling mit Pfriemen zu Tode gestochen, um durch solchen
Zauber die Huronenkinder zu tödten. Auch das Bild des jüngsten Gerichts,
das sich in ihrer Kapelle befand, und auf dem man Drachen die Sünder ver¬
schlingen sah, die Wetterfahne, die sie auf dem Wipfel einer Pechtanne vor ihrer
Wohnung befestigt hatten, und selbst ihre Wanduhr galten für Zaubermittel.
Ihre Freunde sahen die Priester scheel und scheu an, ihre Feinde forderten ihr
Leben. Auf der Straße wurden sie geschmäht und gescholten. Kinder warfen
sie mit Knütteln und Schneeballen, und die Kranken, die sie besuchten, versteckten
die Köpfe unter ihre Decke.

Die Jesuiten ließen sich dadurch von ihren Taufversuchen nicht abhalten,
und wo es irgend anging, benetzten sie selbst Widerwillige mit ein paar Tropfen
Wassers, um abermals „eine Seele den Klauen des höllischen Wolfes zu ent¬
reißen". Aber immer größer wurde die Gefahr für sie. Jeden Augenblick
konnten sie gewärtig sein, daß ein Wilder, wenn sie aus der Thür traten, seine
Streitaxt in ihrem Schädel begrub. Schon trafen sie Vorkehrungen sür den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/385>, abgerufen am 27.11.2024.