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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Die Kunde von diesen Wunderdingen verbreitete sich über das ganze
Huronenland, und von allen Seiten erhielten die "Schwarzröcke" aus dem
Lande der Bleichgesichter Besuche von Neugierigen, die nicht müde wurden, die
Mühle zu drehen. Andere staunenswerthe Gegenstände im Hause waren ein
Prisma, ein Magnet, ein Vergrößerungsglas, welches einen Floh in ein ent¬
setzliches Ungeheuer verwandelte, und eine Linse, die denselben Gegenstand 11
Mal wiederholt zeigte. Das Hauptwunderwerk aber bildete die Uhr. Die
Gäste hockten stundenlang in stummer Erwartung auf dem Erdboden, um sie
schlagen zu hören. Sie hielten sie sür lebendig und fragten, was sie esse.
Sobald der letzte Schlag ertönte, rief bisweilen ein Franzose "Halt!" und zu
höchster Verwunderung schwieg die gehorsame Uhr. "Was sagt der Kapitän?"
fragten die Huronen einmal, als die Uhr schlug. Die Missionäre antworteten:
"Wenn er 12 Mal ruft, heißt das: Hängt den Kessel auf! und wenn er sich
4 Mal hören läßt, sagt er: Geht heim." Darnach richteten sich die Besucher.
Um 12 Uhr fehlte es nie an Gästen, die aus dem Kessel der frommen Väter
"Sagamite", d, h. Maisschrotbrei, mit ihnen aßen; beim Schlage 4 erhoben
sie sich, um ihre Wirthe eine Zeit lang in Ruhe zu lassen. Dann besprachen
diese ihre Angelegenheiten, theilten sich ihre Erfahrungen in Betreff der Mission
mit und beschäftigten sich mit ihrer Vervollkommnung in der Sprache des Landes.

Während sie aber eifrig daran noch arbeiteten, gingen sie zugleich an die
Verwerthung der bereits erlangten Fertigkeit. Sobald jemand in der Stadt
krank wurde, eilten sie mit ihren spärlichen Medikamenten, die in der Hauptsache
aus einem Vorrathe von Sennesblättern bestanden, zur Hilfleistung herbei, und
wo es nur anging, fügten sie der irdischen Arzenei himmlische, Erklärung
christlicher Dogmen, Bilder von Paradies und Hölle und Ermahnungen zur
Annahme des Glaubens an Gott und die heilige Jungfrau, hinzu. Ihre
freundlichen Dienste beschränkten sich aber nicht hierauf. Die Huronen lebten
in beständiger Furcht vor ihren Erbfeinden, den Irokesen, und sobald sich das
Gerücht verbreitete, daß diese in starker Anzahl den Kriegspfad betreten, fuchten
sie Zuflucht in den benachbarten befestigten Städten. Die Jesuiten versprachen
ihnen den Beistand der vier mit Arkebusen bewaffneten Franzosen, die mit ihnen
gekommen waren. Auch riethen sie ihren indianischen Freunden, ihre Palissadeu-
forts nicht mehr rund, sondern rechtwinklig zu bauen und sie an den Ecken
mit kleinen Flankenthürmen zur Aufnahme der Arkebusiere zu versehen --
ein Rath, der sofort gutbefunden und bei der Anlage der großen Stadt Ossosscme
oder Rochelle befolgt wurde.

Bei jeder passenden Gelegenheit versammelten die Väter die Kinder des
Ortes in ihrem Hause. Dann legte Brebeuf zur Erhöhung der Feierlichkeit
seinen Talar und die eckige Kappe an, welche die Jesuiten in ihren Klöstern


Die Kunde von diesen Wunderdingen verbreitete sich über das ganze
Huronenland, und von allen Seiten erhielten die „Schwarzröcke" aus dem
Lande der Bleichgesichter Besuche von Neugierigen, die nicht müde wurden, die
Mühle zu drehen. Andere staunenswerthe Gegenstände im Hause waren ein
Prisma, ein Magnet, ein Vergrößerungsglas, welches einen Floh in ein ent¬
setzliches Ungeheuer verwandelte, und eine Linse, die denselben Gegenstand 11
Mal wiederholt zeigte. Das Hauptwunderwerk aber bildete die Uhr. Die
Gäste hockten stundenlang in stummer Erwartung auf dem Erdboden, um sie
schlagen zu hören. Sie hielten sie sür lebendig und fragten, was sie esse.
Sobald der letzte Schlag ertönte, rief bisweilen ein Franzose „Halt!" und zu
höchster Verwunderung schwieg die gehorsame Uhr. „Was sagt der Kapitän?"
fragten die Huronen einmal, als die Uhr schlug. Die Missionäre antworteten:
„Wenn er 12 Mal ruft, heißt das: Hängt den Kessel auf! und wenn er sich
4 Mal hören läßt, sagt er: Geht heim." Darnach richteten sich die Besucher.
Um 12 Uhr fehlte es nie an Gästen, die aus dem Kessel der frommen Väter
„Sagamite", d, h. Maisschrotbrei, mit ihnen aßen; beim Schlage 4 erhoben
sie sich, um ihre Wirthe eine Zeit lang in Ruhe zu lassen. Dann besprachen
diese ihre Angelegenheiten, theilten sich ihre Erfahrungen in Betreff der Mission
mit und beschäftigten sich mit ihrer Vervollkommnung in der Sprache des Landes.

Während sie aber eifrig daran noch arbeiteten, gingen sie zugleich an die
Verwerthung der bereits erlangten Fertigkeit. Sobald jemand in der Stadt
krank wurde, eilten sie mit ihren spärlichen Medikamenten, die in der Hauptsache
aus einem Vorrathe von Sennesblättern bestanden, zur Hilfleistung herbei, und
wo es nur anging, fügten sie der irdischen Arzenei himmlische, Erklärung
christlicher Dogmen, Bilder von Paradies und Hölle und Ermahnungen zur
Annahme des Glaubens an Gott und die heilige Jungfrau, hinzu. Ihre
freundlichen Dienste beschränkten sich aber nicht hierauf. Die Huronen lebten
in beständiger Furcht vor ihren Erbfeinden, den Irokesen, und sobald sich das
Gerücht verbreitete, daß diese in starker Anzahl den Kriegspfad betreten, fuchten
sie Zuflucht in den benachbarten befestigten Städten. Die Jesuiten versprachen
ihnen den Beistand der vier mit Arkebusen bewaffneten Franzosen, die mit ihnen
gekommen waren. Auch riethen sie ihren indianischen Freunden, ihre Palissadeu-
forts nicht mehr rund, sondern rechtwinklig zu bauen und sie an den Ecken
mit kleinen Flankenthürmen zur Aufnahme der Arkebusiere zu versehen —
ein Rath, der sofort gutbefunden und bei der Anlage der großen Stadt Ossosscme
oder Rochelle befolgt wurde.

Bei jeder passenden Gelegenheit versammelten die Väter die Kinder des
Ortes in ihrem Hause. Dann legte Brebeuf zur Erhöhung der Feierlichkeit
seinen Talar und die eckige Kappe an, welche die Jesuiten in ihren Klöstern


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[0381] Die Kunde von diesen Wunderdingen verbreitete sich über das ganze Huronenland, und von allen Seiten erhielten die „Schwarzröcke" aus dem Lande der Bleichgesichter Besuche von Neugierigen, die nicht müde wurden, die Mühle zu drehen. Andere staunenswerthe Gegenstände im Hause waren ein Prisma, ein Magnet, ein Vergrößerungsglas, welches einen Floh in ein ent¬ setzliches Ungeheuer verwandelte, und eine Linse, die denselben Gegenstand 11 Mal wiederholt zeigte. Das Hauptwunderwerk aber bildete die Uhr. Die Gäste hockten stundenlang in stummer Erwartung auf dem Erdboden, um sie schlagen zu hören. Sie hielten sie sür lebendig und fragten, was sie esse. Sobald der letzte Schlag ertönte, rief bisweilen ein Franzose „Halt!" und zu höchster Verwunderung schwieg die gehorsame Uhr. „Was sagt der Kapitän?" fragten die Huronen einmal, als die Uhr schlug. Die Missionäre antworteten: „Wenn er 12 Mal ruft, heißt das: Hängt den Kessel auf! und wenn er sich 4 Mal hören läßt, sagt er: Geht heim." Darnach richteten sich die Besucher. Um 12 Uhr fehlte es nie an Gästen, die aus dem Kessel der frommen Väter „Sagamite", d, h. Maisschrotbrei, mit ihnen aßen; beim Schlage 4 erhoben sie sich, um ihre Wirthe eine Zeit lang in Ruhe zu lassen. Dann besprachen diese ihre Angelegenheiten, theilten sich ihre Erfahrungen in Betreff der Mission mit und beschäftigten sich mit ihrer Vervollkommnung in der Sprache des Landes. Während sie aber eifrig daran noch arbeiteten, gingen sie zugleich an die Verwerthung der bereits erlangten Fertigkeit. Sobald jemand in der Stadt krank wurde, eilten sie mit ihren spärlichen Medikamenten, die in der Hauptsache aus einem Vorrathe von Sennesblättern bestanden, zur Hilfleistung herbei, und wo es nur anging, fügten sie der irdischen Arzenei himmlische, Erklärung christlicher Dogmen, Bilder von Paradies und Hölle und Ermahnungen zur Annahme des Glaubens an Gott und die heilige Jungfrau, hinzu. Ihre freundlichen Dienste beschränkten sich aber nicht hierauf. Die Huronen lebten in beständiger Furcht vor ihren Erbfeinden, den Irokesen, und sobald sich das Gerücht verbreitete, daß diese in starker Anzahl den Kriegspfad betreten, fuchten sie Zuflucht in den benachbarten befestigten Städten. Die Jesuiten versprachen ihnen den Beistand der vier mit Arkebusen bewaffneten Franzosen, die mit ihnen gekommen waren. Auch riethen sie ihren indianischen Freunden, ihre Palissadeu- forts nicht mehr rund, sondern rechtwinklig zu bauen und sie an den Ecken mit kleinen Flankenthürmen zur Aufnahme der Arkebusiere zu versehen — ein Rath, der sofort gutbefunden und bei der Anlage der großen Stadt Ossosscme oder Rochelle befolgt wurde. Bei jeder passenden Gelegenheit versammelten die Väter die Kinder des Ortes in ihrem Hause. Dann legte Brebeuf zur Erhöhung der Feierlichkeit seinen Talar und die eckige Kappe an, welche die Jesuiten in ihren Klöstern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/381>, abgerufen am 27.11.2024.