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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Bundesgenosse an die Seite getreten, aber sicher nicht zu deren Heile; denn
nach Besiegung England's hätte der Bundesgenosse im Gefühl gewachsener
Stärke unzweifelhaft versucht, die Stelle des alten Herrn einzunehmen. Wir
behaupten nicht, daß dies auf die Dauer gelungen wäre, wir glauben zu fest
an die Macht der protestantischen Idee. Der Ausgang des Kampfes zwischen
Freiheit und Absolutismus war auf dem westlichen Kontinente wohl nie zwei¬
felhaft. Aber noch gewisser ist, daß der Triumph der ersteren weit später
gefeiert und mit viel größeren Opfern erreicht worden wäre, als dies in der
Wirklichkeit geschah. Eine in den Anschauungen und Sitten einer feudalen
Monarchie aufgewachsene, von einer der geistigen Freiheit abholden Hierarchie
gelenkte und überdies vorwiegend indianisches Blut in den Adern tragende
Bevölkerung wäre stets ein Hemmschuh aus der Bahn des majestätischen Ver¬
suchs, dessen Feld Nordamerika bildet, gewesen, und wenn die republikanische
Staatsform auch gesiegt hätte, so würde ihr Leben ohne Zweifel wenigstens
geraume Zeit ein ähnliches klägliches Schauspiel dargeboten haben, wie das
der südamerikanischen Kolonieen Spanien's nach ihrer Emanzipation von der
Herrschaft des Mutterlandes.

Die Jesuiten und ihre weltlichen Verbündeten sahen also ihre Hoffnungen
fehlschlagen. Ihr Glaube wurde nicht erschüttert, aber hart auf die Probe
gestellt, wie zu der Zeit, da sie Japan schon halb gewonnen zu haben meinten
und plötzlich von der sich ermannenden Regierung verfolgt und vertrieben
wurden. Die Vorsehung Gottes erschien ihren Augen dunkel und unerforschlich.
Aber vom Standpunkte der Freiheit ist sie hell und klar wie die im Zenith
eines wolkenlosen Himmels stehende Sonne. Indeß dürfen wir darüber nicht
vergessen, den damals Besiegten die ihnen gebührende Ehre zu zollen. Ihr
unerschrockener, unbeugsamer Eifer, ihre gewaltige Willensstärke, ihre heroische
Entsagung leuchten wie Gold und Stahl aus dem Nebel der Irrthümer heraus,
der ihre Seelen umhüllte. Die folgenden Episoden aus dem Epos ihrer
Thaten und Schicksale, sämmtlich nach zuverlässigen Berichten erzählt, werden
dieses Urtheil rechtfertigen.

Um die Zeit, wo in Deutschland mit dem Einrücken der Schweden der
dreißigjährige Krieg sich seinem Höhepunkte näherte, hatten die Jesuiten nach
Verdrängung der Minoriten in Kanada, damals noch einer Wildnis; mit zwei
kleinen dürftigen Ansiedelungen, Fuß gefaßt und von Quebek ans Versuche
gemacht, die Algonquins zu bekehren. Der Erfolg ihrer Bemühungen bei
diesem unsteten Jägervolke war lange Zeit gleich Null, und so wandten sie
ihre Blicke den Stämmen an den Seen des Westens zu, und zwar dachten sie
zunächst an die große und seßhafte Nation der Huronen. Hier wollten sie
Boden gewinnen, dann den Glauben, den sie brachten, allmählich weiter aus-


Bundesgenosse an die Seite getreten, aber sicher nicht zu deren Heile; denn
nach Besiegung England's hätte der Bundesgenosse im Gefühl gewachsener
Stärke unzweifelhaft versucht, die Stelle des alten Herrn einzunehmen. Wir
behaupten nicht, daß dies auf die Dauer gelungen wäre, wir glauben zu fest
an die Macht der protestantischen Idee. Der Ausgang des Kampfes zwischen
Freiheit und Absolutismus war auf dem westlichen Kontinente wohl nie zwei¬
felhaft. Aber noch gewisser ist, daß der Triumph der ersteren weit später
gefeiert und mit viel größeren Opfern erreicht worden wäre, als dies in der
Wirklichkeit geschah. Eine in den Anschauungen und Sitten einer feudalen
Monarchie aufgewachsene, von einer der geistigen Freiheit abholden Hierarchie
gelenkte und überdies vorwiegend indianisches Blut in den Adern tragende
Bevölkerung wäre stets ein Hemmschuh aus der Bahn des majestätischen Ver¬
suchs, dessen Feld Nordamerika bildet, gewesen, und wenn die republikanische
Staatsform auch gesiegt hätte, so würde ihr Leben ohne Zweifel wenigstens
geraume Zeit ein ähnliches klägliches Schauspiel dargeboten haben, wie das
der südamerikanischen Kolonieen Spanien's nach ihrer Emanzipation von der
Herrschaft des Mutterlandes.

Die Jesuiten und ihre weltlichen Verbündeten sahen also ihre Hoffnungen
fehlschlagen. Ihr Glaube wurde nicht erschüttert, aber hart auf die Probe
gestellt, wie zu der Zeit, da sie Japan schon halb gewonnen zu haben meinten
und plötzlich von der sich ermannenden Regierung verfolgt und vertrieben
wurden. Die Vorsehung Gottes erschien ihren Augen dunkel und unerforschlich.
Aber vom Standpunkte der Freiheit ist sie hell und klar wie die im Zenith
eines wolkenlosen Himmels stehende Sonne. Indeß dürfen wir darüber nicht
vergessen, den damals Besiegten die ihnen gebührende Ehre zu zollen. Ihr
unerschrockener, unbeugsamer Eifer, ihre gewaltige Willensstärke, ihre heroische
Entsagung leuchten wie Gold und Stahl aus dem Nebel der Irrthümer heraus,
der ihre Seelen umhüllte. Die folgenden Episoden aus dem Epos ihrer
Thaten und Schicksale, sämmtlich nach zuverlässigen Berichten erzählt, werden
dieses Urtheil rechtfertigen.

Um die Zeit, wo in Deutschland mit dem Einrücken der Schweden der
dreißigjährige Krieg sich seinem Höhepunkte näherte, hatten die Jesuiten nach
Verdrängung der Minoriten in Kanada, damals noch einer Wildnis; mit zwei
kleinen dürftigen Ansiedelungen, Fuß gefaßt und von Quebek ans Versuche
gemacht, die Algonquins zu bekehren. Der Erfolg ihrer Bemühungen bei
diesem unsteten Jägervolke war lange Zeit gleich Null, und so wandten sie
ihre Blicke den Stämmen an den Seen des Westens zu, und zwar dachten sie
zunächst an die große und seßhafte Nation der Huronen. Hier wollten sie
Boden gewinnen, dann den Glauben, den sie brachten, allmählich weiter aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/378>, abgerufen am 27.11.2024.