Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.werden, und daß dem Despotismus Rom's in der neuen Welt Schranken ge¬ Gezähmte, nicht zivilisirte Wilde, ein für die Absichten der Jesuiten und werden, und daß dem Despotismus Rom's in der neuen Welt Schranken ge¬ Gezähmte, nicht zivilisirte Wilde, ein für die Absichten der Jesuiten und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142874"/> <p xml:id="ID_1099" prev="#ID_1098"> werden, und daß dem Despotismus Rom's in der neuen Welt Schranken ge¬<lb/> zogen wurden — beides ein entschiedener Gewinn auch für die Völker der<lb/> alten Welt und namentlich fiir die Deutschen, auf welche Frankreich in diesen<lb/> Tagen ohnehin schwer zu drücken begann, und auf welche es in der darauf<lb/> folgenden Zeit mit ganz andrer Wucht gedrückt haben würde, wenn seine Kraft<lb/> sich jenseits des Meeres weiter zu entwickeln im Stande gewesen wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1100" next="#ID_1101"> Gezähmte, nicht zivilisirte Wilde, ein für die Absichten der Jesuiten und<lb/> der Minister des XIII. und XIV. Ludwig abgerichtetes, nicht aber in die große<lb/> Kulturbewegung der alten Welt aufgenommenes und ihren Zwecken dienendes<lb/> Racenvolk würde für den Fall, daß der Versuch gelungen wäre, über die<lb/> Thäler der großen Seen und des Missisippigebietes vertheilt gewesen sein.<lb/> Sie wären von Priestern im Interesse des Pariser Despotismus und des<lb/> Katholizismus gelenkt und ausgebeutet worden. Ihren Trieb zu gegenseitigem<lb/> Hinschlachten hätte man ausgerottet, ihre schwachen Anlagen zum Ackerbau und<lb/> zur Industrie hätte man entwickelt, wo nicht in Güte, durch Zwang. Die<lb/> schnelle Abnahme der indianischen Bevölkerung würde, wenn der Tomahawk<lb/> begraben worden und der Pflug an seine Stelle getreten wäre, unterbrochen<lb/> worden sein. Zunächst wäre der Pelzhandel noch eine Zeit lang eine Quelle<lb/> des Reichthums geblieben. Dann wäre man an die Ausbeutung der Korn-,<lb/> Holz- und Metallschätze des Bodens gegangen, und zwar sicher in systematischer<lb/> Weise; denn die Jesuiten waren nicht blos geschickte Missionäre, sondern auch<lb/> kluge und umsichtige Haushalter. Von rothhäutigen Feinden unbehelligt, durch<lb/> eine rührige und wohlgeleitete Produktion und einen lebhaften und umfassenden<lb/> Handel genährt, wäre Neufrankreich schnell und kräftig gewachsen, wenn<lb/> auch schwerlich so lvie die Union unter dem Segen der Freiheit; denn unter<lb/> anderm würde ihr die europäische Einwanderung nicht in so mächtigem Strome<lb/> zugeflossen, die Einwanderung vorzugsweise aus protestantischen Ländern aber,<lb/> wo es nicht so viele Feiertage gibt wie in katholischen, ganz ausgeblieben sein.<lb/> Der weite Blick und die unternehmende Willenskraft der Jesuiten würde den<lb/> Westen mit Händlern, Ansiedlern und Garnisonen besetzt und die jungfräuliche<lb/> Wildniß in Lehnsgüter französischer Edelleute verwandelt haben, die ein kom¬<lb/> paktes Ganze gebildet hätten, während die Kolonieen England's an der Kiiste<lb/> des Atlantischen Ozeans bisher nur eine schwache und vielfach unterbrochene<lb/> Linie bildeten. Und als endlich der gewaltige Kampf zur Entscheidung der<lb/> Frage, ob der Norden Amerika's zur Abhängigkeit von der tyrannischen Selbst¬<lb/> sucht England's oder zum Leben nach eignem Willen und Interesse bestimmt<lb/> sei, losbrach, wäre er zwar rasch entschieden worden; denn den englischen Kolo¬<lb/> nieen, kraftlosen, noch von ihrer hungernden und verfolgten Kindheit her er¬<lb/> schöpften Staatenbildungen, wäre in Alt- und Neufrankreich ein athletischer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0377]
werden, und daß dem Despotismus Rom's in der neuen Welt Schranken ge¬
zogen wurden — beides ein entschiedener Gewinn auch für die Völker der
alten Welt und namentlich fiir die Deutschen, auf welche Frankreich in diesen
Tagen ohnehin schwer zu drücken begann, und auf welche es in der darauf
folgenden Zeit mit ganz andrer Wucht gedrückt haben würde, wenn seine Kraft
sich jenseits des Meeres weiter zu entwickeln im Stande gewesen wäre.
Gezähmte, nicht zivilisirte Wilde, ein für die Absichten der Jesuiten und
der Minister des XIII. und XIV. Ludwig abgerichtetes, nicht aber in die große
Kulturbewegung der alten Welt aufgenommenes und ihren Zwecken dienendes
Racenvolk würde für den Fall, daß der Versuch gelungen wäre, über die
Thäler der großen Seen und des Missisippigebietes vertheilt gewesen sein.
Sie wären von Priestern im Interesse des Pariser Despotismus und des
Katholizismus gelenkt und ausgebeutet worden. Ihren Trieb zu gegenseitigem
Hinschlachten hätte man ausgerottet, ihre schwachen Anlagen zum Ackerbau und
zur Industrie hätte man entwickelt, wo nicht in Güte, durch Zwang. Die
schnelle Abnahme der indianischen Bevölkerung würde, wenn der Tomahawk
begraben worden und der Pflug an seine Stelle getreten wäre, unterbrochen
worden sein. Zunächst wäre der Pelzhandel noch eine Zeit lang eine Quelle
des Reichthums geblieben. Dann wäre man an die Ausbeutung der Korn-,
Holz- und Metallschätze des Bodens gegangen, und zwar sicher in systematischer
Weise; denn die Jesuiten waren nicht blos geschickte Missionäre, sondern auch
kluge und umsichtige Haushalter. Von rothhäutigen Feinden unbehelligt, durch
eine rührige und wohlgeleitete Produktion und einen lebhaften und umfassenden
Handel genährt, wäre Neufrankreich schnell und kräftig gewachsen, wenn
auch schwerlich so lvie die Union unter dem Segen der Freiheit; denn unter
anderm würde ihr die europäische Einwanderung nicht in so mächtigem Strome
zugeflossen, die Einwanderung vorzugsweise aus protestantischen Ländern aber,
wo es nicht so viele Feiertage gibt wie in katholischen, ganz ausgeblieben sein.
Der weite Blick und die unternehmende Willenskraft der Jesuiten würde den
Westen mit Händlern, Ansiedlern und Garnisonen besetzt und die jungfräuliche
Wildniß in Lehnsgüter französischer Edelleute verwandelt haben, die ein kom¬
paktes Ganze gebildet hätten, während die Kolonieen England's an der Kiiste
des Atlantischen Ozeans bisher nur eine schwache und vielfach unterbrochene
Linie bildeten. Und als endlich der gewaltige Kampf zur Entscheidung der
Frage, ob der Norden Amerika's zur Abhängigkeit von der tyrannischen Selbst¬
sucht England's oder zum Leben nach eignem Willen und Interesse bestimmt
sei, losbrach, wäre er zwar rasch entschieden worden; denn den englischen Kolo¬
nieen, kraftlosen, noch von ihrer hungernden und verfolgten Kindheit her er¬
schöpften Staatenbildungen, wäre in Alt- und Neufrankreich ein athletischer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |