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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Orchester nur Werke Haydn's, natürlich ganz vortrefflich, gespielt wurden, viel
Interesse auch für diese. "Haydn," sagte er, "Sie haben viel geschrieben." --
"Ja, Sire, mehr als gut ist." --- "Gewiß nicht, die Welt widerspricht dem."
Der König stellte ihn dann der Königin vor und sagte, er wisse, daß Haydn
sonst ein guter Sänger gewesen sei, er möchte gern einige Lieder von ihm
hören. "Ew. Majestät, meine Stimme ist jetzt nur noch so groß", sagte Haydn,
auf das Gelenk seines kleinen Fingers deutend. Der König lachte, Haydn
sang aber sein Lied "Ich bin der Verliebteste".

Zwei Tage darauf war eine ähnliche Produktion beim Prinzen von Wales,
zu dem er oft geladen war. "Bei dem Prinzen von Wales dirigirte er 26
Musiker, und das Orchester mußte oft mehrere Stunden warten, bis der Prinz
von der Tafel aufgestanden war," erzählte Haydn später selbst. "Da diese
Bemühung ganz unbelohnt blieb, schickte Haydn auf Rath seiner Freunde von
Deutschland aus eine Rechnung von 100 Guineen ein, als das Parlament die
Schulden des Prinzen bezahlte, und erhielt diese Summe ohne Verzug." Man
hat dies Haydn in England sehr übel genommen. Allein er hatte, wie sein
in den "Musikerbriefen" veröffentlichtes Testament zeigt, viel arme Verwandte,
die ihn in Anspruch nahmen; sollte er diese an dem Fürstensöhne des reichsten
Landes der Welt verlieren lassen, was seine künstlerische Mühe ihm redlich
verdient hatte? Gerade hier in London wurde er in empfindlicher Weise an
seine Verwandtschaft erinnert. Er wurde wegen Unvermögenden eines ange-
heiratheten Neffen, der Esterhazy'scher Hausmeister war, zur Bezahlung seiner
Schulden geradezu "kondemnirt", und wir ersehen aus dem Testamente, daß diese
Verwandten gar "durch seine außerordentliche Güte mehr als 6000 si. ans
sein Conto verschwelgt hatten". Diese "außerordentliche Güte" aber verpflichtete
ihn nach seinen Gefühlen so gut wie Andere ihr Adel oder ihr Genie, und so
hatte er das Recht, die Mittel, sie zu üben, sich nicht ohne Grund entgehen
zu lassen!

Bald wurde Haydn wiederholt anch zu den Konzerten der Königin selbst
eingeladen und von ihr eines Abends sogar mit einem Händel'schen Manuskript
"Der Erlöser am Kreuze" beschenkt. Sie und der König wünschten, da sie ja
selbst Deutsche waren, Haydn ganz an England zu fesseln. "Ich räume Ihnen
des Sommers eine Wohnung in Windsor ein," sagte die Königin, "und dann,"
setzte sie schalkhaft den König anblickend hinzu, "machen wir zuweilen tods-Ä-tZW
Musik." "O, auf Haydn eifre ich nicht, der ist ein guter ehrlicher deutscher
Mann." "Diesen Ruf zu behaupten ist mein größter Stolz", bestätigte Haydn.
Auf das wiederholte Zureden entgegnete er, daß er durch Dankbarkeit an das
Haus seines Fürsten gebunden sei und sich nicht auf immer von seinem Bater-


Orchester nur Werke Haydn's, natürlich ganz vortrefflich, gespielt wurden, viel
Interesse auch für diese. „Haydn," sagte er, „Sie haben viel geschrieben." —
„Ja, Sire, mehr als gut ist." —- „Gewiß nicht, die Welt widerspricht dem."
Der König stellte ihn dann der Königin vor und sagte, er wisse, daß Haydn
sonst ein guter Sänger gewesen sei, er möchte gern einige Lieder von ihm
hören. „Ew. Majestät, meine Stimme ist jetzt nur noch so groß", sagte Haydn,
auf das Gelenk seines kleinen Fingers deutend. Der König lachte, Haydn
sang aber sein Lied „Ich bin der Verliebteste".

Zwei Tage darauf war eine ähnliche Produktion beim Prinzen von Wales,
zu dem er oft geladen war. „Bei dem Prinzen von Wales dirigirte er 26
Musiker, und das Orchester mußte oft mehrere Stunden warten, bis der Prinz
von der Tafel aufgestanden war," erzählte Haydn später selbst. „Da diese
Bemühung ganz unbelohnt blieb, schickte Haydn auf Rath seiner Freunde von
Deutschland aus eine Rechnung von 100 Guineen ein, als das Parlament die
Schulden des Prinzen bezahlte, und erhielt diese Summe ohne Verzug." Man
hat dies Haydn in England sehr übel genommen. Allein er hatte, wie sein
in den „Musikerbriefen" veröffentlichtes Testament zeigt, viel arme Verwandte,
die ihn in Anspruch nahmen; sollte er diese an dem Fürstensöhne des reichsten
Landes der Welt verlieren lassen, was seine künstlerische Mühe ihm redlich
verdient hatte? Gerade hier in London wurde er in empfindlicher Weise an
seine Verwandtschaft erinnert. Er wurde wegen Unvermögenden eines ange-
heiratheten Neffen, der Esterhazy'scher Hausmeister war, zur Bezahlung seiner
Schulden geradezu „kondemnirt", und wir ersehen aus dem Testamente, daß diese
Verwandten gar „durch seine außerordentliche Güte mehr als 6000 si. ans
sein Conto verschwelgt hatten". Diese „außerordentliche Güte" aber verpflichtete
ihn nach seinen Gefühlen so gut wie Andere ihr Adel oder ihr Genie, und so
hatte er das Recht, die Mittel, sie zu üben, sich nicht ohne Grund entgehen
zu lassen!

Bald wurde Haydn wiederholt anch zu den Konzerten der Königin selbst
eingeladen und von ihr eines Abends sogar mit einem Händel'schen Manuskript
„Der Erlöser am Kreuze" beschenkt. Sie und der König wünschten, da sie ja
selbst Deutsche waren, Haydn ganz an England zu fesseln. „Ich räume Ihnen
des Sommers eine Wohnung in Windsor ein," sagte die Königin, „und dann,"
setzte sie schalkhaft den König anblickend hinzu, „machen wir zuweilen tods-Ä-tZW
Musik." „O, auf Haydn eifre ich nicht, der ist ein guter ehrlicher deutscher
Mann." „Diesen Ruf zu behaupten ist mein größter Stolz", bestätigte Haydn.
Auf das wiederholte Zureden entgegnete er, daß er durch Dankbarkeit an das
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[0373] Orchester nur Werke Haydn's, natürlich ganz vortrefflich, gespielt wurden, viel Interesse auch für diese. „Haydn," sagte er, „Sie haben viel geschrieben." — „Ja, Sire, mehr als gut ist." —- „Gewiß nicht, die Welt widerspricht dem." Der König stellte ihn dann der Königin vor und sagte, er wisse, daß Haydn sonst ein guter Sänger gewesen sei, er möchte gern einige Lieder von ihm hören. „Ew. Majestät, meine Stimme ist jetzt nur noch so groß", sagte Haydn, auf das Gelenk seines kleinen Fingers deutend. Der König lachte, Haydn sang aber sein Lied „Ich bin der Verliebteste". Zwei Tage darauf war eine ähnliche Produktion beim Prinzen von Wales, zu dem er oft geladen war. „Bei dem Prinzen von Wales dirigirte er 26 Musiker, und das Orchester mußte oft mehrere Stunden warten, bis der Prinz von der Tafel aufgestanden war," erzählte Haydn später selbst. „Da diese Bemühung ganz unbelohnt blieb, schickte Haydn auf Rath seiner Freunde von Deutschland aus eine Rechnung von 100 Guineen ein, als das Parlament die Schulden des Prinzen bezahlte, und erhielt diese Summe ohne Verzug." Man hat dies Haydn in England sehr übel genommen. Allein er hatte, wie sein in den „Musikerbriefen" veröffentlichtes Testament zeigt, viel arme Verwandte, die ihn in Anspruch nahmen; sollte er diese an dem Fürstensöhne des reichsten Landes der Welt verlieren lassen, was seine künstlerische Mühe ihm redlich verdient hatte? Gerade hier in London wurde er in empfindlicher Weise an seine Verwandtschaft erinnert. Er wurde wegen Unvermögenden eines ange- heiratheten Neffen, der Esterhazy'scher Hausmeister war, zur Bezahlung seiner Schulden geradezu „kondemnirt", und wir ersehen aus dem Testamente, daß diese Verwandten gar „durch seine außerordentliche Güte mehr als 6000 si. ans sein Conto verschwelgt hatten". Diese „außerordentliche Güte" aber verpflichtete ihn nach seinen Gefühlen so gut wie Andere ihr Adel oder ihr Genie, und so hatte er das Recht, die Mittel, sie zu üben, sich nicht ohne Grund entgehen zu lassen! Bald wurde Haydn wiederholt anch zu den Konzerten der Königin selbst eingeladen und von ihr eines Abends sogar mit einem Händel'schen Manuskript „Der Erlöser am Kreuze" beschenkt. Sie und der König wünschten, da sie ja selbst Deutsche waren, Haydn ganz an England zu fesseln. „Ich räume Ihnen des Sommers eine Wohnung in Windsor ein," sagte die Königin, „und dann," setzte sie schalkhaft den König anblickend hinzu, „machen wir zuweilen tods-Ä-tZW Musik." „O, auf Haydn eifre ich nicht, der ist ein guter ehrlicher deutscher Mann." „Diesen Ruf zu behaupten ist mein größter Stolz", bestätigte Haydn. Auf das wiederholte Zureden entgegnete er, daß er durch Dankbarkeit an das Haus seines Fürsten gebunden sei und sich nicht auf immer von seinem Bater-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/373>, abgerufen am 01.09.2024.