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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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haben keinen Werth, ich wünschte lieber, daß einer versuchte, einen wahrhaft
neuen Menuet zu komponiren." Beethoven that dies letztere wirklich und
nannte es bekanntlich sogleich in seinem ox>. 1 -- Scherzo.

Der zweiten Londoner Reise setzte der Fürst Esterhazy, dessen pensionirter
Kapellmeister Haydn war, anfangs Hindernisse entgegen. Er verlangte zwar keine
persönlichen Dienste, fand aber Wohlgefallen an Haydn und seinem Ruhm und
meinte, von diesem habe er genug erworben. Auch möge er sich als ein Sechziger
nicht ferner den Gefahren der Reise und den Verfolgungen des Neides aus¬
setzen. Haydn verkannte nicht die hierin waltende edle Denkungsart. Allein
er fühlte sich noch kräftig und schätzte ein thätiges Leben mehr als die Ruhe,
in die ihn sein Fürst versetzt hatte. Zudem wußte er, daß das englische
Publikum von seinem ersten Aufenthalte in London her "seiner Muse geneigt
sei", und hatte sich eben gegen den Konzertunternehmer Salomon zur Kompo¬
sition von sechs weiteren Symphonieen verbindlich gemacht, auch mit verschiedenen
Verlegern dort vortheilhafte Verträge geschlossen. So gab denn der Fürst
endlich nach und ließ Haydn reisen -- auf Nimmerwiedersehen, denn nach
kurzer Zeit war der Fürst todt, und Haydn hatte den vierten Esterhazy zum
Gönner und Herrn, auf dessen Befehl er noch in London dem verstorbenen
Fürsten ein Denkmal in einem Requiem setzte.

Am 19. Januar 1794 begann die Reise. Gleich in Schärding ereignete
sich etwas, was recht von Haydn's gutem Humor zeugte. Die Grenzbeamteu
frugen nach seinem Stande. Haydn gibt ihn an. "Ein Tonkünstler, was ist
das?" wiederholten die Herren. "Nun, ein Hafner" (Töpfer), versicherte einer.
"Allerdings," bekräftigte Haydn, "und dieser hier (sein treuer Diener Elßler)
ist mein'Geselle." In Wiesbaden aber empfand er mit vieler Genugthuung
die Größe seines Ruhmes. Im Gasthause wurde im Zimmer nebenan sein
Andante mit dem Paukenschlage gespielt, das rasch beliebt geworden war. "Er
hielt den Spieler für seinen Freund und trat mit Artigkeit in das Zimmer",
erzählt Dies. "Er fand einige preußische Offiziere, die alle große Verehrer
seiner musikalischen Produkte waren und, wie er sich endlich zu erkennen gab,
nicht glauben wollten, daß er Haydn sei. Unmöglich, unmöglich, Sie Haydn?
Ein schon so bejahrter Mann! Wie reimt sich dies mit dem Feuer in Ihrer
Musik?' In dem Tone fuhren die Herren so lange fort, bis er den von
ihrem Könige empfangenen Brief vorzeigte, welchen er zum Glück im Koffer
bei sich führte. Nun überhäuften ihn die Offiziere mit Liebkosungen, und er
mußte bis spät nach Mitternacht in ihrer Gesellschaft bleiben." Der Brief
Friedrich Wilhelm's II. betraf eine Widmung von Quartetten.

Haydn wohnte diesmal mehr in der Nähe seiner Freundin und Verehrerin,
der Frau Schroeter, doch vernehmen wir nichts Näheres über ihren Verkehr.


haben keinen Werth, ich wünschte lieber, daß einer versuchte, einen wahrhaft
neuen Menuet zu komponiren." Beethoven that dies letztere wirklich und
nannte es bekanntlich sogleich in seinem ox>. 1 — Scherzo.

Der zweiten Londoner Reise setzte der Fürst Esterhazy, dessen pensionirter
Kapellmeister Haydn war, anfangs Hindernisse entgegen. Er verlangte zwar keine
persönlichen Dienste, fand aber Wohlgefallen an Haydn und seinem Ruhm und
meinte, von diesem habe er genug erworben. Auch möge er sich als ein Sechziger
nicht ferner den Gefahren der Reise und den Verfolgungen des Neides aus¬
setzen. Haydn verkannte nicht die hierin waltende edle Denkungsart. Allein
er fühlte sich noch kräftig und schätzte ein thätiges Leben mehr als die Ruhe,
in die ihn sein Fürst versetzt hatte. Zudem wußte er, daß das englische
Publikum von seinem ersten Aufenthalte in London her „seiner Muse geneigt
sei", und hatte sich eben gegen den Konzertunternehmer Salomon zur Kompo¬
sition von sechs weiteren Symphonieen verbindlich gemacht, auch mit verschiedenen
Verlegern dort vortheilhafte Verträge geschlossen. So gab denn der Fürst
endlich nach und ließ Haydn reisen — auf Nimmerwiedersehen, denn nach
kurzer Zeit war der Fürst todt, und Haydn hatte den vierten Esterhazy zum
Gönner und Herrn, auf dessen Befehl er noch in London dem verstorbenen
Fürsten ein Denkmal in einem Requiem setzte.

Am 19. Januar 1794 begann die Reise. Gleich in Schärding ereignete
sich etwas, was recht von Haydn's gutem Humor zeugte. Die Grenzbeamteu
frugen nach seinem Stande. Haydn gibt ihn an. „Ein Tonkünstler, was ist
das?" wiederholten die Herren. „Nun, ein Hafner" (Töpfer), versicherte einer.
„Allerdings," bekräftigte Haydn, „und dieser hier (sein treuer Diener Elßler)
ist mein'Geselle." In Wiesbaden aber empfand er mit vieler Genugthuung
die Größe seines Ruhmes. Im Gasthause wurde im Zimmer nebenan sein
Andante mit dem Paukenschlage gespielt, das rasch beliebt geworden war. „Er
hielt den Spieler für seinen Freund und trat mit Artigkeit in das Zimmer",
erzählt Dies. „Er fand einige preußische Offiziere, die alle große Verehrer
seiner musikalischen Produkte waren und, wie er sich endlich zu erkennen gab,
nicht glauben wollten, daß er Haydn sei. Unmöglich, unmöglich, Sie Haydn?
Ein schon so bejahrter Mann! Wie reimt sich dies mit dem Feuer in Ihrer
Musik?' In dem Tone fuhren die Herren so lange fort, bis er den von
ihrem Könige empfangenen Brief vorzeigte, welchen er zum Glück im Koffer
bei sich führte. Nun überhäuften ihn die Offiziere mit Liebkosungen, und er
mußte bis spät nach Mitternacht in ihrer Gesellschaft bleiben." Der Brief
Friedrich Wilhelm's II. betraf eine Widmung von Quartetten.

Haydn wohnte diesmal mehr in der Nähe seiner Freundin und Verehrerin,
der Frau Schroeter, doch vernehmen wir nichts Näheres über ihren Verkehr.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/369>, abgerufen am 27.11.2024.