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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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gresses betreffen, ist in jüngster Zeit hinsichtlich des Reichstages eines in
Deutschland zur Sprache gekommen und bezieht sich auf die H äufigkeit und
lange Dauer der Kongreßsitzungen, die das Land nie zur Ruhe
kommen lassen. Da ist nun der Vorschlag gemacht worden, daß der Kongreß
in je zwei Jahren nur eine Sitzung hätte, die etwa vom 15. Oktober bis
zum 1. Juni des kommenden Jahres dauerte. Fast in allen Einzelstaaten der
Union hat man bereits sür die Staatslegislatur eine solche oder ähnliche Ein¬
richtung getroffen und befindet sich wohl dabei. Das Mittel einer Extrasitzung
bliebe für den Nothfall noch immer vorhanden. Natürlich würde eine solche
Aenderung, die auch von liberaler Seite befürwortet wird, um so leichter durch¬
zuführen sein, wenn man die Geschäfte des Kongresses vereinfachte, und dies
ließe sich -- so urtheilen einflußreiche und angesehene republikanische Blätter --
in vielfacher Hinsicht bewerkstelligen, wenn man die Spezial- und persönliche
Gesetzgebung der Thätigkeit des Kongresses mehr entzöge. Für solche Spezial-
gesetze, meint man, könnten eigene, unter der Aufsicht des Kongresses stehende
Behörden geschaffen werden. Jetzt wird gerade an solche Dinge eine Masse
Zeit verschwendet, so daß der Kongreß oft mehr wie ein großer politischer
Debattirklub, als wie eine gesetzgebende Körperschaft erscheint. "Wenn der
Kongreß nur für legislative Zwecke einmal in zwei Jahren zusammenträte,"
schrieb kürzlich die "Westliche Post", "so würde er viel eher seinen wirklichen
Geschäften obliegen. Auch eine Bestimmung, daß gewisse gesetzgeberische Akte,
z. B. Besteuerungs-Angelegenheiten und ähnliche Dinge, stets auf einen längern
Zeitraum, etwa auf vier Jahre, gelten müßten, innerhalb deren sie nicht wider¬
rufen werden dürften, wäre von Nutzen. Es ergibt sich überhaupt da eine
Menge von nützlichen Folgen, und eine Reihe selbstverständlicher Reformen drängt
sich auf, die jetzt schwierig ausführbar erscheinen, mit einer solchen Aenderung
aber fast von selbst kämen."

Der zweite der erwähnten Uebelstände ist ein solcher, daß ihm unter allen
Umständen ein Ende gemacht werden müßte. Wir meinen die Wahl der
Kongreßmitglieder, die gegenwärtig ungefähr dreizehn Monate eher
stattfindet, als die Gewählten ihr Amt antreten. Die regelmäßige Sitzung des
46. Kongresses beginnt z. B. im nächsten Dezember, feine Mitglieder aber
wurden im vorigen November, zum Theil schon im vorigen Oktober gewählt;
seitdem hat sich natürlich eine solche Wandlung in den politischen Anschauungen
vollzogen, daß die Wahlen, würden sie jetzt vorgenommen, ein ganz anderes
Resultat ergeben würden, und es ist nicht das erste Mal, daß dem so ist.
Das Verkehrte dieser Einrichtung liegt auf der Hand. Noch schlimmer aber ist
der Umstand, daß die Schlußsitzung eines Kongresses stattfindet, nachdem sein
Nachfolger schon gewählt ist. Dadurch entsteht die Gefahr, daß solche Kongreß-


Grenzboten III. 1879. 44

gresses betreffen, ist in jüngster Zeit hinsichtlich des Reichstages eines in
Deutschland zur Sprache gekommen und bezieht sich auf die H äufigkeit und
lange Dauer der Kongreßsitzungen, die das Land nie zur Ruhe
kommen lassen. Da ist nun der Vorschlag gemacht worden, daß der Kongreß
in je zwei Jahren nur eine Sitzung hätte, die etwa vom 15. Oktober bis
zum 1. Juni des kommenden Jahres dauerte. Fast in allen Einzelstaaten der
Union hat man bereits sür die Staatslegislatur eine solche oder ähnliche Ein¬
richtung getroffen und befindet sich wohl dabei. Das Mittel einer Extrasitzung
bliebe für den Nothfall noch immer vorhanden. Natürlich würde eine solche
Aenderung, die auch von liberaler Seite befürwortet wird, um so leichter durch¬
zuführen sein, wenn man die Geschäfte des Kongresses vereinfachte, und dies
ließe sich — so urtheilen einflußreiche und angesehene republikanische Blätter —
in vielfacher Hinsicht bewerkstelligen, wenn man die Spezial- und persönliche
Gesetzgebung der Thätigkeit des Kongresses mehr entzöge. Für solche Spezial-
gesetze, meint man, könnten eigene, unter der Aufsicht des Kongresses stehende
Behörden geschaffen werden. Jetzt wird gerade an solche Dinge eine Masse
Zeit verschwendet, so daß der Kongreß oft mehr wie ein großer politischer
Debattirklub, als wie eine gesetzgebende Körperschaft erscheint. „Wenn der
Kongreß nur für legislative Zwecke einmal in zwei Jahren zusammenträte,"
schrieb kürzlich die „Westliche Post", „so würde er viel eher seinen wirklichen
Geschäften obliegen. Auch eine Bestimmung, daß gewisse gesetzgeberische Akte,
z. B. Besteuerungs-Angelegenheiten und ähnliche Dinge, stets auf einen längern
Zeitraum, etwa auf vier Jahre, gelten müßten, innerhalb deren sie nicht wider¬
rufen werden dürften, wäre von Nutzen. Es ergibt sich überhaupt da eine
Menge von nützlichen Folgen, und eine Reihe selbstverständlicher Reformen drängt
sich auf, die jetzt schwierig ausführbar erscheinen, mit einer solchen Aenderung
aber fast von selbst kämen."

Der zweite der erwähnten Uebelstände ist ein solcher, daß ihm unter allen
Umständen ein Ende gemacht werden müßte. Wir meinen die Wahl der
Kongreßmitglieder, die gegenwärtig ungefähr dreizehn Monate eher
stattfindet, als die Gewählten ihr Amt antreten. Die regelmäßige Sitzung des
46. Kongresses beginnt z. B. im nächsten Dezember, feine Mitglieder aber
wurden im vorigen November, zum Theil schon im vorigen Oktober gewählt;
seitdem hat sich natürlich eine solche Wandlung in den politischen Anschauungen
vollzogen, daß die Wahlen, würden sie jetzt vorgenommen, ein ganz anderes
Resultat ergeben würden, und es ist nicht das erste Mal, daß dem so ist.
Das Verkehrte dieser Einrichtung liegt auf der Hand. Noch schlimmer aber ist
der Umstand, daß die Schlußsitzung eines Kongresses stattfindet, nachdem sein
Nachfolger schon gewählt ist. Dadurch entsteht die Gefahr, daß solche Kongreß-


Grenzboten III. 1879. 44
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[0343] gresses betreffen, ist in jüngster Zeit hinsichtlich des Reichstages eines in Deutschland zur Sprache gekommen und bezieht sich auf die H äufigkeit und lange Dauer der Kongreßsitzungen, die das Land nie zur Ruhe kommen lassen. Da ist nun der Vorschlag gemacht worden, daß der Kongreß in je zwei Jahren nur eine Sitzung hätte, die etwa vom 15. Oktober bis zum 1. Juni des kommenden Jahres dauerte. Fast in allen Einzelstaaten der Union hat man bereits sür die Staatslegislatur eine solche oder ähnliche Ein¬ richtung getroffen und befindet sich wohl dabei. Das Mittel einer Extrasitzung bliebe für den Nothfall noch immer vorhanden. Natürlich würde eine solche Aenderung, die auch von liberaler Seite befürwortet wird, um so leichter durch¬ zuführen sein, wenn man die Geschäfte des Kongresses vereinfachte, und dies ließe sich — so urtheilen einflußreiche und angesehene republikanische Blätter — in vielfacher Hinsicht bewerkstelligen, wenn man die Spezial- und persönliche Gesetzgebung der Thätigkeit des Kongresses mehr entzöge. Für solche Spezial- gesetze, meint man, könnten eigene, unter der Aufsicht des Kongresses stehende Behörden geschaffen werden. Jetzt wird gerade an solche Dinge eine Masse Zeit verschwendet, so daß der Kongreß oft mehr wie ein großer politischer Debattirklub, als wie eine gesetzgebende Körperschaft erscheint. „Wenn der Kongreß nur für legislative Zwecke einmal in zwei Jahren zusammenträte," schrieb kürzlich die „Westliche Post", „so würde er viel eher seinen wirklichen Geschäften obliegen. Auch eine Bestimmung, daß gewisse gesetzgeberische Akte, z. B. Besteuerungs-Angelegenheiten und ähnliche Dinge, stets auf einen längern Zeitraum, etwa auf vier Jahre, gelten müßten, innerhalb deren sie nicht wider¬ rufen werden dürften, wäre von Nutzen. Es ergibt sich überhaupt da eine Menge von nützlichen Folgen, und eine Reihe selbstverständlicher Reformen drängt sich auf, die jetzt schwierig ausführbar erscheinen, mit einer solchen Aenderung aber fast von selbst kämen." Der zweite der erwähnten Uebelstände ist ein solcher, daß ihm unter allen Umständen ein Ende gemacht werden müßte. Wir meinen die Wahl der Kongreßmitglieder, die gegenwärtig ungefähr dreizehn Monate eher stattfindet, als die Gewählten ihr Amt antreten. Die regelmäßige Sitzung des 46. Kongresses beginnt z. B. im nächsten Dezember, feine Mitglieder aber wurden im vorigen November, zum Theil schon im vorigen Oktober gewählt; seitdem hat sich natürlich eine solche Wandlung in den politischen Anschauungen vollzogen, daß die Wahlen, würden sie jetzt vorgenommen, ein ganz anderes Resultat ergeben würden, und es ist nicht das erste Mal, daß dem so ist. Das Verkehrte dieser Einrichtung liegt auf der Hand. Noch schlimmer aber ist der Umstand, daß die Schlußsitzung eines Kongresses stattfindet, nachdem sein Nachfolger schon gewählt ist. Dadurch entsteht die Gefahr, daß solche Kongreß- Grenzboten III. 1879. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/343>, abgerufen am 27.11.2024.