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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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politische, finanzielle und soziale Gerhältnisse in der
nordamerikanischen Union.

Am 1. Juli hat die von der demokratischen Partei veranlaßte Extrasession
des 46. Kongresses der Vereinigten Staaten ihr Ende erreicht, nachdem sie
länger als 100 Tage gedauert, über eine Million Dollars gekostet und dem
amerikanischen Volke nur wenig wahrhaft wohlthätige Gesetze gebracht hat.
Von nahezu 3000 Bills, welche dem Kongresse zur Berathung vorgelegt wurden
hat nur eine verhältnißmäßig sehr geringe Anzahl Gesetzeskraft erlangt, und
eine noch geringere Zahl von Gesetzesvorlagen, die in der That in Wirksamkeit
traten, kann als nutzenbringend sür das Gemeinwohl bezeichnet werden. Zu
diesen letzteren zählen, abgesehen von den durch die Regierung angeregten Budget¬
gesetzen, namentlich drei Gesetzesvorschläge, von denen der eine den Umtausch
von silbernem Kleingelde gegen Schatzamtsnoten betrifft, der andere die Ein¬
schleppung von epidemischen Krankheiten zu verhüten bestimmt ist, der dritte
endlich die gerade in Amerika so vielfach zum Gebrauche kommende Fieber¬
medizin, das China, von einem hohen Zolle befreit, aus welchem nur ein paar
Engroshäuser einen Gewinn zogen, während derselbe auf der Masse des Volkes,
vorzugsweise auf den ärmeren Schichten der Bevölkerung, als eine drückende
Last ruhte. Bei weitem die meiste Zeit der kostspieligen und unerquicklichen
Extrasession wurde mit politischen Parteistreitigkeiten, mit politischen Intriguen,
mit Präsidentenwahlplänen, mit Schaffung von Kampagnematerial für das Jahr
1880 und mit bis jetzt glücklich abgeschlagenen Versuchen, dem Silber- und
Papiergeldschwindel Thür und Thor zu öffnen, vergeudet. Die Hauptschuld
hiervon trifft allerdings die Partei der Demokraten; sie waren es, welche durch
Nichtbewilliguug der Budgetvorlagen die Extrasitzung nothwendig machten und
durch Hineinziehen ganz heterogener Fragen die Berathung dieser Vorlagen
über Gebühr verzögerten und erschwerten. Leider ist auch wenig Aussicht vor¬
handen, daß die nächste, regelmäßige Sitzung des 46. Kongresses, welche im
Dezember d. I. beginnt, eine besonders fruchtbringende sein wird, da die Demo¬
kraten, unterstützt von den "Greenbacklern" oder Papiergeldlenten, auch in ihr
die Majorität besitzen. Nach dem Ausfalle der Wahl in Californien und in
dem Westchesterdistrikt von New-Z)ort zu schließen, wird die demokratische Mehr¬
heit im Repräsentantenhause allerdings etwas kleiner werden; auch ist es
wenigstens eine Möglichkeit, daß das Resultat der diesjährigen Herbstwahlen
in Iowa, Maine, Ohio, Massachusetts und einigen anderen Unionsstaaten die


politische, finanzielle und soziale Gerhältnisse in der
nordamerikanischen Union.

Am 1. Juli hat die von der demokratischen Partei veranlaßte Extrasession
des 46. Kongresses der Vereinigten Staaten ihr Ende erreicht, nachdem sie
länger als 100 Tage gedauert, über eine Million Dollars gekostet und dem
amerikanischen Volke nur wenig wahrhaft wohlthätige Gesetze gebracht hat.
Von nahezu 3000 Bills, welche dem Kongresse zur Berathung vorgelegt wurden
hat nur eine verhältnißmäßig sehr geringe Anzahl Gesetzeskraft erlangt, und
eine noch geringere Zahl von Gesetzesvorlagen, die in der That in Wirksamkeit
traten, kann als nutzenbringend sür das Gemeinwohl bezeichnet werden. Zu
diesen letzteren zählen, abgesehen von den durch die Regierung angeregten Budget¬
gesetzen, namentlich drei Gesetzesvorschläge, von denen der eine den Umtausch
von silbernem Kleingelde gegen Schatzamtsnoten betrifft, der andere die Ein¬
schleppung von epidemischen Krankheiten zu verhüten bestimmt ist, der dritte
endlich die gerade in Amerika so vielfach zum Gebrauche kommende Fieber¬
medizin, das China, von einem hohen Zolle befreit, aus welchem nur ein paar
Engroshäuser einen Gewinn zogen, während derselbe auf der Masse des Volkes,
vorzugsweise auf den ärmeren Schichten der Bevölkerung, als eine drückende
Last ruhte. Bei weitem die meiste Zeit der kostspieligen und unerquicklichen
Extrasession wurde mit politischen Parteistreitigkeiten, mit politischen Intriguen,
mit Präsidentenwahlplänen, mit Schaffung von Kampagnematerial für das Jahr
1880 und mit bis jetzt glücklich abgeschlagenen Versuchen, dem Silber- und
Papiergeldschwindel Thür und Thor zu öffnen, vergeudet. Die Hauptschuld
hiervon trifft allerdings die Partei der Demokraten; sie waren es, welche durch
Nichtbewilliguug der Budgetvorlagen die Extrasitzung nothwendig machten und
durch Hineinziehen ganz heterogener Fragen die Berathung dieser Vorlagen
über Gebühr verzögerten und erschwerten. Leider ist auch wenig Aussicht vor¬
handen, daß die nächste, regelmäßige Sitzung des 46. Kongresses, welche im
Dezember d. I. beginnt, eine besonders fruchtbringende sein wird, da die Demo¬
kraten, unterstützt von den „Greenbacklern" oder Papiergeldlenten, auch in ihr
die Majorität besitzen. Nach dem Ausfalle der Wahl in Californien und in
dem Westchesterdistrikt von New-Z)ort zu schließen, wird die demokratische Mehr¬
heit im Repräsentantenhause allerdings etwas kleiner werden; auch ist es
wenigstens eine Möglichkeit, daß das Resultat der diesjährigen Herbstwahlen
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[0340] politische, finanzielle und soziale Gerhältnisse in der nordamerikanischen Union. Am 1. Juli hat die von der demokratischen Partei veranlaßte Extrasession des 46. Kongresses der Vereinigten Staaten ihr Ende erreicht, nachdem sie länger als 100 Tage gedauert, über eine Million Dollars gekostet und dem amerikanischen Volke nur wenig wahrhaft wohlthätige Gesetze gebracht hat. Von nahezu 3000 Bills, welche dem Kongresse zur Berathung vorgelegt wurden hat nur eine verhältnißmäßig sehr geringe Anzahl Gesetzeskraft erlangt, und eine noch geringere Zahl von Gesetzesvorlagen, die in der That in Wirksamkeit traten, kann als nutzenbringend sür das Gemeinwohl bezeichnet werden. Zu diesen letzteren zählen, abgesehen von den durch die Regierung angeregten Budget¬ gesetzen, namentlich drei Gesetzesvorschläge, von denen der eine den Umtausch von silbernem Kleingelde gegen Schatzamtsnoten betrifft, der andere die Ein¬ schleppung von epidemischen Krankheiten zu verhüten bestimmt ist, der dritte endlich die gerade in Amerika so vielfach zum Gebrauche kommende Fieber¬ medizin, das China, von einem hohen Zolle befreit, aus welchem nur ein paar Engroshäuser einen Gewinn zogen, während derselbe auf der Masse des Volkes, vorzugsweise auf den ärmeren Schichten der Bevölkerung, als eine drückende Last ruhte. Bei weitem die meiste Zeit der kostspieligen und unerquicklichen Extrasession wurde mit politischen Parteistreitigkeiten, mit politischen Intriguen, mit Präsidentenwahlplänen, mit Schaffung von Kampagnematerial für das Jahr 1880 und mit bis jetzt glücklich abgeschlagenen Versuchen, dem Silber- und Papiergeldschwindel Thür und Thor zu öffnen, vergeudet. Die Hauptschuld hiervon trifft allerdings die Partei der Demokraten; sie waren es, welche durch Nichtbewilliguug der Budgetvorlagen die Extrasitzung nothwendig machten und durch Hineinziehen ganz heterogener Fragen die Berathung dieser Vorlagen über Gebühr verzögerten und erschwerten. Leider ist auch wenig Aussicht vor¬ handen, daß die nächste, regelmäßige Sitzung des 46. Kongresses, welche im Dezember d. I. beginnt, eine besonders fruchtbringende sein wird, da die Demo¬ kraten, unterstützt von den „Greenbacklern" oder Papiergeldlenten, auch in ihr die Majorität besitzen. Nach dem Ausfalle der Wahl in Californien und in dem Westchesterdistrikt von New-Z)ort zu schließen, wird die demokratische Mehr¬ heit im Repräsentantenhause allerdings etwas kleiner werden; auch ist es wenigstens eine Möglichkeit, daß das Resultat der diesjährigen Herbstwahlen in Iowa, Maine, Ohio, Massachusetts und einigen anderen Unionsstaaten die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/340>, abgerufen am 27.11.2024.