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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Schließlich erwähnen wir noch im Vorbeigehen die sogenannten Jmperativ-
oder Satznamen, d. h. solche Namen, die, mit einem Verbum zusammengesetzt,
irgend einen Befehl oder eine Aussage enthalten, wie Kehrein, Thudichum,
Hauto oder Hotho (niederdeutsch für hau zu), Hassenpflug (einer, der den Pflug
haßt), Hassenkrug, Hassenwein; Regenfuß (rege den Fuß), Spalteholz, Gripen-
kerl (greif den Kerl), Schöppenthan, Wehrenpfennig (der den Pfennig wahrt).

Hiermit beschließen wir unseren Gang durch das weite Gebiet deutscher Fami¬
liennamen. Wenn wir auf den durchlaufenen Weg zurückblicken, so werden
wir zugestehen müssen, daß in der That unsere Vorfahren eine bewunderungs¬
würdige Vielseitigkeit bei der Aufstellung und Umgestaltung ihrer Namen be¬
wiesen haben. Wie groß die Zahl der deutschen Familiennamen ist, kann
niemand nachweisen; daß sie aber eine sehr bedeutende ist, kann man am besten
erkennen, wenn man den Versuch macht, einer einzelnen Namensippe genauer
nachzugehen. Schon oben habe ich erwähnt, daß es über 1000 Zusammen¬
setzungen mit Meier gibt. Aber noch weit zahlreicher sind die mit Mann zu¬
sammengesetzten Familiennamen, wie Hofmann, Großmann, Diezmcmn: ich habe
seit einiger Zeit angefangen, diese zu sammeln, und bin bereits im Besitz von
etwa 3000 verschiedenen Namen ans "manu". Das ist ein Reichthum, der
unser höchstes Erstaunen erregen muß.

Aber trotz dieses Ueberflusses beginnt sich jetzt auf dem Gebiete der Fami¬
liennamen ein Nothstand fühlbar zu machen. Bei der immer mehr überhand¬
nehmenden Menschenanhäufnng in großen Städten sind gewisse häufig vor¬
kommende Namen wie Müller, Richter, Meier, Schulze, Schmidt nicht mehr
genügend, um wirklich ein Individuum zu kennzeichnen: Friedrich Müller,
Heinrich Schmidt kann man kaum mehr als Einzelnamen betrachten, weil es so
und so viele Personen gibt, die diesen Namen tragen. Bei diesen bleibt denn
nichts übrig, als entweder recht seltene Vornamen zu suchen, wobei ich aus
unsere schönen alten deutschen Namen hinweisen möchte, oder den Namen zu
erweitern durch Beifügung des Wohnorts oder Geburtsortes oder eines anderen
Familiennamens. Namen wie Erich Schmidt, Schmidt-Weißenfels, Otfried
Müller, Lucian Müller, Müller von Königswinter, Hoffmann von Fallers-
leben, Schulze-Delitzsch zeigen den Weg, auf dem diesem Nothstande abgeholfen
werden kann und muß.


Hermann Dünger.


Schließlich erwähnen wir noch im Vorbeigehen die sogenannten Jmperativ-
oder Satznamen, d. h. solche Namen, die, mit einem Verbum zusammengesetzt,
irgend einen Befehl oder eine Aussage enthalten, wie Kehrein, Thudichum,
Hauto oder Hotho (niederdeutsch für hau zu), Hassenpflug (einer, der den Pflug
haßt), Hassenkrug, Hassenwein; Regenfuß (rege den Fuß), Spalteholz, Gripen-
kerl (greif den Kerl), Schöppenthan, Wehrenpfennig (der den Pfennig wahrt).

Hiermit beschließen wir unseren Gang durch das weite Gebiet deutscher Fami¬
liennamen. Wenn wir auf den durchlaufenen Weg zurückblicken, so werden
wir zugestehen müssen, daß in der That unsere Vorfahren eine bewunderungs¬
würdige Vielseitigkeit bei der Aufstellung und Umgestaltung ihrer Namen be¬
wiesen haben. Wie groß die Zahl der deutschen Familiennamen ist, kann
niemand nachweisen; daß sie aber eine sehr bedeutende ist, kann man am besten
erkennen, wenn man den Versuch macht, einer einzelnen Namensippe genauer
nachzugehen. Schon oben habe ich erwähnt, daß es über 1000 Zusammen¬
setzungen mit Meier gibt. Aber noch weit zahlreicher sind die mit Mann zu¬
sammengesetzten Familiennamen, wie Hofmann, Großmann, Diezmcmn: ich habe
seit einiger Zeit angefangen, diese zu sammeln, und bin bereits im Besitz von
etwa 3000 verschiedenen Namen ans „manu". Das ist ein Reichthum, der
unser höchstes Erstaunen erregen muß.

Aber trotz dieses Ueberflusses beginnt sich jetzt auf dem Gebiete der Fami¬
liennamen ein Nothstand fühlbar zu machen. Bei der immer mehr überhand¬
nehmenden Menschenanhäufnng in großen Städten sind gewisse häufig vor¬
kommende Namen wie Müller, Richter, Meier, Schulze, Schmidt nicht mehr
genügend, um wirklich ein Individuum zu kennzeichnen: Friedrich Müller,
Heinrich Schmidt kann man kaum mehr als Einzelnamen betrachten, weil es so
und so viele Personen gibt, die diesen Namen tragen. Bei diesen bleibt denn
nichts übrig, als entweder recht seltene Vornamen zu suchen, wobei ich aus
unsere schönen alten deutschen Namen hinweisen möchte, oder den Namen zu
erweitern durch Beifügung des Wohnorts oder Geburtsortes oder eines anderen
Familiennamens. Namen wie Erich Schmidt, Schmidt-Weißenfels, Otfried
Müller, Lucian Müller, Müller von Königswinter, Hoffmann von Fallers-
leben, Schulze-Delitzsch zeigen den Weg, auf dem diesem Nothstande abgeholfen
werden kann und muß.


Hermann Dünger.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/339>, abgerufen am 27.11.2024.