Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

schäftigung einer Person als Beiname verwendet. In kleinen Ortschaften hört
man selten die Familiennamen des Pastors oder des Schmieds und des Schneiders,
es heißt "der Herr Pastor", "Pastors Emil" oder der "Pfarr-Emil", "Müller-
August", "Schneider-Hans"; wie der eigentliche Name des Betreffenden lautet,
darum kümmert man sich nicht viel. Daher kommt es, daß diese Namen uns
so häufig als Familiennamen begegnen -- natürlich nicht der Name Pastor
oder Pfarrer, denn zu der Zeit, wo die Familiennamen aufkamen, durften ja
die Geistlichen offiziell keine Kinder haben, wohl aber Namen wie Müller,
Richter, Schulze, Schmidt, Fischer, Schneider, Weber u. s. w. Der am häufigsten
vertretene Name scheint Müller, plattdeutsch Möller, zu sein; nach der Berechnung
eines Statistikers soll jeder 73. Mensch im deutschen Reiche Müller heißen. In
Dresden gibt es nach dem Adreßbuche v. 1.1879: 511 Müller, 370 Richter, 350
Schmidt, 250 Schulze, 200 Fischer, 160 Schneider, 130 Meier. In Frankfurt hat
nach einer Angabe von Stricker (Frankfurter Familiennamen) der Name Schmidt
die Majorität, in Berlin sind nach dem Berliner Namenbüchlein von Felix
Geisseln die Namen Müller und Schulze am stärksten vertreten; diesen folgen
Meier, Schneider und Schmidt. In einzelnen norddeutschen Gegenden überwiegt
ganz bedeutend der Name Meier. Nach Hoffmann von Fallersleben gab es
im Jahre 1851 in Hannover 109 Müller, 81 Schmidt, 51 Brandes, aber
234 einfache und 211 zusammengesetzte Meier. Dies erklärt sich aus der
Meierwirthschaft, die in diesen Gegenden üblich war; denn Meier*), tat. major
(nämlich viI1g,6 oder vMous) bezeichnet den Verwalter, später den Besitzer eines
Landguts, einer Meierei. Von der Verbreitung dieses Namens wird man sich
einigermaßen eine Vorstellung machen können, wenn man erfährt, daß die
damit zusammengesetzten Familiennamen, wie Hartmeier, Obermeier, Biedermeier
die Zahl von 1000 übersteigen, wie F. Meyer in seinem Programm: "Der
Name Meyer und seine Zusammensetzungen" (Osnabrück 1870) nachgewiesen
hat. So wird man den Stoßseufzer jener alten Frau begreifen, die in Folge
einer Verwechselung mit einer andern Meierin bestraft, vor Gericht in die Worte
ausbrach: "Gott tröste, wer Meier HZt!" Welche Verschiedenheit von Namens-
formen selbst aus ganz einfachen Gewerbsnamen hervorgehen kann, mag der
Name Schmidt zeigen, von dem ich bisher folgende Formen gefunden habe:
Schmidt, Schmitt, Schmid, Schmied, Schmied, Schmiedt, Said, Smitt, Smith;
schuldet, schmiedet, Schmiedle, Schmidlin, Schmiele, schneidet, Schnittchen,
Schnittchen, Schmidgen, Schmiedigen, Schmidtgen, Schmiedchen, Schmidge,



*) Zu unterscheiden davon ist der jüdische Vorname Meier, der auf das hebräische
ins-ü- zurückgeht und glänzend oder belehrend bedeutet. Diesen Namen finden wir beispiels¬
weise in dem Namen Meyerbeer. Denn der Vater des Komponisten hieß einfach Beer, der
Sohn hatte den Vornamen Meier und bildete daraus seinen berühmt gewordenen Namen.

schäftigung einer Person als Beiname verwendet. In kleinen Ortschaften hört
man selten die Familiennamen des Pastors oder des Schmieds und des Schneiders,
es heißt „der Herr Pastor", „Pastors Emil" oder der „Pfarr-Emil", „Müller-
August", „Schneider-Hans"; wie der eigentliche Name des Betreffenden lautet,
darum kümmert man sich nicht viel. Daher kommt es, daß diese Namen uns
so häufig als Familiennamen begegnen — natürlich nicht der Name Pastor
oder Pfarrer, denn zu der Zeit, wo die Familiennamen aufkamen, durften ja
die Geistlichen offiziell keine Kinder haben, wohl aber Namen wie Müller,
Richter, Schulze, Schmidt, Fischer, Schneider, Weber u. s. w. Der am häufigsten
vertretene Name scheint Müller, plattdeutsch Möller, zu sein; nach der Berechnung
eines Statistikers soll jeder 73. Mensch im deutschen Reiche Müller heißen. In
Dresden gibt es nach dem Adreßbuche v. 1.1879: 511 Müller, 370 Richter, 350
Schmidt, 250 Schulze, 200 Fischer, 160 Schneider, 130 Meier. In Frankfurt hat
nach einer Angabe von Stricker (Frankfurter Familiennamen) der Name Schmidt
die Majorität, in Berlin sind nach dem Berliner Namenbüchlein von Felix
Geisseln die Namen Müller und Schulze am stärksten vertreten; diesen folgen
Meier, Schneider und Schmidt. In einzelnen norddeutschen Gegenden überwiegt
ganz bedeutend der Name Meier. Nach Hoffmann von Fallersleben gab es
im Jahre 1851 in Hannover 109 Müller, 81 Schmidt, 51 Brandes, aber
234 einfache und 211 zusammengesetzte Meier. Dies erklärt sich aus der
Meierwirthschaft, die in diesen Gegenden üblich war; denn Meier*), tat. major
(nämlich viI1g,6 oder vMous) bezeichnet den Verwalter, später den Besitzer eines
Landguts, einer Meierei. Von der Verbreitung dieses Namens wird man sich
einigermaßen eine Vorstellung machen können, wenn man erfährt, daß die
damit zusammengesetzten Familiennamen, wie Hartmeier, Obermeier, Biedermeier
die Zahl von 1000 übersteigen, wie F. Meyer in seinem Programm: „Der
Name Meyer und seine Zusammensetzungen" (Osnabrück 1870) nachgewiesen
hat. So wird man den Stoßseufzer jener alten Frau begreifen, die in Folge
einer Verwechselung mit einer andern Meierin bestraft, vor Gericht in die Worte
ausbrach: „Gott tröste, wer Meier HZt!" Welche Verschiedenheit von Namens-
formen selbst aus ganz einfachen Gewerbsnamen hervorgehen kann, mag der
Name Schmidt zeigen, von dem ich bisher folgende Formen gefunden habe:
Schmidt, Schmitt, Schmid, Schmied, Schmied, Schmiedt, Said, Smitt, Smith;
schuldet, schmiedet, Schmiedle, Schmidlin, Schmiele, schneidet, Schnittchen,
Schnittchen, Schmidgen, Schmiedigen, Schmidtgen, Schmiedchen, Schmidge,



*) Zu unterscheiden davon ist der jüdische Vorname Meier, der auf das hebräische
ins-ü- zurückgeht und glänzend oder belehrend bedeutet. Diesen Namen finden wir beispiels¬
weise in dem Namen Meyerbeer. Denn der Vater des Komponisten hieß einfach Beer, der
Sohn hatte den Vornamen Meier und bildete daraus seinen berühmt gewordenen Namen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142834"/>
          <p xml:id="ID_984" prev="#ID_983" next="#ID_985"> schäftigung einer Person als Beiname verwendet. In kleinen Ortschaften hört<lb/>
man selten die Familiennamen des Pastors oder des Schmieds und des Schneiders,<lb/>
es heißt &#x201E;der Herr Pastor", &#x201E;Pastors Emil" oder der &#x201E;Pfarr-Emil", &#x201E;Müller-<lb/>
August", &#x201E;Schneider-Hans"; wie der eigentliche Name des Betreffenden lautet,<lb/>
darum kümmert man sich nicht viel. Daher kommt es, daß diese Namen uns<lb/>
so häufig als Familiennamen begegnen &#x2014; natürlich nicht der Name Pastor<lb/>
oder Pfarrer, denn zu der Zeit, wo die Familiennamen aufkamen, durften ja<lb/>
die Geistlichen offiziell keine Kinder haben, wohl aber Namen wie Müller,<lb/>
Richter, Schulze, Schmidt, Fischer, Schneider, Weber u. s. w. Der am häufigsten<lb/>
vertretene Name scheint Müller, plattdeutsch Möller, zu sein; nach der Berechnung<lb/>
eines Statistikers soll jeder 73. Mensch im deutschen Reiche Müller heißen. In<lb/>
Dresden gibt es nach dem Adreßbuche v. 1.1879: 511 Müller, 370 Richter, 350<lb/>
Schmidt, 250 Schulze, 200 Fischer, 160 Schneider, 130 Meier. In Frankfurt hat<lb/>
nach einer Angabe von Stricker (Frankfurter Familiennamen) der Name Schmidt<lb/>
die Majorität, in Berlin sind nach dem Berliner Namenbüchlein von Felix<lb/>
Geisseln die Namen Müller und Schulze am stärksten vertreten; diesen folgen<lb/>
Meier, Schneider und Schmidt. In einzelnen norddeutschen Gegenden überwiegt<lb/>
ganz bedeutend der Name Meier. Nach Hoffmann von Fallersleben gab es<lb/>
im Jahre 1851 in Hannover 109 Müller, 81 Schmidt, 51 Brandes, aber<lb/>
234 einfache und 211 zusammengesetzte Meier. Dies erklärt sich aus der<lb/>
Meierwirthschaft, die in diesen Gegenden üblich war; denn Meier*), tat. major<lb/>
(nämlich viI1g,6 oder vMous) bezeichnet den Verwalter, später den Besitzer eines<lb/>
Landguts, einer Meierei. Von der Verbreitung dieses Namens wird man sich<lb/>
einigermaßen eine Vorstellung machen können, wenn man erfährt, daß die<lb/>
damit zusammengesetzten Familiennamen, wie Hartmeier, Obermeier, Biedermeier<lb/>
die Zahl von 1000 übersteigen, wie F. Meyer in seinem Programm: &#x201E;Der<lb/>
Name Meyer und seine Zusammensetzungen" (Osnabrück 1870) nachgewiesen<lb/>
hat. So wird man den Stoßseufzer jener alten Frau begreifen, die in Folge<lb/>
einer Verwechselung mit einer andern Meierin bestraft, vor Gericht in die Worte<lb/>
ausbrach: &#x201E;Gott tröste, wer Meier HZt!" Welche Verschiedenheit von Namens-<lb/>
formen selbst aus ganz einfachen Gewerbsnamen hervorgehen kann, mag der<lb/>
Name Schmidt zeigen, von dem ich bisher folgende Formen gefunden habe:<lb/>
Schmidt, Schmitt, Schmid, Schmied, Schmied, Schmiedt, Said, Smitt, Smith;<lb/>
schuldet, schmiedet, Schmiedle, Schmidlin, Schmiele, schneidet, Schnittchen,<lb/>
Schnittchen, Schmidgen, Schmiedigen, Schmidtgen, Schmiedchen, Schmidge,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_34" place="foot"> *) Zu unterscheiden davon ist der jüdische Vorname Meier, der auf das hebräische<lb/>
ins-ü- zurückgeht und glänzend oder belehrend bedeutet. Diesen Namen finden wir beispiels¬<lb/>
weise in dem Namen Meyerbeer. Denn der Vater des Komponisten hieß einfach Beer, der<lb/>
Sohn hatte den Vornamen Meier und bildete daraus seinen berühmt gewordenen Namen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] schäftigung einer Person als Beiname verwendet. In kleinen Ortschaften hört man selten die Familiennamen des Pastors oder des Schmieds und des Schneiders, es heißt „der Herr Pastor", „Pastors Emil" oder der „Pfarr-Emil", „Müller- August", „Schneider-Hans"; wie der eigentliche Name des Betreffenden lautet, darum kümmert man sich nicht viel. Daher kommt es, daß diese Namen uns so häufig als Familiennamen begegnen — natürlich nicht der Name Pastor oder Pfarrer, denn zu der Zeit, wo die Familiennamen aufkamen, durften ja die Geistlichen offiziell keine Kinder haben, wohl aber Namen wie Müller, Richter, Schulze, Schmidt, Fischer, Schneider, Weber u. s. w. Der am häufigsten vertretene Name scheint Müller, plattdeutsch Möller, zu sein; nach der Berechnung eines Statistikers soll jeder 73. Mensch im deutschen Reiche Müller heißen. In Dresden gibt es nach dem Adreßbuche v. 1.1879: 511 Müller, 370 Richter, 350 Schmidt, 250 Schulze, 200 Fischer, 160 Schneider, 130 Meier. In Frankfurt hat nach einer Angabe von Stricker (Frankfurter Familiennamen) der Name Schmidt die Majorität, in Berlin sind nach dem Berliner Namenbüchlein von Felix Geisseln die Namen Müller und Schulze am stärksten vertreten; diesen folgen Meier, Schneider und Schmidt. In einzelnen norddeutschen Gegenden überwiegt ganz bedeutend der Name Meier. Nach Hoffmann von Fallersleben gab es im Jahre 1851 in Hannover 109 Müller, 81 Schmidt, 51 Brandes, aber 234 einfache und 211 zusammengesetzte Meier. Dies erklärt sich aus der Meierwirthschaft, die in diesen Gegenden üblich war; denn Meier*), tat. major (nämlich viI1g,6 oder vMous) bezeichnet den Verwalter, später den Besitzer eines Landguts, einer Meierei. Von der Verbreitung dieses Namens wird man sich einigermaßen eine Vorstellung machen können, wenn man erfährt, daß die damit zusammengesetzten Familiennamen, wie Hartmeier, Obermeier, Biedermeier die Zahl von 1000 übersteigen, wie F. Meyer in seinem Programm: „Der Name Meyer und seine Zusammensetzungen" (Osnabrück 1870) nachgewiesen hat. So wird man den Stoßseufzer jener alten Frau begreifen, die in Folge einer Verwechselung mit einer andern Meierin bestraft, vor Gericht in die Worte ausbrach: „Gott tröste, wer Meier HZt!" Welche Verschiedenheit von Namens- formen selbst aus ganz einfachen Gewerbsnamen hervorgehen kann, mag der Name Schmidt zeigen, von dem ich bisher folgende Formen gefunden habe: Schmidt, Schmitt, Schmid, Schmied, Schmied, Schmiedt, Said, Smitt, Smith; schuldet, schmiedet, Schmiedle, Schmidlin, Schmiele, schneidet, Schnittchen, Schnittchen, Schmidgen, Schmiedigen, Schmidtgen, Schmiedchen, Schmidge, *) Zu unterscheiden davon ist der jüdische Vorname Meier, der auf das hebräische ins-ü- zurückgeht und glänzend oder belehrend bedeutet. Diesen Namen finden wir beispiels¬ weise in dem Namen Meyerbeer. Denn der Vater des Komponisten hieß einfach Beer, der Sohn hatte den Vornamen Meier und bildete daraus seinen berühmt gewordenen Namen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/337>, abgerufen am 27.11.2024.