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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Winkel (Winkel bezeichnete früher eine Verkaufsstätte, einen Kram), Jmhof,
Austermühle d. i. aus der Mühle, auch plattdeutsch Utermöhlen. Vielfach
wurde die Präposition weggelassen, sodaß also ein Mann von Grünau (urspr.
AruoQ ouvw, daher Grunow) einfach zu einem Grünau oder Grunow, ein
Anwohner am Viehwege zu Viehweg, Fiebig (neben Viehweger, Fiebiger) wurde.
Daß aber ursprünglich eine Präposition vorhanden gewesen war, kann man bei
manchen Namen noch an der übrig gebliebenen Kasusform erkennen, wie bei
Neuenborn, d. h. eigentlich am neuen Brunnen, Hohenfeld, Neuendorf oder
Naundorf, wofür es plattdeutsch Niendorf heißt, Naumburg oder Naumburg,
Altenstein, Niedenhof u. a.

Eine andere Art, die Herkunft zu bezeichnen, ist die, daß man eine Person
als Bewohner eines bestimmten Ortes oder Landes bezeichnete, also Leipziger,
Dessauer, Danziger, Warschauer, Schwabe, Sachse, Bayer, Böhme, Preuß,
Vogtlünder. Diese Form der Namengebung ist am längsten bei den Hand-
werksburschen in Gebrauch geblieben; der Bruder Straubinger ist ja eine typische
Figur. Von der großen Zahl der hierhergehörenden Familiennamen nenne ich
nur einige, deren Erklärung nicht ganz nahe liegt, wie Döring, die alte Form
von Thüringer, Poliander, eigentlich Polenländer, Wünsche, soviel wie Windisch
d. h. Wende, Meichsner, Meixner, Meischner------Meißner, Freese-----Friese. Auch der
bekannte Schauspielername Dessoir gehört mit hierher, der ebensowenig ursprüng¬
lich französisch ist wie die Namen Devrient, Davison, Jaffe und Salingre.
Denn Dessoir ist einfach Dessauer, Salingre Salinger; und die beiden anderen
sind nichts als französisirte Formen des hebräischen Namens Japhet und des
holländischen Namens de Vrient d. h. der Freund. Wie mannigfaltige Familien¬
namen ans einem einzigen derartigen Worte hervorgehen können, mag mau
an dem Namen Franke ersehen. Da haben wir zunächst Franke und Francke,
dann mit Abwerfung des e Frank, Franck, Franckh; ferner die patronymischen
Formen Franken, Franeker, Fränking; mit italienischer Endung Franchetti; mit
Berkleinerungs-Endungen Fränkel, Franckel, Fraenkl, Fränkel, Frenkel, Frenkling.
Für das Adjektivum lautete die lateinische Form Z?iAiioi8LU8. Daraus entstehen
neben dem Mädchennamen Franziska die Namen Franz, Frantz, Frantze,
Frantzius, Franzmann, Franzen, Fransen; mit slawischer Endung Franzow;
mit Amiant Frentz, Frenze, Frenzius; mit der Verkleinerungsendung Frenzel,
Frentzel, Frünzel, Fräntzel, Frenzelins. Aus dem lateinischen I^noisous
wurde das französische ?rs.n<M8; daher der Name Freili?vis und die verdeutschte
Form Franzos. Dies sind nicht weniger als 33 Variationen desselben Namens,
wobei die Zusammensetzungen wie Frankenstein, Frankenberg, Frcmkenfeld,
Frankenhof noch gar nicht mitgezählt sind.

Eben so häufig wie die Herkunft wurde auch der Stand oder die Be-


Winkel (Winkel bezeichnete früher eine Verkaufsstätte, einen Kram), Jmhof,
Austermühle d. i. aus der Mühle, auch plattdeutsch Utermöhlen. Vielfach
wurde die Präposition weggelassen, sodaß also ein Mann von Grünau (urspr.
AruoQ ouvw, daher Grunow) einfach zu einem Grünau oder Grunow, ein
Anwohner am Viehwege zu Viehweg, Fiebig (neben Viehweger, Fiebiger) wurde.
Daß aber ursprünglich eine Präposition vorhanden gewesen war, kann man bei
manchen Namen noch an der übrig gebliebenen Kasusform erkennen, wie bei
Neuenborn, d. h. eigentlich am neuen Brunnen, Hohenfeld, Neuendorf oder
Naundorf, wofür es plattdeutsch Niendorf heißt, Naumburg oder Naumburg,
Altenstein, Niedenhof u. a.

Eine andere Art, die Herkunft zu bezeichnen, ist die, daß man eine Person
als Bewohner eines bestimmten Ortes oder Landes bezeichnete, also Leipziger,
Dessauer, Danziger, Warschauer, Schwabe, Sachse, Bayer, Böhme, Preuß,
Vogtlünder. Diese Form der Namengebung ist am längsten bei den Hand-
werksburschen in Gebrauch geblieben; der Bruder Straubinger ist ja eine typische
Figur. Von der großen Zahl der hierhergehörenden Familiennamen nenne ich
nur einige, deren Erklärung nicht ganz nahe liegt, wie Döring, die alte Form
von Thüringer, Poliander, eigentlich Polenländer, Wünsche, soviel wie Windisch
d. h. Wende, Meichsner, Meixner, Meischner------Meißner, Freese-----Friese. Auch der
bekannte Schauspielername Dessoir gehört mit hierher, der ebensowenig ursprüng¬
lich französisch ist wie die Namen Devrient, Davison, Jaffe und Salingre.
Denn Dessoir ist einfach Dessauer, Salingre Salinger; und die beiden anderen
sind nichts als französisirte Formen des hebräischen Namens Japhet und des
holländischen Namens de Vrient d. h. der Freund. Wie mannigfaltige Familien¬
namen ans einem einzigen derartigen Worte hervorgehen können, mag mau
an dem Namen Franke ersehen. Da haben wir zunächst Franke und Francke,
dann mit Abwerfung des e Frank, Franck, Franckh; ferner die patronymischen
Formen Franken, Franeker, Fränking; mit italienischer Endung Franchetti; mit
Berkleinerungs-Endungen Fränkel, Franckel, Fraenkl, Fränkel, Frenkel, Frenkling.
Für das Adjektivum lautete die lateinische Form Z?iAiioi8LU8. Daraus entstehen
neben dem Mädchennamen Franziska die Namen Franz, Frantz, Frantze,
Frantzius, Franzmann, Franzen, Fransen; mit slawischer Endung Franzow;
mit Amiant Frentz, Frenze, Frenzius; mit der Verkleinerungsendung Frenzel,
Frentzel, Frünzel, Fräntzel, Frenzelins. Aus dem lateinischen I^noisous
wurde das französische ?rs.n<M8; daher der Name Freili?vis und die verdeutschte
Form Franzos. Dies sind nicht weniger als 33 Variationen desselben Namens,
wobei die Zusammensetzungen wie Frankenstein, Frankenberg, Frcmkenfeld,
Frankenhof noch gar nicht mitgezählt sind.

Eben so häufig wie die Herkunft wurde auch der Stand oder die Be-


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[0336] Winkel (Winkel bezeichnete früher eine Verkaufsstätte, einen Kram), Jmhof, Austermühle d. i. aus der Mühle, auch plattdeutsch Utermöhlen. Vielfach wurde die Präposition weggelassen, sodaß also ein Mann von Grünau (urspr. AruoQ ouvw, daher Grunow) einfach zu einem Grünau oder Grunow, ein Anwohner am Viehwege zu Viehweg, Fiebig (neben Viehweger, Fiebiger) wurde. Daß aber ursprünglich eine Präposition vorhanden gewesen war, kann man bei manchen Namen noch an der übrig gebliebenen Kasusform erkennen, wie bei Neuenborn, d. h. eigentlich am neuen Brunnen, Hohenfeld, Neuendorf oder Naundorf, wofür es plattdeutsch Niendorf heißt, Naumburg oder Naumburg, Altenstein, Niedenhof u. a. Eine andere Art, die Herkunft zu bezeichnen, ist die, daß man eine Person als Bewohner eines bestimmten Ortes oder Landes bezeichnete, also Leipziger, Dessauer, Danziger, Warschauer, Schwabe, Sachse, Bayer, Böhme, Preuß, Vogtlünder. Diese Form der Namengebung ist am längsten bei den Hand- werksburschen in Gebrauch geblieben; der Bruder Straubinger ist ja eine typische Figur. Von der großen Zahl der hierhergehörenden Familiennamen nenne ich nur einige, deren Erklärung nicht ganz nahe liegt, wie Döring, die alte Form von Thüringer, Poliander, eigentlich Polenländer, Wünsche, soviel wie Windisch d. h. Wende, Meichsner, Meixner, Meischner------Meißner, Freese-----Friese. Auch der bekannte Schauspielername Dessoir gehört mit hierher, der ebensowenig ursprüng¬ lich französisch ist wie die Namen Devrient, Davison, Jaffe und Salingre. Denn Dessoir ist einfach Dessauer, Salingre Salinger; und die beiden anderen sind nichts als französisirte Formen des hebräischen Namens Japhet und des holländischen Namens de Vrient d. h. der Freund. Wie mannigfaltige Familien¬ namen ans einem einzigen derartigen Worte hervorgehen können, mag mau an dem Namen Franke ersehen. Da haben wir zunächst Franke und Francke, dann mit Abwerfung des e Frank, Franck, Franckh; ferner die patronymischen Formen Franken, Franeker, Fränking; mit italienischer Endung Franchetti; mit Berkleinerungs-Endungen Fränkel, Franckel, Fraenkl, Fränkel, Frenkel, Frenkling. Für das Adjektivum lautete die lateinische Form Z?iAiioi8LU8. Daraus entstehen neben dem Mädchennamen Franziska die Namen Franz, Frantz, Frantze, Frantzius, Franzmann, Franzen, Fransen; mit slawischer Endung Franzow; mit Amiant Frentz, Frenze, Frenzius; mit der Verkleinerungsendung Frenzel, Frentzel, Frünzel, Fräntzel, Frenzelins. Aus dem lateinischen I^noisous wurde das französische ?rs.n<M8; daher der Name Freili?vis und die verdeutschte Form Franzos. Dies sind nicht weniger als 33 Variationen desselben Namens, wobei die Zusammensetzungen wie Frankenstein, Frankenberg, Frcmkenfeld, Frankenhof noch gar nicht mitgezählt sind. Eben so häufig wie die Herkunft wurde auch der Stand oder die Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/336>, abgerufen am 27.11.2024.