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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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kräftig, aber für den täglichen Gebrauch etwas zu schwerfällig und ungelenk.
Aus diesem Grunde machte sich schon frühzeitig das Bestreben geltend, diese
Vollnamen abzukürzen, an Stelle der vollen Form die sogenannte Koseform
zu setzen. Wir thun dies ja noch heutzutage, wenn wir für Johannes rufen
Hans, für Friedrich Fritz oder Friede, für Gottfried Götz. Aber in weit aus¬
gedehnterem Maße war dies in früherer Zeit der Fall. Fast alle Namen
hatten ihre Koseformen, und so kommt es, daß wir uuter den jetzigen Familien¬
namen eine Unmasse ehemaliger Kosenamen finden. Die Verkürzung der vollen
Namen konnte sich in zweifacher Weise vollziehen: entweder wurde das eine
von den beiden Stammwörtern weggelassen, wie bei Ule für Ulrich, Friede für
Friedrich, Giese für Giesebrecht, oder es fand eine Zusammenziehung der beiden
Stämme statt, wie bei Ebert aus Eberhard, Dierks aus Dietrichs, Curt aus
Konrad (eigentlich Kuonrat). Diese Koseformen können aber wieder mit Demi-
nutiv-Endungen versehen werden, namentlich mit den alten Suffixen no, nao und
So wird aus Gise das alte Gisilo (Giesel, Gissel, Geisel), Gisico (Gie-
secke), aus Friede wird Fridilo (Friedel), Fridico oder Fricco (Fredike, Fricke
oder latinisirt Friccius), Fridizo (Fritz, Fritzsche, Fritsch). Es liegt auf der
Hand, daß sich auf diese Weise eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der
Bildungen ergibt, um so mehr, als ja jede Form wieder eine Anzahl ver¬
schiedener Schreibweisen zuläßt. So kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn
in der erwähnten Schrift von Umdrehen allein unter dem Stamme aise (das
Volk) nicht weniger als 244 verschiedene Familiennamen, die daraus gebildet
sind, aufgeführt werden; und damit ist der Vorrath noch nicht erschöpft.

Zu den aus ursprünglichen Personennamen gebildeten Familiennamen
gehört auch eine nicht unbedeutende Zahl von Fremd namen, die in späterer
Zeit zur Benennung ' von Personen verwendet wurden und sich im Laufe der
Zeit auf dem angegebenen Wege zu Familiennamen entwickelten. Diese sind
größtenteils durch das Christenthum zu uns gebracht worden; es sind die
Namen von Aposteln und Heiligen, daher meist hebräischen, griechischen oder
lateinischen Ursprungs. Das Medium, durch welches sie in die deutsche Sprache
eindrangen, war der Kalender. Während nämlich in früherer Zeit unsere Vor¬
fahren trotz ihres Uebertrittes zum Christenthum doch an ihren altererbter
nationalen Namen festhielten, suchten etwa seit dem Anfang des 13.Jahrhun-
derts die Geistlichen das Volk zur Annahme christlicher Namen zu bestimmen.
Es sollte damit auch äußerlich die Loslösung vom Heidenthum angezeigt werden,
ähnlich wie diejenigen, die in ein Kloster eintraten, mit der Annahme des
Mönchsgewandes auch einen neuen Namen annehmen mußten. So entwickelte
sich der theilweise noch jetzt bestehende Gebrauch, nach dem Kalender dem Kinde
den Namen desjenigen Heiligen beizulegen, dem der betreffende Tanftag geweiht


kräftig, aber für den täglichen Gebrauch etwas zu schwerfällig und ungelenk.
Aus diesem Grunde machte sich schon frühzeitig das Bestreben geltend, diese
Vollnamen abzukürzen, an Stelle der vollen Form die sogenannte Koseform
zu setzen. Wir thun dies ja noch heutzutage, wenn wir für Johannes rufen
Hans, für Friedrich Fritz oder Friede, für Gottfried Götz. Aber in weit aus¬
gedehnterem Maße war dies in früherer Zeit der Fall. Fast alle Namen
hatten ihre Koseformen, und so kommt es, daß wir uuter den jetzigen Familien¬
namen eine Unmasse ehemaliger Kosenamen finden. Die Verkürzung der vollen
Namen konnte sich in zweifacher Weise vollziehen: entweder wurde das eine
von den beiden Stammwörtern weggelassen, wie bei Ule für Ulrich, Friede für
Friedrich, Giese für Giesebrecht, oder es fand eine Zusammenziehung der beiden
Stämme statt, wie bei Ebert aus Eberhard, Dierks aus Dietrichs, Curt aus
Konrad (eigentlich Kuonrat). Diese Koseformen können aber wieder mit Demi-
nutiv-Endungen versehen werden, namentlich mit den alten Suffixen no, nao und
So wird aus Gise das alte Gisilo (Giesel, Gissel, Geisel), Gisico (Gie-
secke), aus Friede wird Fridilo (Friedel), Fridico oder Fricco (Fredike, Fricke
oder latinisirt Friccius), Fridizo (Fritz, Fritzsche, Fritsch). Es liegt auf der
Hand, daß sich auf diese Weise eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der
Bildungen ergibt, um so mehr, als ja jede Form wieder eine Anzahl ver¬
schiedener Schreibweisen zuläßt. So kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn
in der erwähnten Schrift von Umdrehen allein unter dem Stamme aise (das
Volk) nicht weniger als 244 verschiedene Familiennamen, die daraus gebildet
sind, aufgeführt werden; und damit ist der Vorrath noch nicht erschöpft.

Zu den aus ursprünglichen Personennamen gebildeten Familiennamen
gehört auch eine nicht unbedeutende Zahl von Fremd namen, die in späterer
Zeit zur Benennung ' von Personen verwendet wurden und sich im Laufe der
Zeit auf dem angegebenen Wege zu Familiennamen entwickelten. Diese sind
größtenteils durch das Christenthum zu uns gebracht worden; es sind die
Namen von Aposteln und Heiligen, daher meist hebräischen, griechischen oder
lateinischen Ursprungs. Das Medium, durch welches sie in die deutsche Sprache
eindrangen, war der Kalender. Während nämlich in früherer Zeit unsere Vor¬
fahren trotz ihres Uebertrittes zum Christenthum doch an ihren altererbter
nationalen Namen festhielten, suchten etwa seit dem Anfang des 13.Jahrhun-
derts die Geistlichen das Volk zur Annahme christlicher Namen zu bestimmen.
Es sollte damit auch äußerlich die Loslösung vom Heidenthum angezeigt werden,
ähnlich wie diejenigen, die in ein Kloster eintraten, mit der Annahme des
Mönchsgewandes auch einen neuen Namen annehmen mußten. So entwickelte
sich der theilweise noch jetzt bestehende Gebrauch, nach dem Kalender dem Kinde
den Namen desjenigen Heiligen beizulegen, dem der betreffende Tanftag geweiht


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[0334] kräftig, aber für den täglichen Gebrauch etwas zu schwerfällig und ungelenk. Aus diesem Grunde machte sich schon frühzeitig das Bestreben geltend, diese Vollnamen abzukürzen, an Stelle der vollen Form die sogenannte Koseform zu setzen. Wir thun dies ja noch heutzutage, wenn wir für Johannes rufen Hans, für Friedrich Fritz oder Friede, für Gottfried Götz. Aber in weit aus¬ gedehnterem Maße war dies in früherer Zeit der Fall. Fast alle Namen hatten ihre Koseformen, und so kommt es, daß wir uuter den jetzigen Familien¬ namen eine Unmasse ehemaliger Kosenamen finden. Die Verkürzung der vollen Namen konnte sich in zweifacher Weise vollziehen: entweder wurde das eine von den beiden Stammwörtern weggelassen, wie bei Ule für Ulrich, Friede für Friedrich, Giese für Giesebrecht, oder es fand eine Zusammenziehung der beiden Stämme statt, wie bei Ebert aus Eberhard, Dierks aus Dietrichs, Curt aus Konrad (eigentlich Kuonrat). Diese Koseformen können aber wieder mit Demi- nutiv-Endungen versehen werden, namentlich mit den alten Suffixen no, nao und So wird aus Gise das alte Gisilo (Giesel, Gissel, Geisel), Gisico (Gie- secke), aus Friede wird Fridilo (Friedel), Fridico oder Fricco (Fredike, Fricke oder latinisirt Friccius), Fridizo (Fritz, Fritzsche, Fritsch). Es liegt auf der Hand, daß sich auf diese Weise eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der Bildungen ergibt, um so mehr, als ja jede Form wieder eine Anzahl ver¬ schiedener Schreibweisen zuläßt. So kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn in der erwähnten Schrift von Umdrehen allein unter dem Stamme aise (das Volk) nicht weniger als 244 verschiedene Familiennamen, die daraus gebildet sind, aufgeführt werden; und damit ist der Vorrath noch nicht erschöpft. Zu den aus ursprünglichen Personennamen gebildeten Familiennamen gehört auch eine nicht unbedeutende Zahl von Fremd namen, die in späterer Zeit zur Benennung ' von Personen verwendet wurden und sich im Laufe der Zeit auf dem angegebenen Wege zu Familiennamen entwickelten. Diese sind größtenteils durch das Christenthum zu uns gebracht worden; es sind die Namen von Aposteln und Heiligen, daher meist hebräischen, griechischen oder lateinischen Ursprungs. Das Medium, durch welches sie in die deutsche Sprache eindrangen, war der Kalender. Während nämlich in früherer Zeit unsere Vor¬ fahren trotz ihres Uebertrittes zum Christenthum doch an ihren altererbter nationalen Namen festhielten, suchten etwa seit dem Anfang des 13.Jahrhun- derts die Geistlichen das Volk zur Annahme christlicher Namen zu bestimmen. Es sollte damit auch äußerlich die Loslösung vom Heidenthum angezeigt werden, ähnlich wie diejenigen, die in ein Kloster eintraten, mit der Annahme des Mönchsgewandes auch einen neuen Namen annehmen mußten. So entwickelte sich der theilweise noch jetzt bestehende Gebrauch, nach dem Kalender dem Kinde den Namen desjenigen Heiligen beizulegen, dem der betreffende Tanftag geweiht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/334>, abgerufen am 27.11.2024.