Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.gründlichen Wohlstandes. Nun aber die alten Herren waren ganz unerträglich Unter die zahme Kompagnie gebracht schließlich aber andeutet, daß er sich stark genug fühle, die Fesseln jeden Aber mit den übrigen Gästen war auch eine Persönlichkeit nach Frankfurt gründlichen Wohlstandes. Nun aber die alten Herren waren ganz unerträglich Unter die zahme Kompagnie gebracht schließlich aber andeutet, daß er sich stark genug fühle, die Fesseln jeden Aber mit den übrigen Gästen war auch eine Persönlichkeit nach Frankfurt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142817"/> <p xml:id="ID_934" prev="#ID_933"> gründlichen Wohlstandes. Nun aber die alten Herren waren ganz unerträglich<lb/> mit ihren Onkelsmanieren, die ihre Hände nicht im Zaum hielten und bei<lb/> widerwärtigen Tätscheln sogar einen Kuß verlangten, welchem die Wange nicht<lb/> versagt wurde .... Aber^ unter diesem Zudrang versäumte sie den Freund<lb/> nicht, und wenn sie sich zu ihm wendete, so wußte sie mit Wenigem das<lb/> Zarteste zu äußeren, was der gegenseitigen Lage völlig geeignet schien." Das<lb/> ist die Schilderung, die Goethe in „Dichtung und Wahrheit" von dem Verkehr<lb/> im Schönemann'schen Hause, wie er zur Michaelismesse 1775 sich entwickelte,<lb/> entwirft, die aber natürlich vollkommen auch für die Ostermesse zutrifft. In<lb/> diesen Tagen mag das launige Gericht „Lili's Park" entstanden sein, worin<lb/> er den Schwarm ihrer Verehrer mit einer Menagerie, sich selbst mit einem<lb/> Bären vergleicht, den sie auch</p><lb/> <quote> Unter die zahme Kompagnie gebracht<lb/> Und mit den Andern zahm gemacht:<lb/> Bis auf einen gewissen Punkt versteht sich!</quote><lb/> <p xml:id="ID_935"> schließlich aber andeutet, daß er sich stark genug fühle, die Fesseln jeden<lb/> Augenblick wieder zu zersprengen. Goethe selber erwähnt das Gedicht, ohne<lb/> über seine Entstehungszeit sicher zu sein, im Anschluß an seine Schilderung der<lb/> Meßgäste aus dem Herbst. Es liegt also nahe, es in den Frühling 1775 zu<lb/> setzen. Das Bild von dem ungeleckten Bären begegnet uns in der Folge wieder¬<lb/> holt in seinen Briefen, und auch in „Dichtung und Wahrheit" erzählt er, daß<lb/> er in manchen Familien, wo man damals ihn kennen zu lernen wünschte, „wegen<lb/> oftmaligen unfreundlichen Abweisens" als Bär angekündigt worden sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_936" next="#ID_937"> Aber mit den übrigen Gästen war auch eine Persönlichkeit nach Frankfurt<lb/> gekommen, die in unerwarteter Weise dem unschlüssiger Liebhaber zu Hilfe<lb/> kommen sollte, ein Fräulein Delph oder, wie Goethe selber sie schreibt, Delf.<lb/> Sie leitete seit dem Tode ihres Bruders, 1761, mit ihrer Schwester zusammen<lb/> ein kaufmännisches Geschäft in Heidelberg — „die Handelsjnngfer Delphin" wird<lb/> sie in amtlichen Akten genannt — und stand mit Frau Schönemann wie mit an¬<lb/> deren Frankfurter Häusern in geschäftlicher und freundschaftlicher Verbindung.<lb/> Sie war damals 47 Jahre alt, kannte und liebte Lili von Jugend auf und besaß<lb/> das ganze Vertrauen von Lili's Mutter. Köstlich ist die Charakteristik, die Goethe<lb/> selber von der ziemlich determinirt angelegten Dame gibt, wie sie ihre ganze<lb/> Freude daran gehabt habe, die Gelegenheit zu ersehen, einzugreifen, wo sie die<lb/> Gesinnungen der Personen zwischen Zweifel und Entschluß schwanken sah, und<lb/> wie es ihr denn auch hier gelungen sei, durch Unterhandlungen mit Frau Schöne-<lb/> mann und Goethe's Eltern, mit denen sie der Sohn auch bekannt gemacht hatte,<lb/> unaufgefordert alle Schwierigkeiten zu beseitigen. Eines Abends trat sie zu dem<lb/> jungen Paare und brachte die Einwilligung. „Gebt Euch die Hände! rief sie mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0320]
gründlichen Wohlstandes. Nun aber die alten Herren waren ganz unerträglich
mit ihren Onkelsmanieren, die ihre Hände nicht im Zaum hielten und bei
widerwärtigen Tätscheln sogar einen Kuß verlangten, welchem die Wange nicht
versagt wurde .... Aber^ unter diesem Zudrang versäumte sie den Freund
nicht, und wenn sie sich zu ihm wendete, so wußte sie mit Wenigem das
Zarteste zu äußeren, was der gegenseitigen Lage völlig geeignet schien." Das
ist die Schilderung, die Goethe in „Dichtung und Wahrheit" von dem Verkehr
im Schönemann'schen Hause, wie er zur Michaelismesse 1775 sich entwickelte,
entwirft, die aber natürlich vollkommen auch für die Ostermesse zutrifft. In
diesen Tagen mag das launige Gericht „Lili's Park" entstanden sein, worin
er den Schwarm ihrer Verehrer mit einer Menagerie, sich selbst mit einem
Bären vergleicht, den sie auch
Unter die zahme Kompagnie gebracht
Und mit den Andern zahm gemacht:
Bis auf einen gewissen Punkt versteht sich!
schließlich aber andeutet, daß er sich stark genug fühle, die Fesseln jeden
Augenblick wieder zu zersprengen. Goethe selber erwähnt das Gedicht, ohne
über seine Entstehungszeit sicher zu sein, im Anschluß an seine Schilderung der
Meßgäste aus dem Herbst. Es liegt also nahe, es in den Frühling 1775 zu
setzen. Das Bild von dem ungeleckten Bären begegnet uns in der Folge wieder¬
holt in seinen Briefen, und auch in „Dichtung und Wahrheit" erzählt er, daß
er in manchen Familien, wo man damals ihn kennen zu lernen wünschte, „wegen
oftmaligen unfreundlichen Abweisens" als Bär angekündigt worden sei.
Aber mit den übrigen Gästen war auch eine Persönlichkeit nach Frankfurt
gekommen, die in unerwarteter Weise dem unschlüssiger Liebhaber zu Hilfe
kommen sollte, ein Fräulein Delph oder, wie Goethe selber sie schreibt, Delf.
Sie leitete seit dem Tode ihres Bruders, 1761, mit ihrer Schwester zusammen
ein kaufmännisches Geschäft in Heidelberg — „die Handelsjnngfer Delphin" wird
sie in amtlichen Akten genannt — und stand mit Frau Schönemann wie mit an¬
deren Frankfurter Häusern in geschäftlicher und freundschaftlicher Verbindung.
Sie war damals 47 Jahre alt, kannte und liebte Lili von Jugend auf und besaß
das ganze Vertrauen von Lili's Mutter. Köstlich ist die Charakteristik, die Goethe
selber von der ziemlich determinirt angelegten Dame gibt, wie sie ihre ganze
Freude daran gehabt habe, die Gelegenheit zu ersehen, einzugreifen, wo sie die
Gesinnungen der Personen zwischen Zweifel und Entschluß schwanken sah, und
wie es ihr denn auch hier gelungen sei, durch Unterhandlungen mit Frau Schöne-
mann und Goethe's Eltern, mit denen sie der Sohn auch bekannt gemacht hatte,
unaufgefordert alle Schwierigkeiten zu beseitigen. Eines Abends trat sie zu dem
jungen Paare und brachte die Einwilligung. „Gebt Euch die Hände! rief sie mit
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