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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Publikum lief am 24. Juli der warnende Ruf, daß man des Endergebnisses
nicht durchaus gewiß zu sein glauben dürfe, und es gerathen sei, sich zugleich
auf ein anderes gefaßt zu machen. Dabei ist es bemerkenswerth, daß etwa um
dieselbe Zeit sich in türkischen Kreisen bereits die Meinung geltend machte, daß
die Entscheidung Montag den 28. gegeben werden dürfte. Allerdings überwog
auch hierbei die Voraussetzung eines Sieges des Großwesirs und der Entlas¬
sung seiner Gegner vus dem Kabinet, vor allen des Seraskers Ghasy Osman
Pascha. Indessen wiesen die langdauernden Minister-Berathungen, die unter
dem persönlichen Vorsitz des Sultans in der Nacht vom Freitag zum Sonn¬
abend und in der unmittelbar darauf folgenden im Jildis-Kiosk stattfanden,
auf die Gespanntheit der Lage hin. Muthmaßlich unter dem Druck des engli¬
schen und französischen Einflusses hielt der osmanische Monarch lange an dem
Gesichtspunkte fest, daß ein Vergleich, bei dem der Großwesir auf einen Theil
seiner Forderungen verzichte, das zu Erstrebende sei, während die Feinde des
letzteren entschieden den Sturz desselben als den einzigen verbleibenden Aus¬
weg hinstellten. Als man in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntage aus¬
einanderging, war der Fall Khereddin's bereits entschieden. Er hatte der
Sitzung selber beigewohnt, und es sollte die letzte für ihn sein. Ob er über
den Ausgang, der auch ihm selber jetzt nicht mehr verborgen sein konnte, seine
Freunde Fournier und Layard noch im Laufe des Sonntags (27. Juli) unter¬
richtete, ist nicht bekannt geworden. Der einzige Minister, der in treuer und
aufrichtiger Ergebenheit zum Großwesir gestanden hatte, Karatheodory Pascha,
scheint der Sonnabends-Berathung nicht beigewohnt zu haben. Ganz durch
die Angelegenheit des Jnvestiturfermcms für Tewfik Pascha und die in der¬
selben durch England und Frankreich erhobenen Schwierigkeiten in Anspruch
genommen, war ihm die Lage des Kabinetschefs selber und seine eigene
momentan fast aus den Augen gekommen, als Montag Vormittag, wo er in
seinem Kabinet ans der Pforte sich unter Akten und Papieren begraben befand,
die Mittheilung zuging, daß der Sultan die Entlassung des Großwesirs ange¬
nommen und gleichzeitig seine eigene verfügt habe.

Damit werdeu die Wege der beiden Männer, welche bis dahin in den
jüngst verflossenen acht Monaten fest zusammengestanden haben, sich trennen.
Es ist nicht zweifelhaft, daß Karatheodory Pascha über kurz oder lang eine
neue Verwendung in dem noch manchen Modifikationen rücksichtlich seiner Zn¬
sammensetzung unterliegenden osmanischen Kabinet erhalten wird. Ungewiß
erscheint es, ob Khereddin Pascha die Türkei, in der er mit einem französischen
Paß im Portefeuille seither nur in der Eigenschaft eines Gastes geweilt hat,
auf die Dauer und für immer verlassen wird. Seine Karriere wäre damit an
ihrem Endpunkte angelangt. An sich erscheinen die hiesigen Umstünde nicht


Publikum lief am 24. Juli der warnende Ruf, daß man des Endergebnisses
nicht durchaus gewiß zu sein glauben dürfe, und es gerathen sei, sich zugleich
auf ein anderes gefaßt zu machen. Dabei ist es bemerkenswerth, daß etwa um
dieselbe Zeit sich in türkischen Kreisen bereits die Meinung geltend machte, daß
die Entscheidung Montag den 28. gegeben werden dürfte. Allerdings überwog
auch hierbei die Voraussetzung eines Sieges des Großwesirs und der Entlas¬
sung seiner Gegner vus dem Kabinet, vor allen des Seraskers Ghasy Osman
Pascha. Indessen wiesen die langdauernden Minister-Berathungen, die unter
dem persönlichen Vorsitz des Sultans in der Nacht vom Freitag zum Sonn¬
abend und in der unmittelbar darauf folgenden im Jildis-Kiosk stattfanden,
auf die Gespanntheit der Lage hin. Muthmaßlich unter dem Druck des engli¬
schen und französischen Einflusses hielt der osmanische Monarch lange an dem
Gesichtspunkte fest, daß ein Vergleich, bei dem der Großwesir auf einen Theil
seiner Forderungen verzichte, das zu Erstrebende sei, während die Feinde des
letzteren entschieden den Sturz desselben als den einzigen verbleibenden Aus¬
weg hinstellten. Als man in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntage aus¬
einanderging, war der Fall Khereddin's bereits entschieden. Er hatte der
Sitzung selber beigewohnt, und es sollte die letzte für ihn sein. Ob er über
den Ausgang, der auch ihm selber jetzt nicht mehr verborgen sein konnte, seine
Freunde Fournier und Layard noch im Laufe des Sonntags (27. Juli) unter¬
richtete, ist nicht bekannt geworden. Der einzige Minister, der in treuer und
aufrichtiger Ergebenheit zum Großwesir gestanden hatte, Karatheodory Pascha,
scheint der Sonnabends-Berathung nicht beigewohnt zu haben. Ganz durch
die Angelegenheit des Jnvestiturfermcms für Tewfik Pascha und die in der¬
selben durch England und Frankreich erhobenen Schwierigkeiten in Anspruch
genommen, war ihm die Lage des Kabinetschefs selber und seine eigene
momentan fast aus den Augen gekommen, als Montag Vormittag, wo er in
seinem Kabinet ans der Pforte sich unter Akten und Papieren begraben befand,
die Mittheilung zuging, daß der Sultan die Entlassung des Großwesirs ange¬
nommen und gleichzeitig seine eigene verfügt habe.

Damit werdeu die Wege der beiden Männer, welche bis dahin in den
jüngst verflossenen acht Monaten fest zusammengestanden haben, sich trennen.
Es ist nicht zweifelhaft, daß Karatheodory Pascha über kurz oder lang eine
neue Verwendung in dem noch manchen Modifikationen rücksichtlich seiner Zn¬
sammensetzung unterliegenden osmanischen Kabinet erhalten wird. Ungewiß
erscheint es, ob Khereddin Pascha die Türkei, in der er mit einem französischen
Paß im Portefeuille seither nur in der Eigenschaft eines Gastes geweilt hat,
auf die Dauer und für immer verlassen wird. Seine Karriere wäre damit an
ihrem Endpunkte angelangt. An sich erscheinen die hiesigen Umstünde nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/310>, abgerufen am 27.11.2024.