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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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ihrer Aufgabe vollständig gewachsen. Da die Spieler das Sextett bereits früher
einmal durchgespielt hatten, so konnte von einer "Musikprobe" hier nicht die
Rede sein. Es war eine Vor-, eine glänzende Ausführung, welche dem Werke
zu Theil wurde. Gestaunt habe ich oft über das Walten des Kunstgeistes,
wie es sich hierbei entwickelte: die Vollendung der ausübenden Kunst war es,
welche man mit Bewunderung als Erlebniß durchmachte. Aber auch die Kom¬
position, zumal ihr erster Satz, war oft von hinreißender Wirkung; ich glaube,
auch bei minder vorzüglicher Ausführung wird die Wirkung zündend fein, was
ich bei dem Quartett nicht verbürgen mochte. Eine äußerst belebte Stimmung
hatte sich Aller bemächtigt, ungetrübte Freude zog die Herzen mächtig an
einander.

Noch einmal sammelte man sich dann im Nebenzimmer, um der erregten
Stimmung Zeit zum Ausklingen zu gönnen. Auch dem Hausherrn mußte es
wohlthun, die beglückte Gesellschaft noch um sich zu behalten. Aber die Stunden
rückten vor, es war bald Mitternacht geworden, und so machte man Ausbruch.
Viele, viele Dankesworte wurden gewechselt -- und nach wenigen Minuten
waren die Gäste auf dem Nachhausewege.

Unvergeßlich wird mir dieser Abend bleiben!

Ja so! Wie der Komponist heißt, der so schlicht und bescheiden und doch
so gefeiert war? Er schreibt sich Anton Door-N und spricht sich aus "Dwor-
schaak". Geboren ist er am 8. September 1841 in Mühlhausen bei Prag,
lebt gegenwärtig in der Hauptstadt Böhmen's, wo er bis vor einiger Zeit
"Bratschist" an der Oper war. Die von ihm herausgegebenen "Slavischen
Tänze" für Pianoforte zu vier Händen oder für Orchester, dann die unter der
Bezeichnung "Klänge aus Mähren" erschienenen Duette für Sopran und Alt
haben ihm bereits aus weiten Kreisen die Aufmerksamkeit zugewandt. Das
Streichquartett und das Streichsextett, von denen oben die Rede ist, befinden sich
unter der Presse. Nach allen diesen Werken zu urtheilen, spreche ich meine feste
Ueberzeugung dahin aus, daß der Komponist zu Hohem berufen ist, und daß
er je höhere Bedeutung gewinnen wird, je mehr er die Herrschaft über die
Form erreichen, je mehr er die polyphone Schreibart sich unterthänig machen
wird. Seine melodische Kraft wird ihm stets ergiebige Quellen der "Erfin¬
dung" erschließen, wenn er darauf bedacht bleibt, sie zusammenzuhalten. Möge
ihn der Genius der Kunst für alle Zukunft schützen!


A. D.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.

ihrer Aufgabe vollständig gewachsen. Da die Spieler das Sextett bereits früher
einmal durchgespielt hatten, so konnte von einer „Musikprobe" hier nicht die
Rede sein. Es war eine Vor-, eine glänzende Ausführung, welche dem Werke
zu Theil wurde. Gestaunt habe ich oft über das Walten des Kunstgeistes,
wie es sich hierbei entwickelte: die Vollendung der ausübenden Kunst war es,
welche man mit Bewunderung als Erlebniß durchmachte. Aber auch die Kom¬
position, zumal ihr erster Satz, war oft von hinreißender Wirkung; ich glaube,
auch bei minder vorzüglicher Ausführung wird die Wirkung zündend fein, was
ich bei dem Quartett nicht verbürgen mochte. Eine äußerst belebte Stimmung
hatte sich Aller bemächtigt, ungetrübte Freude zog die Herzen mächtig an
einander.

Noch einmal sammelte man sich dann im Nebenzimmer, um der erregten
Stimmung Zeit zum Ausklingen zu gönnen. Auch dem Hausherrn mußte es
wohlthun, die beglückte Gesellschaft noch um sich zu behalten. Aber die Stunden
rückten vor, es war bald Mitternacht geworden, und so machte man Ausbruch.
Viele, viele Dankesworte wurden gewechselt — und nach wenigen Minuten
waren die Gäste auf dem Nachhausewege.

Unvergeßlich wird mir dieser Abend bleiben!

Ja so! Wie der Komponist heißt, der so schlicht und bescheiden und doch
so gefeiert war? Er schreibt sich Anton Door-N und spricht sich aus „Dwor-
schaak". Geboren ist er am 8. September 1841 in Mühlhausen bei Prag,
lebt gegenwärtig in der Hauptstadt Böhmen's, wo er bis vor einiger Zeit
„Bratschist" an der Oper war. Die von ihm herausgegebenen „Slavischen
Tänze" für Pianoforte zu vier Händen oder für Orchester, dann die unter der
Bezeichnung „Klänge aus Mähren" erschienenen Duette für Sopran und Alt
haben ihm bereits aus weiten Kreisen die Aufmerksamkeit zugewandt. Das
Streichquartett und das Streichsextett, von denen oben die Rede ist, befinden sich
unter der Presse. Nach allen diesen Werken zu urtheilen, spreche ich meine feste
Ueberzeugung dahin aus, daß der Komponist zu Hohem berufen ist, und daß
er je höhere Bedeutung gewinnen wird, je mehr er die Herrschaft über die
Form erreichen, je mehr er die polyphone Schreibart sich unterthänig machen
wird. Seine melodische Kraft wird ihm stets ergiebige Quellen der „Erfin¬
dung" erschließen, wenn er darauf bedacht bleibt, sie zusammenzuhalten. Möge
ihn der Genius der Kunst für alle Zukunft schützen!


A. D.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel K Herrmann in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/302>, abgerufen am 27.11.2024.