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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Muster ihrer heimatlichen Wohnstätten entsprechen. Mitunter beziehen sie auch
zu vier bis zwölf Familien -- die Unverheirateten für sich -- hölzerne Baracken.
Ebenso wie die Kleidung wird ihnen auch ihre Nahrung verabreicht, die aus
bestimmten Portionen Schweinefleisch, Fisch, Taro, Jams, Paradiesfeigen,
Brodfrucht und einer täglichen Ration von gesundem Brod aus Maismehl
besteht, welches sie sehr lieben. Außer diesen regelmäßigen Tagesrationen
erhalten sie Kokosnüsse, Melonen und andres Gemüse nach Belieben. An
Sonn- und Feiertagen, die stets arbeitsfrei sind, dürfen sie auch fischen gehen,
eine Erlaubniß, von der sie den umfänglichsten Gebrauch machen. Die tägliche
Arbeitszeit umfaßt neun Stunden, von 6 bis 11 und 12 bis 4 Uhr. Die
Aufsicht führen entweder Häuptlinge, welche sich mit engagiren ließen, oder
andere farbige Arbeiter, die bereits längere Jahre im Dienste der Faktorei
stehen. Nur die Oberaufsicht liegt in den Händen von Europäern. Es wird
unter keinen Umständen gestattet, daß die Arbeiter von ihren Aufsehern ge¬
schlagen werden. Wenn Verstöße gegen die bestehende Ordnung vorkommen,
z. B. Gewaltthätigkeiten, Verwundungen bei Prügeleien, die durch übermäßigen
Genuß des ihnen eigentlich verbotenen Branntweins oder in Folge von Eifer¬
sucht hervorgerufen werden, oder gar größere Vergehen, so findet erst eine
Untersuchung des Thatbestandes und dann Feststellung der Strafe statt. Die
letztere besteht in der Regel aus ein bis vier Dutzend Schlägen mit der Katze
und wird in Gegenwart des Konsuls oder des Leiters der Ansiedelung voll¬
zogen. In seltenern Fällen greift man zur Haftstrafe. Die gesundheitlichen
Verhältnisse der Arbeiter stehen unter Aufsicht eines gehörig gebildeten europäi¬
schen Arztes, der ihnen in Krankheitsfällen alle erforderlichen Arzneimittel
unentgeltlich verabreicht. Missionäre jeder Konfession dürfen sie besuchen und
unterrichten. In ihren Eheschließungs-Förmlichkeiten werden die Arbeiter in
keiner Weise beeinträchtigt, sie dürfen ihre Verbindungen eingehen, wie sie wollen,
vorausgesetzt, daß der Friede erhalten bleibt. So darf man die Behandlung
der Arbeiter durchaus als eine humane bezeichnen. Selbstverständlich liegt eine
solche im eignen Interesse der Unternehmer, denn für sie ist es bei dem lange
noch nicht gedeckten Bedarf an Arbeitskräften sehr wesentlich, daß der Heim¬
kehrende durch Erzählung seiner Erlebnisse Andere nach sich zieht, wenn er
nicht selbst den Kontrakt verlängert. Daß ein sehr großer Theil der Einge-
bornen einen neuen Vertrag eingeht, viele sogar ganz und gar auf der Pflan¬
zung bleiben, andere nur einen kurzen Urlaub zum Besuche ihrer zurückgeblie¬
benen Angehörigen nehmen und dann freiwillig zurückkehren, spricht entschieden
zu Gunsten der getroffenen Einrichtungen. Die Anzahl der gewonnenen Arbeits¬
kräfte erreichte im Jahre 1878 die beträchtliche Summe von 1200. "Sie kommen
schmutzig, faul und Wildsau," äußert sich der schon genannte Herr Sterndal,


Muster ihrer heimatlichen Wohnstätten entsprechen. Mitunter beziehen sie auch
zu vier bis zwölf Familien — die Unverheirateten für sich — hölzerne Baracken.
Ebenso wie die Kleidung wird ihnen auch ihre Nahrung verabreicht, die aus
bestimmten Portionen Schweinefleisch, Fisch, Taro, Jams, Paradiesfeigen,
Brodfrucht und einer täglichen Ration von gesundem Brod aus Maismehl
besteht, welches sie sehr lieben. Außer diesen regelmäßigen Tagesrationen
erhalten sie Kokosnüsse, Melonen und andres Gemüse nach Belieben. An
Sonn- und Feiertagen, die stets arbeitsfrei sind, dürfen sie auch fischen gehen,
eine Erlaubniß, von der sie den umfänglichsten Gebrauch machen. Die tägliche
Arbeitszeit umfaßt neun Stunden, von 6 bis 11 und 12 bis 4 Uhr. Die
Aufsicht führen entweder Häuptlinge, welche sich mit engagiren ließen, oder
andere farbige Arbeiter, die bereits längere Jahre im Dienste der Faktorei
stehen. Nur die Oberaufsicht liegt in den Händen von Europäern. Es wird
unter keinen Umständen gestattet, daß die Arbeiter von ihren Aufsehern ge¬
schlagen werden. Wenn Verstöße gegen die bestehende Ordnung vorkommen,
z. B. Gewaltthätigkeiten, Verwundungen bei Prügeleien, die durch übermäßigen
Genuß des ihnen eigentlich verbotenen Branntweins oder in Folge von Eifer¬
sucht hervorgerufen werden, oder gar größere Vergehen, so findet erst eine
Untersuchung des Thatbestandes und dann Feststellung der Strafe statt. Die
letztere besteht in der Regel aus ein bis vier Dutzend Schlägen mit der Katze
und wird in Gegenwart des Konsuls oder des Leiters der Ansiedelung voll¬
zogen. In seltenern Fällen greift man zur Haftstrafe. Die gesundheitlichen
Verhältnisse der Arbeiter stehen unter Aufsicht eines gehörig gebildeten europäi¬
schen Arztes, der ihnen in Krankheitsfällen alle erforderlichen Arzneimittel
unentgeltlich verabreicht. Missionäre jeder Konfession dürfen sie besuchen und
unterrichten. In ihren Eheschließungs-Förmlichkeiten werden die Arbeiter in
keiner Weise beeinträchtigt, sie dürfen ihre Verbindungen eingehen, wie sie wollen,
vorausgesetzt, daß der Friede erhalten bleibt. So darf man die Behandlung
der Arbeiter durchaus als eine humane bezeichnen. Selbstverständlich liegt eine
solche im eignen Interesse der Unternehmer, denn für sie ist es bei dem lange
noch nicht gedeckten Bedarf an Arbeitskräften sehr wesentlich, daß der Heim¬
kehrende durch Erzählung seiner Erlebnisse Andere nach sich zieht, wenn er
nicht selbst den Kontrakt verlängert. Daß ein sehr großer Theil der Einge-
bornen einen neuen Vertrag eingeht, viele sogar ganz und gar auf der Pflan¬
zung bleiben, andere nur einen kurzen Urlaub zum Besuche ihrer zurückgeblie¬
benen Angehörigen nehmen und dann freiwillig zurückkehren, spricht entschieden
zu Gunsten der getroffenen Einrichtungen. Die Anzahl der gewonnenen Arbeits¬
kräfte erreichte im Jahre 1878 die beträchtliche Summe von 1200. „Sie kommen
schmutzig, faul und Wildsau," äußert sich der schon genannte Herr Sterndal,


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[0297] Muster ihrer heimatlichen Wohnstätten entsprechen. Mitunter beziehen sie auch zu vier bis zwölf Familien — die Unverheirateten für sich — hölzerne Baracken. Ebenso wie die Kleidung wird ihnen auch ihre Nahrung verabreicht, die aus bestimmten Portionen Schweinefleisch, Fisch, Taro, Jams, Paradiesfeigen, Brodfrucht und einer täglichen Ration von gesundem Brod aus Maismehl besteht, welches sie sehr lieben. Außer diesen regelmäßigen Tagesrationen erhalten sie Kokosnüsse, Melonen und andres Gemüse nach Belieben. An Sonn- und Feiertagen, die stets arbeitsfrei sind, dürfen sie auch fischen gehen, eine Erlaubniß, von der sie den umfänglichsten Gebrauch machen. Die tägliche Arbeitszeit umfaßt neun Stunden, von 6 bis 11 und 12 bis 4 Uhr. Die Aufsicht führen entweder Häuptlinge, welche sich mit engagiren ließen, oder andere farbige Arbeiter, die bereits längere Jahre im Dienste der Faktorei stehen. Nur die Oberaufsicht liegt in den Händen von Europäern. Es wird unter keinen Umständen gestattet, daß die Arbeiter von ihren Aufsehern ge¬ schlagen werden. Wenn Verstöße gegen die bestehende Ordnung vorkommen, z. B. Gewaltthätigkeiten, Verwundungen bei Prügeleien, die durch übermäßigen Genuß des ihnen eigentlich verbotenen Branntweins oder in Folge von Eifer¬ sucht hervorgerufen werden, oder gar größere Vergehen, so findet erst eine Untersuchung des Thatbestandes und dann Feststellung der Strafe statt. Die letztere besteht in der Regel aus ein bis vier Dutzend Schlägen mit der Katze und wird in Gegenwart des Konsuls oder des Leiters der Ansiedelung voll¬ zogen. In seltenern Fällen greift man zur Haftstrafe. Die gesundheitlichen Verhältnisse der Arbeiter stehen unter Aufsicht eines gehörig gebildeten europäi¬ schen Arztes, der ihnen in Krankheitsfällen alle erforderlichen Arzneimittel unentgeltlich verabreicht. Missionäre jeder Konfession dürfen sie besuchen und unterrichten. In ihren Eheschließungs-Förmlichkeiten werden die Arbeiter in keiner Weise beeinträchtigt, sie dürfen ihre Verbindungen eingehen, wie sie wollen, vorausgesetzt, daß der Friede erhalten bleibt. So darf man die Behandlung der Arbeiter durchaus als eine humane bezeichnen. Selbstverständlich liegt eine solche im eignen Interesse der Unternehmer, denn für sie ist es bei dem lange noch nicht gedeckten Bedarf an Arbeitskräften sehr wesentlich, daß der Heim¬ kehrende durch Erzählung seiner Erlebnisse Andere nach sich zieht, wenn er nicht selbst den Kontrakt verlängert. Daß ein sehr großer Theil der Einge- bornen einen neuen Vertrag eingeht, viele sogar ganz und gar auf der Pflan¬ zung bleiben, andere nur einen kurzen Urlaub zum Besuche ihrer zurückgeblie¬ benen Angehörigen nehmen und dann freiwillig zurückkehren, spricht entschieden zu Gunsten der getroffenen Einrichtungen. Die Anzahl der gewonnenen Arbeits¬ kräfte erreichte im Jahre 1878 die beträchtliche Summe von 1200. „Sie kommen schmutzig, faul und Wildsau," äußert sich der schon genannte Herr Sterndal,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/297>, abgerufen am 01.09.2024.