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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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wirrung kam soweit, daß die um den Staat besorgten Häuptlinge ihr Heil bei
fremden Staaten zu suchen beschlossen, und von den beiden Hauptparteien sich
die eine an England, die andre an die Vereinigten Staaten wandte. Da man
sich jedoch in den bei jenen Kabinetten eingereichten Ansuchen nicht deutlich
ausgedrückt hatte, so reagirte die englische Regierung vorläufig nicht, die ameri¬
kanische sandte den Oberst Steinberger nach den Inseln, damit er sich von ihrem
Zustande überzeugen und darüber berichten sollte. Obwohl aber die amerikanische
Regierung diesem Manne diesen ganz bestimmten und nicht sehr weitgehenden
Auftrag ertheilt hatte, geberdete er sich, auf den Inseln angekommen, als
Regierungskommissär, wußte das Vertrauen des Königs Malietoa zu gewinnen
und sich zu dessen allmächtigen Minister aufzuschwingen. Durch das eigen¬
mächtige und selbstsüchtige Vorgehen des ehemaligen Obersten wurde die Un¬
ordnung nur noch großer. Vor allem fühlte sich der offizielle Vertreter der
Vereinigten Staaten, Konsul Foster, vielfach zurückgesetzt und lief Gefahr, seinem
Landsmann gegenüber ganz bei Seite geschoben zu werden. Mr. Foster wußte
es aber soweit zu bringen, daß Steinberger aus seiner hohen Stellung entfernt
wurde, und zwar erreichte er dies unter Mitwirkung des deutschen und englischen
Konsuls. Die weitere Folge war die, daß auch König Malietoa seines Thrones
entsetzt wurde. Als der Kapitän des englisches Kriegsschiffes Barraeouta zu
Gunsten des Entthronten einschreiten wollte, kam es zu einem Kampfe mit den
Eingebornen, der mehrere" englischen Seesoldaten das Leben kostete. Der englische
Konsul war sogleich bei der Hand, eine unverhältnißmüßig hohe Entschädigung
-- beiläufig 60000 Pf. Se. --, die übrigens später auf den zehnten Theil
herabgesetzt und den Insulanern in msliorsm toi'tu,nx>.ni gestundet wurde, zu
fordern und so die unglücklichen Samoaner in immer größere Verlegenheiten
zu stürzen.

Damals bestanden unter den Samoanern zwei Parteien: man könnte sagen
eine demokratisch-republikanische und eine monarchische. Die erstere setzte sich wieder
zusammen aus den Taimua und Faipule. Ueber diese äußerte sich Konsul
Theodor Weber in seinen Berichten an die kaiserlich deutsche Regierung fol¬
gendermaßen: "Die Taimua ist eine Versammlung von Häuptlingen, die am
ehesten mit dem Senat der Hansestädte verglichen werden kann, die Faipule
eine Versammlung von Männern, die der Bürgerschaft (s,Jia,L Stadtverordneten)
entspricht. Aber die Taimua und Faipule finden im Lande keine rechte Aner¬
kennung." Die andre Partei, welche darnach strebte, dem Lande wieder ein
Oberhaupt zu geben, nannte sich Puletua. Während nun zu Anfang des Jahres
1877 die Taimua und Faipule, im Bewußtsein ihrer Schwäche und Unfähigkeit,
sich am Staatsruder zu halten, sich an die englische wie an die amerikanische
Regierung mit der Bitte um Schutz (Mowotion) wandten, unter welchem Be-


wirrung kam soweit, daß die um den Staat besorgten Häuptlinge ihr Heil bei
fremden Staaten zu suchen beschlossen, und von den beiden Hauptparteien sich
die eine an England, die andre an die Vereinigten Staaten wandte. Da man
sich jedoch in den bei jenen Kabinetten eingereichten Ansuchen nicht deutlich
ausgedrückt hatte, so reagirte die englische Regierung vorläufig nicht, die ameri¬
kanische sandte den Oberst Steinberger nach den Inseln, damit er sich von ihrem
Zustande überzeugen und darüber berichten sollte. Obwohl aber die amerikanische
Regierung diesem Manne diesen ganz bestimmten und nicht sehr weitgehenden
Auftrag ertheilt hatte, geberdete er sich, auf den Inseln angekommen, als
Regierungskommissär, wußte das Vertrauen des Königs Malietoa zu gewinnen
und sich zu dessen allmächtigen Minister aufzuschwingen. Durch das eigen¬
mächtige und selbstsüchtige Vorgehen des ehemaligen Obersten wurde die Un¬
ordnung nur noch großer. Vor allem fühlte sich der offizielle Vertreter der
Vereinigten Staaten, Konsul Foster, vielfach zurückgesetzt und lief Gefahr, seinem
Landsmann gegenüber ganz bei Seite geschoben zu werden. Mr. Foster wußte
es aber soweit zu bringen, daß Steinberger aus seiner hohen Stellung entfernt
wurde, und zwar erreichte er dies unter Mitwirkung des deutschen und englischen
Konsuls. Die weitere Folge war die, daß auch König Malietoa seines Thrones
entsetzt wurde. Als der Kapitän des englisches Kriegsschiffes Barraeouta zu
Gunsten des Entthronten einschreiten wollte, kam es zu einem Kampfe mit den
Eingebornen, der mehrere» englischen Seesoldaten das Leben kostete. Der englische
Konsul war sogleich bei der Hand, eine unverhältnißmüßig hohe Entschädigung
— beiläufig 60000 Pf. Se. —, die übrigens später auf den zehnten Theil
herabgesetzt und den Insulanern in msliorsm toi'tu,nx>.ni gestundet wurde, zu
fordern und so die unglücklichen Samoaner in immer größere Verlegenheiten
zu stürzen.

Damals bestanden unter den Samoanern zwei Parteien: man könnte sagen
eine demokratisch-republikanische und eine monarchische. Die erstere setzte sich wieder
zusammen aus den Taimua und Faipule. Ueber diese äußerte sich Konsul
Theodor Weber in seinen Berichten an die kaiserlich deutsche Regierung fol¬
gendermaßen: „Die Taimua ist eine Versammlung von Häuptlingen, die am
ehesten mit dem Senat der Hansestädte verglichen werden kann, die Faipule
eine Versammlung von Männern, die der Bürgerschaft (s,Jia,L Stadtverordneten)
entspricht. Aber die Taimua und Faipule finden im Lande keine rechte Aner¬
kennung." Die andre Partei, welche darnach strebte, dem Lande wieder ein
Oberhaupt zu geben, nannte sich Puletua. Während nun zu Anfang des Jahres
1877 die Taimua und Faipule, im Bewußtsein ihrer Schwäche und Unfähigkeit,
sich am Staatsruder zu halten, sich an die englische wie an die amerikanische
Regierung mit der Bitte um Schutz (Mowotion) wandten, unter welchem Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/289>, abgerufen am 27.07.2024.