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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Hüter des Lebensquells und als Symbol der ewig schaffenden Naturkraft gilt,
begleitet ihn dahin. Nach Firdusi wandern sie zwei Tage und Nächte, ohne
etwas zu essen. Am dritten Tage kommen sie mitten in der Finsterniß plötzlich
an zwei Wege, wo sich der König verirrt. Chiser erreicht wirklich den Lebens¬
quell, wäscht sich in seinem leuchtenden Naß Leib und Haupt, genießt davon
und kehrt, nachdem er eine Zeitlang gerastet, wieder um. Nach NizÄmr erreicht
Alexander mit Chiser schon am nächsten Morgen die Lebensquelle, Chiser
erlangt durch das Trinken daraus Unsterblichkeit, allein dem Alexander bleibt
sie versagt, indem sie plötzlich vor ihm verschwindet. Die beiden anderen Tra¬
ditionen im JskendernÄme gehen in einander über. Darnach schickt Alexander
Chiser als Boten voraus, um die Lebensquelle zu suchen. Unterwegs gesellt
sich zu ihm der Prophet Ella.") Beide kommen bald zu eiuer Quelle, an der
sie Rast halten und ihr Mahl verzehren, welches aus Brod und getrocknetem
Salzsisch besteht. Um den Fisch schmackhaft zu macheu, wäscht ihn Chiser im
Wasser der Quelle ab. Da wird er unter seinen Händen plötzlich lebendig
und entschlüpft ihm. Chiser theilt das Wunder dem Propheten mit, und beide
trinken aus der Quelle Unsterblichkeit. Zu Alexander jedoch kehrt Chiser auf
die Weisung des Propheten nicht wieder zurück. Dieser, vergebens auf die
Rückkehr seines Abgesandten wartend, irrt gramerfüllt vierzig Tage in der von
undurchdringlicher Finsterniß bedeckten Wüste umher, bis ihm der Engel Serosch
erscheint und ihm meldet:


"Noch hat nicht, ob du ganz die Welt auch überwunden.
Dein Mark die Sättigung von roher Lust gefunden."
Er gab ihm einen Stein -- nicht an Gewicht so klein
Ist der Obol -- und sprach: "Werth halte diesen Stein !
Und müde wohl dich ab, daß deine Hand erreiche
In jenein Bau von Stein, was an Gewicht ihm gleiche!
Vielleicht kannst daraus du die Sättigung dir holen
Von solcher Lüste Drang."

Alexander nimmt den Stein aus des Engels Hand und tritt den Rückweg an.
Nach unsäglichen Mühen und Beschwerden erreicht der König mit feinen Leuten
endlich das Ende des finstern Thales, und die freundlichen Strahlen der Sonne
leuchten aufs neue in seine Augen. Als der König auf einer Wage die
Schwere des von Serosch ihm übergebenen Steins prüft, macht er die Ent¬
deckung, daß selbst hundert andere Steine seinem Gewichte nicht gleichkommen.
Da stellt sich plötzlich wieder der Bote Chiser ein und ertheilt ihm den Rath,



*) Chiser und Ella sind das in der mohammedanischen Sagen- und Märchenwelt un¬
zertrennliche Brüderpaar, dem Castor und Pollux der Griechen vergleichbar, welche den
Beruf haben, die Reisenden zu schätzen, der eine zu Lande, der andre zu Wasser.

Hüter des Lebensquells und als Symbol der ewig schaffenden Naturkraft gilt,
begleitet ihn dahin. Nach Firdusi wandern sie zwei Tage und Nächte, ohne
etwas zu essen. Am dritten Tage kommen sie mitten in der Finsterniß plötzlich
an zwei Wege, wo sich der König verirrt. Chiser erreicht wirklich den Lebens¬
quell, wäscht sich in seinem leuchtenden Naß Leib und Haupt, genießt davon
und kehrt, nachdem er eine Zeitlang gerastet, wieder um. Nach NizÄmr erreicht
Alexander mit Chiser schon am nächsten Morgen die Lebensquelle, Chiser
erlangt durch das Trinken daraus Unsterblichkeit, allein dem Alexander bleibt
sie versagt, indem sie plötzlich vor ihm verschwindet. Die beiden anderen Tra¬
ditionen im JskendernÄme gehen in einander über. Darnach schickt Alexander
Chiser als Boten voraus, um die Lebensquelle zu suchen. Unterwegs gesellt
sich zu ihm der Prophet Ella.") Beide kommen bald zu eiuer Quelle, an der
sie Rast halten und ihr Mahl verzehren, welches aus Brod und getrocknetem
Salzsisch besteht. Um den Fisch schmackhaft zu macheu, wäscht ihn Chiser im
Wasser der Quelle ab. Da wird er unter seinen Händen plötzlich lebendig
und entschlüpft ihm. Chiser theilt das Wunder dem Propheten mit, und beide
trinken aus der Quelle Unsterblichkeit. Zu Alexander jedoch kehrt Chiser auf
die Weisung des Propheten nicht wieder zurück. Dieser, vergebens auf die
Rückkehr seines Abgesandten wartend, irrt gramerfüllt vierzig Tage in der von
undurchdringlicher Finsterniß bedeckten Wüste umher, bis ihm der Engel Serosch
erscheint und ihm meldet:


„Noch hat nicht, ob du ganz die Welt auch überwunden.
Dein Mark die Sättigung von roher Lust gefunden."
Er gab ihm einen Stein — nicht an Gewicht so klein
Ist der Obol — und sprach: „Werth halte diesen Stein !
Und müde wohl dich ab, daß deine Hand erreiche
In jenein Bau von Stein, was an Gewicht ihm gleiche!
Vielleicht kannst daraus du die Sättigung dir holen
Von solcher Lüste Drang."

Alexander nimmt den Stein aus des Engels Hand und tritt den Rückweg an.
Nach unsäglichen Mühen und Beschwerden erreicht der König mit feinen Leuten
endlich das Ende des finstern Thales, und die freundlichen Strahlen der Sonne
leuchten aufs neue in seine Augen. Als der König auf einer Wage die
Schwere des von Serosch ihm übergebenen Steins prüft, macht er die Ent¬
deckung, daß selbst hundert andere Steine seinem Gewichte nicht gleichkommen.
Da stellt sich plötzlich wieder der Bote Chiser ein und ertheilt ihm den Rath,



*) Chiser und Ella sind das in der mohammedanischen Sagen- und Märchenwelt un¬
zertrennliche Brüderpaar, dem Castor und Pollux der Griechen vergleichbar, welche den
Beruf haben, die Reisenden zu schätzen, der eine zu Lande, der andre zu Wasser.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/283>, abgerufen am 24.11.2024.