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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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ungen und sonstigen Eigenthümlichkeiten, Sitten und Gebräuche ließ, so setzten
ihm auch die Juden keinen Widerstand entgegen, sondern versprachen ihm
Unterthänigkeit und huldigten ihm, wofür ihnen das Wohlwollen des Herrschers
zu Theil wurde. Das samaritanische Buch Josua beutet übrigens den Vorfall
im entgegengesetzten Sinne zu Gunsten der samaritanischen Religion aus.*)

Nach einer zweiten Sage erscheinen verschiedene Völker vor Alexander's
Richterstuhl, um mit den Juden theils wegen des Heiligen Landes, theils wegen
der aus Aegypten mitgenommenen silbernen und goldenen Gesäße zu rechten.
Alle werden aber vom Könige, nachdem er die Vertheidigung eines scharfsinnigen
Juden vernommen, abfällig beschieden. Die Sage, welche der babylonische
Traktat Sanhedr erzählt, lautet: "Es kamen Leute aus Afrika, um ihre Rechts¬
sache gegen die Kinder Israel vor Alexander den Großen zu bringen. Das
Land Kanaan, sprachen sie, gehört uns, wie bei Mose geschrieben steht, denn
Kanaan ist unser Vater gewesen. Da sprach Gebiha ben Passisa zu den
Weisen: Gebt mir die Erlaubniß, daß ich für euch den Rechtsstreit führe;
denn fällt das Urtheil zu ihren Gunsten aus, so könnt ihr sprechen: Ihr habt
einen Geringen von uns überwunden; fällt aber das Urtheil zu ihrem Nach¬
theil aus, so sprecht: das Gesetz Mose hat euch überwunden. Da ertheilten
sie ihm die Erlaubniß, und er sprach zu den Anklägern: Woher nehmt ihr
euren Beweis, womit begründet ihr eure Forderung? Sie antworteten: Aus
der Bibel. Darauf versetzte er: Auch ich will meinen Beweis aus der Bibel
nehmen. Wenn schon nach Mose ein (leibeigener) Knecht Güter bekommt, wein
fallen dann die Güter sammt dem Knechte zu? Doch das ist es nicht allein,
sondern ihr habt uns auch in so und soviel Jahren nicht gedient. Alexander
forderte nun die Kläger auf, ihren Beweis vorzubringen. Sie sprachen: Gib
uns drei Tage Zeit. Alexander gewährte ihnen die Frist; da sie aber trotz
ihres Suchens keine Antwort finden konnten, flohen sie und ließen ihre besäten
Felder und bepflanzten Weinberge im Stich. Bald daraus erschienen die
Aegypter und trugen ihre Rechtssache gegen die Jsraeliten vor, Sie sprachen:
Gebt uns das Silber und das Gold, das ihr uns, wie bei Mose steht, ge¬
nommen habt. Da sprach Gebiha ben Passisa zu den Weisen: Erlaubt mir,
daß ich eure Rechtssache führe; denn gewinnen sie den Prozeß, so könnt ihr
sagen: Ihr habt einen Geringen von uns überwunden; verlieren sie ihn aber,



*) Auf dem Rückzüge Alexander's von Aegypten erfuhren die Samciritancr aber eine
strenge und blutige Züchtigung von ihm. Unzufrieden mit dem von ihm eingesetzten Statt¬
halter Andromachus, erregten sie einen Aufstand, ergriffen den Statthalter und überant¬
worteten ihn dein Fmcrtode. In Folge dessen wurde ein großer Theil der Samaritaner
unter grausamen Martern hingerichtet, ein andrer Statthalter Namens Memnon eingesetzt
und das Land mit Makedonien: bevölkert.

ungen und sonstigen Eigenthümlichkeiten, Sitten und Gebräuche ließ, so setzten
ihm auch die Juden keinen Widerstand entgegen, sondern versprachen ihm
Unterthänigkeit und huldigten ihm, wofür ihnen das Wohlwollen des Herrschers
zu Theil wurde. Das samaritanische Buch Josua beutet übrigens den Vorfall
im entgegengesetzten Sinne zu Gunsten der samaritanischen Religion aus.*)

Nach einer zweiten Sage erscheinen verschiedene Völker vor Alexander's
Richterstuhl, um mit den Juden theils wegen des Heiligen Landes, theils wegen
der aus Aegypten mitgenommenen silbernen und goldenen Gesäße zu rechten.
Alle werden aber vom Könige, nachdem er die Vertheidigung eines scharfsinnigen
Juden vernommen, abfällig beschieden. Die Sage, welche der babylonische
Traktat Sanhedr erzählt, lautet: „Es kamen Leute aus Afrika, um ihre Rechts¬
sache gegen die Kinder Israel vor Alexander den Großen zu bringen. Das
Land Kanaan, sprachen sie, gehört uns, wie bei Mose geschrieben steht, denn
Kanaan ist unser Vater gewesen. Da sprach Gebiha ben Passisa zu den
Weisen: Gebt mir die Erlaubniß, daß ich für euch den Rechtsstreit führe;
denn fällt das Urtheil zu ihren Gunsten aus, so könnt ihr sprechen: Ihr habt
einen Geringen von uns überwunden; fällt aber das Urtheil zu ihrem Nach¬
theil aus, so sprecht: das Gesetz Mose hat euch überwunden. Da ertheilten
sie ihm die Erlaubniß, und er sprach zu den Anklägern: Woher nehmt ihr
euren Beweis, womit begründet ihr eure Forderung? Sie antworteten: Aus
der Bibel. Darauf versetzte er: Auch ich will meinen Beweis aus der Bibel
nehmen. Wenn schon nach Mose ein (leibeigener) Knecht Güter bekommt, wein
fallen dann die Güter sammt dem Knechte zu? Doch das ist es nicht allein,
sondern ihr habt uns auch in so und soviel Jahren nicht gedient. Alexander
forderte nun die Kläger auf, ihren Beweis vorzubringen. Sie sprachen: Gib
uns drei Tage Zeit. Alexander gewährte ihnen die Frist; da sie aber trotz
ihres Suchens keine Antwort finden konnten, flohen sie und ließen ihre besäten
Felder und bepflanzten Weinberge im Stich. Bald daraus erschienen die
Aegypter und trugen ihre Rechtssache gegen die Jsraeliten vor, Sie sprachen:
Gebt uns das Silber und das Gold, das ihr uns, wie bei Mose steht, ge¬
nommen habt. Da sprach Gebiha ben Passisa zu den Weisen: Erlaubt mir,
daß ich eure Rechtssache führe; denn gewinnen sie den Prozeß, so könnt ihr
sagen: Ihr habt einen Geringen von uns überwunden; verlieren sie ihn aber,



*) Auf dem Rückzüge Alexander's von Aegypten erfuhren die Samciritancr aber eine
strenge und blutige Züchtigung von ihm. Unzufrieden mit dem von ihm eingesetzten Statt¬
halter Andromachus, erregten sie einen Aufstand, ergriffen den Statthalter und überant¬
worteten ihn dein Fmcrtode. In Folge dessen wurde ein großer Theil der Samaritaner
unter grausamen Martern hingerichtet, ein andrer Statthalter Namens Memnon eingesetzt
und das Land mit Makedonien: bevölkert.
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[0277] ungen und sonstigen Eigenthümlichkeiten, Sitten und Gebräuche ließ, so setzten ihm auch die Juden keinen Widerstand entgegen, sondern versprachen ihm Unterthänigkeit und huldigten ihm, wofür ihnen das Wohlwollen des Herrschers zu Theil wurde. Das samaritanische Buch Josua beutet übrigens den Vorfall im entgegengesetzten Sinne zu Gunsten der samaritanischen Religion aus.*) Nach einer zweiten Sage erscheinen verschiedene Völker vor Alexander's Richterstuhl, um mit den Juden theils wegen des Heiligen Landes, theils wegen der aus Aegypten mitgenommenen silbernen und goldenen Gesäße zu rechten. Alle werden aber vom Könige, nachdem er die Vertheidigung eines scharfsinnigen Juden vernommen, abfällig beschieden. Die Sage, welche der babylonische Traktat Sanhedr erzählt, lautet: „Es kamen Leute aus Afrika, um ihre Rechts¬ sache gegen die Kinder Israel vor Alexander den Großen zu bringen. Das Land Kanaan, sprachen sie, gehört uns, wie bei Mose geschrieben steht, denn Kanaan ist unser Vater gewesen. Da sprach Gebiha ben Passisa zu den Weisen: Gebt mir die Erlaubniß, daß ich für euch den Rechtsstreit führe; denn fällt das Urtheil zu ihren Gunsten aus, so könnt ihr sprechen: Ihr habt einen Geringen von uns überwunden; fällt aber das Urtheil zu ihrem Nach¬ theil aus, so sprecht: das Gesetz Mose hat euch überwunden. Da ertheilten sie ihm die Erlaubniß, und er sprach zu den Anklägern: Woher nehmt ihr euren Beweis, womit begründet ihr eure Forderung? Sie antworteten: Aus der Bibel. Darauf versetzte er: Auch ich will meinen Beweis aus der Bibel nehmen. Wenn schon nach Mose ein (leibeigener) Knecht Güter bekommt, wein fallen dann die Güter sammt dem Knechte zu? Doch das ist es nicht allein, sondern ihr habt uns auch in so und soviel Jahren nicht gedient. Alexander forderte nun die Kläger auf, ihren Beweis vorzubringen. Sie sprachen: Gib uns drei Tage Zeit. Alexander gewährte ihnen die Frist; da sie aber trotz ihres Suchens keine Antwort finden konnten, flohen sie und ließen ihre besäten Felder und bepflanzten Weinberge im Stich. Bald daraus erschienen die Aegypter und trugen ihre Rechtssache gegen die Jsraeliten vor, Sie sprachen: Gebt uns das Silber und das Gold, das ihr uns, wie bei Mose steht, ge¬ nommen habt. Da sprach Gebiha ben Passisa zu den Weisen: Erlaubt mir, daß ich eure Rechtssache führe; denn gewinnen sie den Prozeß, so könnt ihr sagen: Ihr habt einen Geringen von uns überwunden; verlieren sie ihn aber, *) Auf dem Rückzüge Alexander's von Aegypten erfuhren die Samciritancr aber eine strenge und blutige Züchtigung von ihm. Unzufrieden mit dem von ihm eingesetzten Statt¬ halter Andromachus, erregten sie einen Aufstand, ergriffen den Statthalter und überant¬ worteten ihn dein Fmcrtode. In Folge dessen wurde ein großer Theil der Samaritaner unter grausamen Martern hingerichtet, ein andrer Statthalter Namens Memnon eingesetzt und das Land mit Makedonien: bevölkert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/277>, abgerufen am 23.11.2024.