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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Es war nie seine Absicht gewesen, weder im vorbereitenden Konnte, noch in
der späteren Direktion etwa die erste Stelle einzunehmen. "Klugheit und Be¬
scheidenheit," sagte er, "gebieten mir, diese Stelle abzulehnen, selbst wenn sie mir
angeboten wird." Er hatte, wie seine Notizen aus jener Zeit melden, die Ab¬
sicht, in Leipzig seinen bleibenden Aufenthalt zu nehmen, dort eine Ruhestätte
zu finden und entfernt von allem politischen Treiben seine ganze Thätigkeit
nur der Hebung der Industrie und den Eisenbahnen zu widmen. Deshalb
müsse ihm, meinte er, alles daran liegen, sich keiner Ambition in den Weg zu
stellen, sich nicht an die Spitze zu drängen; er wollte sich mit einer untergeord¬
neten Stellung begnügen. In diesem Sinne hatte er sich oft gegen diejenigen
Personen ausgesprochen, die sich an die Spitze stellten, in diesem Sinne hatte
er sich gegen v. Lcmgenn erklärt, ihn um seine Vermittelung gebeten und
diese zugesagt erhalten. Geldgewinn war nicht sein Zweck. Seine Aussichten
in die Zukunft waren damals nicht nur befriedigend, sondern beinahe glänzend,
und genügten ihm, "da er nie nach Reichthum, wohl aber nach ökonomischer
Unabhängigkeit strebte". Seinen persönlichen Vortheil gedachte er durch
Ankauf von Grundeigentum in Leipzig, welches voraussichtlich bedeutend
im Preise steigen mußte, zu wahren. Wenn er trotzdem den ersten För¬
derern seiner Pläne stets die Bedingung stellte und von ihnen wiederholt
das Versprechen erhielt, daß er bei der Direktion der Unternehmung betheiligt
werden solle, was ihm auch stets zugesagt wurde als eine Sache, die sich von
selbst verstehe, nicht nur weil er Gründer des Unternehmens sei, sondern weil
er mehr Erfahrung und Kenntnisse in der Sache habe, als irgend eins der
Mitglieder, und weil alle Betheiligten an der Spitze großer Geschäfte ständen
und sich der Sache nicht gehörig widmen könnten -- wenn er diese Bedingung
stellte, so that er es einestheils, um dadurch das Ansehen und den Einfluß zu
erhalten, den er nöthig hatte, um auf ähnliche Unternehmungen in anderen
deutschen Staaten zu wirken, um sich Geltung zu verschaffen und sich das
moralische Bürgerrecht zu erwerben. Wie sollte er dies alles erreichen, wenn
er nicht in dem Eisenbahn-Komite einen ausgezeichneten Platz einnahm? Wie
sollte er denen, die später die Eisenbahn-Direktoren wählen würden, bekannt
werden? Seine Schriften waren dann nicht mehr in der Erinnerung, vieles
von feinen Arbeiten war ohnehin unter Kollektivnamen erschienen und war
bereits anderen mehr zu gute gekommen als ihm. Aus solchen Gründen mußte
er wünschen, daß ihm im Vorbereitungs-Komite wenigstens die zweite Stelle zu
Theil würde. Dies war ihm durch das eingeleitete Verfahren nun abgeschnitten

Aber List ließ alle Bedenken fallen. Er nahm die dargebotene Wahl an,
nachdem er vorher noch einmal seine Bedingungen geäußert hatte. "Sollte
ich," bemerkt er in seinen Aufzeichnungen, "durch die Nichtannahme beweisen,


Es war nie seine Absicht gewesen, weder im vorbereitenden Konnte, noch in
der späteren Direktion etwa die erste Stelle einzunehmen. „Klugheit und Be¬
scheidenheit," sagte er, „gebieten mir, diese Stelle abzulehnen, selbst wenn sie mir
angeboten wird." Er hatte, wie seine Notizen aus jener Zeit melden, die Ab¬
sicht, in Leipzig seinen bleibenden Aufenthalt zu nehmen, dort eine Ruhestätte
zu finden und entfernt von allem politischen Treiben seine ganze Thätigkeit
nur der Hebung der Industrie und den Eisenbahnen zu widmen. Deshalb
müsse ihm, meinte er, alles daran liegen, sich keiner Ambition in den Weg zu
stellen, sich nicht an die Spitze zu drängen; er wollte sich mit einer untergeord¬
neten Stellung begnügen. In diesem Sinne hatte er sich oft gegen diejenigen
Personen ausgesprochen, die sich an die Spitze stellten, in diesem Sinne hatte
er sich gegen v. Lcmgenn erklärt, ihn um seine Vermittelung gebeten und
diese zugesagt erhalten. Geldgewinn war nicht sein Zweck. Seine Aussichten
in die Zukunft waren damals nicht nur befriedigend, sondern beinahe glänzend,
und genügten ihm, „da er nie nach Reichthum, wohl aber nach ökonomischer
Unabhängigkeit strebte". Seinen persönlichen Vortheil gedachte er durch
Ankauf von Grundeigentum in Leipzig, welches voraussichtlich bedeutend
im Preise steigen mußte, zu wahren. Wenn er trotzdem den ersten För¬
derern seiner Pläne stets die Bedingung stellte und von ihnen wiederholt
das Versprechen erhielt, daß er bei der Direktion der Unternehmung betheiligt
werden solle, was ihm auch stets zugesagt wurde als eine Sache, die sich von
selbst verstehe, nicht nur weil er Gründer des Unternehmens sei, sondern weil
er mehr Erfahrung und Kenntnisse in der Sache habe, als irgend eins der
Mitglieder, und weil alle Betheiligten an der Spitze großer Geschäfte ständen
und sich der Sache nicht gehörig widmen könnten — wenn er diese Bedingung
stellte, so that er es einestheils, um dadurch das Ansehen und den Einfluß zu
erhalten, den er nöthig hatte, um auf ähnliche Unternehmungen in anderen
deutschen Staaten zu wirken, um sich Geltung zu verschaffen und sich das
moralische Bürgerrecht zu erwerben. Wie sollte er dies alles erreichen, wenn
er nicht in dem Eisenbahn-Komite einen ausgezeichneten Platz einnahm? Wie
sollte er denen, die später die Eisenbahn-Direktoren wählen würden, bekannt
werden? Seine Schriften waren dann nicht mehr in der Erinnerung, vieles
von feinen Arbeiten war ohnehin unter Kollektivnamen erschienen und war
bereits anderen mehr zu gute gekommen als ihm. Aus solchen Gründen mußte
er wünschen, daß ihm im Vorbereitungs-Komite wenigstens die zweite Stelle zu
Theil würde. Dies war ihm durch das eingeleitete Verfahren nun abgeschnitten

Aber List ließ alle Bedenken fallen. Er nahm die dargebotene Wahl an,
nachdem er vorher noch einmal seine Bedingungen geäußert hatte. „Sollte
ich," bemerkt er in seinen Aufzeichnungen, „durch die Nichtannahme beweisen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/27>, abgerufen am 01.09.2024.