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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Nach der Wahl wurde List von Müller zu einer Konferenz eingeladen.
Hier wurde ihm zu seinem größten Erstaunen eröffnet, daß er als ordentliches
Mitglied in das Konnte nicht eintreten könne. Der Rath der Stadt hatte
für das Konnte bestimmt, daß nur wirkliche Bürger von Sachsen als ordent¬
liche Mitglieder gewählt werden könnten. Stadrath Müller hatte dies anch
schon in der Versammlung mitgetheilt; List hatte es aber überhört, und auch
wohl die meisten Bürger, da sie ja List, auf den diese Bestimmung allein ge¬
münzt sein konnte, trotzdem gewählt hatten. Müller suchte den unangenehmen
Eindruck, den diese Mittheilung auf List machen mußte, dadurch abzuschwächen,
daß er ihm sagte, der Rath habe seinen besondern Fall ebenfalls vorgesehen.
Es sei dem Konnte die Befugniß ertheilt worden, außerordentliche Mitglieder
zuzuziehen, und für diesen Fall sei es jener Bedingung nicht unterworfen.

List beschwerte sich über diese Taktik, die er auf Rechnung seiner früheren
Thätigkeit für Gründung des Zollvereins schreiben zu müssen glaubte, bei dem
Regierungs-Kommissar v. Lcmgenn. Auch dieser sprach sich mißbilligend über
die Anordnung aus. Es sei, meinte er, gar kein Grund vorhanden, in dieser
Sache, die zu Staats- und stadtbürgerlichen Rechten in keinerlei Beziehung stehe,
eine solche Bedingung zu stellen. Im Gegentheil, da den Bürgern die Sache
fremd sei, und Kenntniß und Erfahrung ihnen nur von außen kommen könne, so
müsse ihnen List als Mitglied des Komites gerade willkommen sein. Lcmgenn
versprach die Angelegenheit zu ordnen; allein es war nichts zu erreichen, das
Geschehene war nicht rückgängig zu machen. Als am andern Tage auch
Dufour und Lampe ihm die Nachricht von der Anordnung des Rathes in's
Haus brachten, und List Bedenken und Bedingungen für den Eintritt in das
Konnte äußerte, bemerkte Dufour, die Leipziger würden stets als Ehrenmänner
an ihm handeln, "nicht wie Jankees, wie er zu befürchten scheine". Diese
Aeußerung und die Erwägung, daß die ganze Sache doch im Grunde nur auf
eine Förmlichkeit hinauslaufe, bestimmten List, keinen Protest zu erheben, von
ausdrücklichen Bedingungen abzusehen und die ganze Sache dem Ehr- und
Rechtsgefühl der künftigen Führer der Kompagnie zu überlassen, die, wie leicht
vorauszusehen war, dieselben Männer sein würden, welche List Zusicherungen
gemacht hatten.

Allein List sollte bald gewahr werden, daß es sich doch um keine leere
Förmlichkeit gehandelt hatte. Das Konnte konstituirte sich am 3. April, ohne
daß List zugegen war. Es wählte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter,
ohne daß List dabei in Frage kam. Am folgenden Tage wurde er als außer¬
ordentliches Mitglied in's Konnte gewählt. Eine besondere Stellung konnte
ihm dort nicht mehr gegeben werden -- die Rollen waren vertheilt. Noch
einmal überlegte sich List, ob es möglich sei, eine solche Wahl anzunehmen.


Nach der Wahl wurde List von Müller zu einer Konferenz eingeladen.
Hier wurde ihm zu seinem größten Erstaunen eröffnet, daß er als ordentliches
Mitglied in das Konnte nicht eintreten könne. Der Rath der Stadt hatte
für das Konnte bestimmt, daß nur wirkliche Bürger von Sachsen als ordent¬
liche Mitglieder gewählt werden könnten. Stadrath Müller hatte dies anch
schon in der Versammlung mitgetheilt; List hatte es aber überhört, und auch
wohl die meisten Bürger, da sie ja List, auf den diese Bestimmung allein ge¬
münzt sein konnte, trotzdem gewählt hatten. Müller suchte den unangenehmen
Eindruck, den diese Mittheilung auf List machen mußte, dadurch abzuschwächen,
daß er ihm sagte, der Rath habe seinen besondern Fall ebenfalls vorgesehen.
Es sei dem Konnte die Befugniß ertheilt worden, außerordentliche Mitglieder
zuzuziehen, und für diesen Fall sei es jener Bedingung nicht unterworfen.

List beschwerte sich über diese Taktik, die er auf Rechnung seiner früheren
Thätigkeit für Gründung des Zollvereins schreiben zu müssen glaubte, bei dem
Regierungs-Kommissar v. Lcmgenn. Auch dieser sprach sich mißbilligend über
die Anordnung aus. Es sei, meinte er, gar kein Grund vorhanden, in dieser
Sache, die zu Staats- und stadtbürgerlichen Rechten in keinerlei Beziehung stehe,
eine solche Bedingung zu stellen. Im Gegentheil, da den Bürgern die Sache
fremd sei, und Kenntniß und Erfahrung ihnen nur von außen kommen könne, so
müsse ihnen List als Mitglied des Komites gerade willkommen sein. Lcmgenn
versprach die Angelegenheit zu ordnen; allein es war nichts zu erreichen, das
Geschehene war nicht rückgängig zu machen. Als am andern Tage auch
Dufour und Lampe ihm die Nachricht von der Anordnung des Rathes in's
Haus brachten, und List Bedenken und Bedingungen für den Eintritt in das
Konnte äußerte, bemerkte Dufour, die Leipziger würden stets als Ehrenmänner
an ihm handeln, „nicht wie Jankees, wie er zu befürchten scheine". Diese
Aeußerung und die Erwägung, daß die ganze Sache doch im Grunde nur auf
eine Förmlichkeit hinauslaufe, bestimmten List, keinen Protest zu erheben, von
ausdrücklichen Bedingungen abzusehen und die ganze Sache dem Ehr- und
Rechtsgefühl der künftigen Führer der Kompagnie zu überlassen, die, wie leicht
vorauszusehen war, dieselben Männer sein würden, welche List Zusicherungen
gemacht hatten.

Allein List sollte bald gewahr werden, daß es sich doch um keine leere
Förmlichkeit gehandelt hatte. Das Konnte konstituirte sich am 3. April, ohne
daß List zugegen war. Es wählte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter,
ohne daß List dabei in Frage kam. Am folgenden Tage wurde er als außer¬
ordentliches Mitglied in's Konnte gewählt. Eine besondere Stellung konnte
ihm dort nicht mehr gegeben werden — die Rollen waren vertheilt. Noch
einmal überlegte sich List, ob es möglich sei, eine solche Wahl anzunehmen.


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[0026] Nach der Wahl wurde List von Müller zu einer Konferenz eingeladen. Hier wurde ihm zu seinem größten Erstaunen eröffnet, daß er als ordentliches Mitglied in das Konnte nicht eintreten könne. Der Rath der Stadt hatte für das Konnte bestimmt, daß nur wirkliche Bürger von Sachsen als ordent¬ liche Mitglieder gewählt werden könnten. Stadrath Müller hatte dies anch schon in der Versammlung mitgetheilt; List hatte es aber überhört, und auch wohl die meisten Bürger, da sie ja List, auf den diese Bestimmung allein ge¬ münzt sein konnte, trotzdem gewählt hatten. Müller suchte den unangenehmen Eindruck, den diese Mittheilung auf List machen mußte, dadurch abzuschwächen, daß er ihm sagte, der Rath habe seinen besondern Fall ebenfalls vorgesehen. Es sei dem Konnte die Befugniß ertheilt worden, außerordentliche Mitglieder zuzuziehen, und für diesen Fall sei es jener Bedingung nicht unterworfen. List beschwerte sich über diese Taktik, die er auf Rechnung seiner früheren Thätigkeit für Gründung des Zollvereins schreiben zu müssen glaubte, bei dem Regierungs-Kommissar v. Lcmgenn. Auch dieser sprach sich mißbilligend über die Anordnung aus. Es sei, meinte er, gar kein Grund vorhanden, in dieser Sache, die zu Staats- und stadtbürgerlichen Rechten in keinerlei Beziehung stehe, eine solche Bedingung zu stellen. Im Gegentheil, da den Bürgern die Sache fremd sei, und Kenntniß und Erfahrung ihnen nur von außen kommen könne, so müsse ihnen List als Mitglied des Komites gerade willkommen sein. Lcmgenn versprach die Angelegenheit zu ordnen; allein es war nichts zu erreichen, das Geschehene war nicht rückgängig zu machen. Als am andern Tage auch Dufour und Lampe ihm die Nachricht von der Anordnung des Rathes in's Haus brachten, und List Bedenken und Bedingungen für den Eintritt in das Konnte äußerte, bemerkte Dufour, die Leipziger würden stets als Ehrenmänner an ihm handeln, „nicht wie Jankees, wie er zu befürchten scheine". Diese Aeußerung und die Erwägung, daß die ganze Sache doch im Grunde nur auf eine Förmlichkeit hinauslaufe, bestimmten List, keinen Protest zu erheben, von ausdrücklichen Bedingungen abzusehen und die ganze Sache dem Ehr- und Rechtsgefühl der künftigen Führer der Kompagnie zu überlassen, die, wie leicht vorauszusehen war, dieselben Männer sein würden, welche List Zusicherungen gemacht hatten. Allein List sollte bald gewahr werden, daß es sich doch um keine leere Förmlichkeit gehandelt hatte. Das Konnte konstituirte sich am 3. April, ohne daß List zugegen war. Es wählte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter, ohne daß List dabei in Frage kam. Am folgenden Tage wurde er als außer¬ ordentliches Mitglied in's Konnte gewählt. Eine besondere Stellung konnte ihm dort nicht mehr gegeben werden — die Rollen waren vertheilt. Noch einmal überlegte sich List, ob es möglich sei, eine solche Wahl anzunehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/26>, abgerufen am 25.11.2024.