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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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statischen Schmerz eines Siegers malte, welcher den Glanz seiner Triumphe
vergißt, um über den Tod eines Kindes zu weinen."

Um diesen Akt der Gefühllosigkeit ganz zu würdigen, muß man wissen,
daß dieses Kind höchst wahrscheinlich sein eigenes war. Allgemein galt am
Hofe der älteste Sohn der Hortense v. Beauharnais, der Tochter Josephinen's,
für ein Kind Napoleon's. Nicht blos in Paris, auch in der Familie Napoleon
war es allbekannt, anch Josephine wußte es, und Louis Bonaparte empfand
darüber lebhafte Unruhe und heftige Eifersucht.

Die Kälte des Herzens schloß übrigens bei Napoleon I. eine wahre Glut
der Leidenschaft nicht aus. Er hatte nicht nur Mätressen überhaupt, er hatte
sogar welche in der eigenen Familie. Er begnügte sich nicht mit seiner Stief¬
tochter Hortense. Josephine selbst gestand eines Tages in einer schmerzlichen
Aufwallung der Frau von Remusat noch andere, schlimmere Dinge. "Er besitzt
keinerlei Grundsätze der Moral," sagte die Unglückliche, über deren Haupte
schon das Schicksal der Scheidung schwebte; "noch verheimlicht er die Verdor¬
benheit seiner Neigungen, weil er fürchtet, daß ihm das Schaden bringen könnte.
Wenn man ihn aber ruhig gewähren läßt, ohne sich darüber zu beklagen,
wird man sehen, daß er sich den schändlichsten Leidenschaften hingeben würde.
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Man braucht nicht anzunehmen, daß die aufgeregte Phantasie Josephinen's
solche schreckliche Dinge erdacht habe. Sie waren bekannt. Wenigstens wurden
sie in eingeweihten Hofkreisen fest geglaubt, man sprach sogar ganz offen davon.
Die Schwiegermutter des Generals Moreau machte eines Tages zu Malmciison
sehr bittere und spöttische Bemerkungen über die skandalöse Intimität, die man
dem Kaiser und seiner jungen, kurz vorher verheiratheten Schwester Karoline
Schuld gab.

Zu dieser zügellosen moralischen Verderbtheit kam eine merkwürdige Bos¬
heit. "Sobald sich der Konsul," erzählt Frau v. Remusat an andrer Stelle,
"um eine andre Geliebte bemühte, mochte nun sein angeborener Despotismus
daran Anstoß nehmen, daß seine Gemahlin diese Ungebundenheit, die er in
allen Dingen für sich in Anspruch nahm, nicht billigte, mochte die Natur ihm
ein so geringes Maß von Verliebtheit zugemessen haben, daß dieselbe von der
gerade von ihm ausgezeichneten Geliebten absorbirt wurde, und daß er dann
für eine andre nicht das geringste Wohlwollen mehr übrig hatte, genug, so¬
bald er ein solches neues Verhältniß anknüpfte, war er hart, heftig, schonungs¬
los gegen seine Frau. Er verhehlte ihr dergleichen gar nicht und zeigte sich
äußerst überrascht, wenn sie es nicht billigte, daß er sich solchen Zerstreuungen
hingab, von denen er sozusagen mathematisch nachwies, daß sie ihm erlaubt,
ja für ihn nothwendig wären. Ich bin nicht ein Mann wie andere Männer,


statischen Schmerz eines Siegers malte, welcher den Glanz seiner Triumphe
vergißt, um über den Tod eines Kindes zu weinen."

Um diesen Akt der Gefühllosigkeit ganz zu würdigen, muß man wissen,
daß dieses Kind höchst wahrscheinlich sein eigenes war. Allgemein galt am
Hofe der älteste Sohn der Hortense v. Beauharnais, der Tochter Josephinen's,
für ein Kind Napoleon's. Nicht blos in Paris, auch in der Familie Napoleon
war es allbekannt, anch Josephine wußte es, und Louis Bonaparte empfand
darüber lebhafte Unruhe und heftige Eifersucht.

Die Kälte des Herzens schloß übrigens bei Napoleon I. eine wahre Glut
der Leidenschaft nicht aus. Er hatte nicht nur Mätressen überhaupt, er hatte
sogar welche in der eigenen Familie. Er begnügte sich nicht mit seiner Stief¬
tochter Hortense. Josephine selbst gestand eines Tages in einer schmerzlichen
Aufwallung der Frau von Remusat noch andere, schlimmere Dinge. „Er besitzt
keinerlei Grundsätze der Moral," sagte die Unglückliche, über deren Haupte
schon das Schicksal der Scheidung schwebte; „noch verheimlicht er die Verdor¬
benheit seiner Neigungen, weil er fürchtet, daß ihm das Schaden bringen könnte.
Wenn man ihn aber ruhig gewähren läßt, ohne sich darüber zu beklagen,
wird man sehen, daß er sich den schändlichsten Leidenschaften hingeben würde.
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Man braucht nicht anzunehmen, daß die aufgeregte Phantasie Josephinen's
solche schreckliche Dinge erdacht habe. Sie waren bekannt. Wenigstens wurden
sie in eingeweihten Hofkreisen fest geglaubt, man sprach sogar ganz offen davon.
Die Schwiegermutter des Generals Moreau machte eines Tages zu Malmciison
sehr bittere und spöttische Bemerkungen über die skandalöse Intimität, die man
dem Kaiser und seiner jungen, kurz vorher verheiratheten Schwester Karoline
Schuld gab.

Zu dieser zügellosen moralischen Verderbtheit kam eine merkwürdige Bos¬
heit. „Sobald sich der Konsul," erzählt Frau v. Remusat an andrer Stelle,
„um eine andre Geliebte bemühte, mochte nun sein angeborener Despotismus
daran Anstoß nehmen, daß seine Gemahlin diese Ungebundenheit, die er in
allen Dingen für sich in Anspruch nahm, nicht billigte, mochte die Natur ihm
ein so geringes Maß von Verliebtheit zugemessen haben, daß dieselbe von der
gerade von ihm ausgezeichneten Geliebten absorbirt wurde, und daß er dann
für eine andre nicht das geringste Wohlwollen mehr übrig hatte, genug, so¬
bald er ein solches neues Verhältniß anknüpfte, war er hart, heftig, schonungs¬
los gegen seine Frau. Er verhehlte ihr dergleichen gar nicht und zeigte sich
äußerst überrascht, wenn sie es nicht billigte, daß er sich solchen Zerstreuungen
hingab, von denen er sozusagen mathematisch nachwies, daß sie ihm erlaubt,
ja für ihn nothwendig wären. Ich bin nicht ein Mann wie andere Männer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/248>, abgerufen am 24.11.2024.